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    Happy Rutsch
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Happy Rutsch
    Von Robert Cherkowski

    Nicht erst seit Richard Curtis' weihnachtlichem Episodenfilm „Tatsächlich... Liebe" ist das romantisch-komödiantische Ensemblestück mit Feiertagsrahmen ein trauter Begleiter eines ausgehenden Kinojahres. 2011 stehen sogar zwei Silvester-Rom-Coms mit großem Ensemble an. Während in „Happy New Year" von Garry Marshall im Big Apple reingefeiert und -geliebt wird, lädt der russische Star-Produzent und -Regisseur Timur Bekmambetov („Wächter der Nacht") zum langen Jolka-Fest. In Russland ist es dabei keineswegs mit ein paar pünktlichen Raketen getan, schließlich ist das Weltreich in sage und schreibe sechs Zeitzonen unterteilt. Zusammen mit einer Regie-Entourage aus dem Werbe- und Clip-Geschäft hat Bekmambetov seinen Episodenfilm also quer über das gewaltige Land verteilt. In deutschen Kinos heißt sein Silvesterspektakel merkwürdigerweise „Happy Rutsch". Für einen guten Rutsch ins neue Jahr sollte man um die unausgegorene Flickwerk-Actionkomödie allerdings einen weiten Bogen schlagen.

    In einem Kinderheim behauptet die Waisin Varya (Alina Bulynko), Medwedews Tochter zu sein. Zum Beweis soll der Staatspräsident in seiner Neujahrsansprache ein bestimmtes Grußwort an Varya ausrichten. Zuerst sieht es noch so aus, als ob Varyas Lüge auffliegt. Ihr cleverer Freund Wowa (Sergei Druzyak) glaubt jedoch, dass sich das Wunder durchaus bewerkstelligen lässt. Wowa verfolgt die Theorie, dass jeder Mensch auf der Welt jeden anderen über sechs Menschen kennt – auf diesem Wege ließe sich selbst bis zum Präsidenten durchdringen. Also wird die Grußbotschaft durch sechs Zeitzonen geleitet, weitergegeben von den unterschiedlichsten Menschen, die am Silvesterabend allesamt ihre eigenen kleinen Dramen erleben. Da sind zwei verstrittene Extremsportler, eine verkrachte Workaholic, ein Juwelendieb auf Abwegen, eine berühmte Sängerin samt taxifahrendem Stalker und eifersüchtelnde Liebende in einem Flugzeug. Ja, eigentlich geht es dabei immer um die Liebe. Immerhin weiß in Russland jeder: „Mit wem man ins neue Jahr hinein feiert, mit dem verbringt man es auch."

    Mit „Happy Rutsch" orientieren sich Bekmambetov und sein Regie-Team an den geläufigen Mustern der romantischen Episodenkomödie. So ist für alle Altersgruppen eine Identifikationsfigur dabei und der Ton reicht von kindlich-naiv über sexualisiert-zotig bis altersmild-weise. Im Finale laufen die Fäden dann zusammen: Ende gut, alles gut, alles wie gehabt. Schirmherr Bekmanbetov tut gut daran, die Geschichte mithilfe von Landkarten und einer omnipräsenten Erzählerstimme übersichtlich zu gestalten. Auf Logik und Glaubwürdigkeit wurde dabei jedoch weniger Wert gelegt – der Film ist eine eskapistische Sause, die keine Zwischentöne, sondern nur Extreme bietet. Im Minutentakt wechseln sich hemmungsloser Kitsch und hysterische Gags ab, während es immer wieder zu unplausiblen Handlungswendungen kommt – so wird die Atmosphäre des Films Mal ums Mal aufgebrochen. In dieser Hektik bleiben die Figuren Abziehbilder und die Geschichten überstrapazierte Sketche.

    Wahrlich verblüffend an „Happy Rutsch" ist jedoch vor allem die Form. Bekmanbetovs Team inszeniert seinen romantischen Ensemblefilm mit der knalligen Optik eines Actionstreifens. Hier wird schnell ersichtlich, dass die Episodenregisseure aus der Werbe- und Videoclip-Branche rekrutiert wurden. Wo andere Filmemacher ihre Figuren ergründen, werden hier alle Regler auf Zehn gedreht. So kommt es im Filmverlauf zu einigen vollkommen willkürlichen Actionszenen, die zwar gehörig den Putz von den Wänden rocken, im besinnlichen Genre- und Themen-Kontext jedoch wie Fremdkörper wirken. In solchen Momenten erweist sich „Happy Rutsch" unverkennbar als Produktion des Regisseurs, der schon Exzesse wie die russischen Megahits „Wächter der Nacht" und „Wächter des Tages" sowie das US-Massaker „Wanted" auf dem Kerbholz hat.

    Während Bekmambetovs schrilles Fußball-Spektakel „Lucky Trouble" mit seinen martialischen Bildern bereits seltsam anmutete, ist der Bogen bei „Happy Rutsch" endgültig überspannt. Unkompliziert-alberne Späßchen und gestalterischer Bombast werden hier so wirr aufeinander getürmt, dass ein Publikum mit westlichen Sehgewohnheiten seine liebe Mühe mit dem wüsten Leinwandtreiben haben wird. Immerhin: Wer sich mit einem kühlen Bier und ein paar guten Kumpels auf so außerordentlich schräge Trash-Perlen wie Tommy Wiseaus Kultfilm „The Room" oder die urkomische Bushido-Biographie „Zeiten ändern dich" einlassen kann, sollte hier definitiv einen Blick riskieren.

    Fazit: Gelegentlich wirkt Timur Bekmambetovs „Happy Rutsch", als hätte Michael Bay ein Remake von Rosa Von Praunheims „Die Bettwurst" inszeniert – mehr als ein filmisches Kuriosum ist der taktlos konzipierte und anstrengend chaotische Kino-Radau damit allerdings auch nicht.

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