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    Inbred
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Inbred
    Von Kevin Huber

    Der Hinterwäldler-Boom hält an. Seit das Horror-Kino in den vergangenen Jahren die raue Kompromisslosigkeit von Klassikern wie „Hügel der blutigen Augen" oder „The Texas Chainsaw Massacre" neu entdeckt hat, stehen ignorante und naive Stadtbewohner wieder Schlange, um in ländlicher Abgeschiedenheit von degenerierten Inzest-Familien dahingemeuchelt zu werden. Ging es dabei unterschwellig bisher zumeist um die menschlichen Ur-Ängste vor allem Fremden, wird nun zunehmend die Furcht vor der grausamen Rache der vom Sozialstaat Zurückgelassenen an der zivilisierten Welt zum Thema. Und so finden Hinterwäldler-Horrorszenarien nun auch im krisengeschüttelten Europa ihren Nährboden – wie in Alex Chandons englischem Genre-Beitrag „Inbred". Sein Film ist eine Art Hardcore-Version der Kult-Comedy-Serie „The League of Gentlemen", in der die Eigenheiten der Menschen in Nordengland bereits mit schwarzem Humor und einer Prise Horror persifliert wurden. Chandon fügt zu garstigem Witz und sorgfältiger Figurenzeichnung noch einige fiese Gore-Effekte hinzu und sorgt so für grundsolide Horrorkost.

    Vier jugendliche Straftäter – die stille Sam (Nadine Rose Mulkerrin), der schüchterne Pyromane Tim (James Burrows), der Rüpel Dwight (Chris Waller) und sein Kumpel Zeb (Terry Haywood) – verschlägt es in die Einöde des Dörfchens Mortlake in Yorkshire. Dort sollen sie zu pädagogischen Zwecken ein heruntergekommenes Haus auf Vordermann bringen. Als Betreuer sind der Regel-Fetischist Jeff (James Doherty), der durch seine väterliche Art Probleme hat, sich durchzusetzen, und die robuste und bestimmende Kate (Jo Hartley) dabei. Zunächst verhalten sich die Bewohner des Dorfs unter Führung des unheimlichen Jim (Seamus O'Neill) noch einigermaßen gastfreundlich. Zwar bleiben sie lieber unter sich, auch ihr Verhalten ist irgendwie seltsam, doch erst, als es bei einem Ausflug zu einem unangenehmen Zwischenfall kommt, enthüllt die Sippe ihr wahres, blutrünstiges Gesicht...

    Dass „Inbred" nichts für Zartbesaitete ist, macht Splatter-Experte Alex Chandon bereits in der ersten Szene deutlich: Gliedmaßen fallen da rigoros der Axt zum Opfer und auch im weiteren Verlauf werden fröhlich Köpfe abgetrennt, Schädel zertrümmert, Körperteile zerfetzt und Menschen in Stücke gerissen, während die Kamera sich mit bösartiger Wonne an den Verstümmelungen labt. Bis das Gemetzel aber richtig in Fahrt kommt nimmt sich Chandon angemessen viel Zeit, um die Figuren zumindest grob zu charakterisieren. Besonders die von Jo Hartley („This Is England") exzellent gespielte Kate mausert sich schnell zum großen Sympathieträger fernab aller ausgetretenen „Final Girl"-Pfade. Auf der Gegenseite überzeugt vor allem der von Seamus O'Neill („Gefährten") gleichermaßen charismatisch wie diabolisch gespielte Jim, während seine Gefolgschaft als debile Ansammlung von Dorftrotten vorgeführt wird, die in erster Linie mit ihren skurrilen Deformierungen und verschrobenen Eigenarten für Heiterkeit sorgt.

    Allen witzigen Dialogen und ulkigen Make-Up-Effekten zum Trotz dürfte dem Zuschauer aber spätestens dann das Lachen im Halse stecken bleiben, wenn Chandon beginnt, seine Helden-Truppe zu dezimieren. Die Gore-Einlagen und Metzelszenen selbst sind nämlich keineswegs auf komisch getrimmt, sondern bleiben über weite Strecken schmerzhaft realistisch. Auf dem schmalen Grat zwischen rabenschwarzem Humor und blankem Sadismus werden liebgewonnene Figuren gnadenlos zu Hackfleisch verarbeitet, das Leid der Protagonisten wird mit garstigen Sprüchen und makabren Pointen quittiert – dabei entsteht die richtige Mischung aus galligem Humor und angstvoller Spannung, die „Inbred" irgendwo zwischen waschechtem Horror wie „The Hills Have Eyes" und überdrehtem Splatter-Ulk a la „2001 Maniacs" positioniert. Zwar reicht „Inbred" nicht an den durchaus ähnlichen, aber im Vergleich einfallsreicheren „Severance" heran, doch das fade Backwood-Mittelmaß lässt er problemlos hinter sich.

    Fazit: Alex Chandons „Inbred" bietet zwar nichts Neues, ist aber für die Liebhaber des blutigen Horrors und für die Freunde des schwarzen Humors dennoch ein Vergnügen.

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