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    Faust II reloaded - "Den lieb ich, der Unmögliches begehrt!"
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Faust II reloaded - "Den lieb ich, der Unmögliches begehrt!"
    Von Asokan Nirmalarajah

    Was für den Film gilt, galt schon immer für die Bühne: Hinter den Kulissen spielt sich das eigentliche Drama ab. Noch bevor die Hollywood-Studios die Making-of-Reportage erfanden, um mit dem Blick hinter den Vorhang für das Endprodukt zu werben, erzählten Regisseure in Kinofilmen vom Filmemachen. Ob Vincente Minnelli in seinen düsteren Hollywood-Demontagen „Stadt der Illusionen" und „Zwei Wochen in einer anderen Stadt" oder Federico Fellini in seinem surrealen Kinoalbtraum „8 1/2", ob François Truffaut in „Die amerikanische Nacht", Wim Wenders in „Der Stand der Dinge" oder Robert Altman in „The Player" – Filmemacher machen die eigene Arbeit immer wieder zum Kinostoff. Genauso gern schauen sie aber auch den Kollegen von Theater, Oper und Ballett über die Schulter und widmen sich dem Geschehen hinter der Bühne, sei es in Backstage-Dramen wie „Alles über Eva" und „Shakespeare in Love" oder in dokumentarischen Werken wie den preisgekrönten „Caesar Must Die" und „Rhythm is it! (Rhythm is it !)".Hinter diesen Beispielen bleibt Eike Besuden mit „Faust II Reloaded" allerdings deutlich zurück. Seine Dokumentation über die ambitionierte Aufführung von Goethes „Faust"-Fortsetzung als gerappte Sprechoper mit Hunderten von Schülern, der weltbekannten Deutschen Kammerphilharmonie Bremen und dem feinsinnigen Schauspieler Dominique Horwitz („Stalingrad (Stalingrad)") ist thematisch und formal überfrachtet - so wird sie weder dem Stoff noch dem Projekt wirklich gerecht.

    Am Anfang stand die wagemutige Idee des Komponisten Karsten Gundermann, ein Theaterstück mit einer großen Zahl von Schülern auf einer Open-Air-Bühne zu spielen. Noch dazu sollte das Stück nicht unbedingt ein Dauerbrenner auf allen Bühnen sein. Die Wahl fiel schließlich auf Johann Wolfgang von Goethes schon zu Lebzeiten als nur schwer verständlich und aufführbar eingestuften Fünfakter „Faust. Der Tragödie zweiter Teil". Der weitere Plan: Eine Bremer Gesamtschule im konfliktanfälligen Stadtbezirk Tenever mit multikulturell zusammengesetzten Schulklassen stellt die über 400 Stimmen für den jungen Chor. Dieser wiederum begleitet die durch Computerspielmelodien inspirierte symphonische Musik Gundermanns, während der theatererprobte Mime Dominique Horwitz als Hauptdarsteller den Ton angibt. Die schwierige Umsetzung dieses Projekts - von der ersten Idee bis zur finalen Aufführung bei Nacht - hält der Bremer Dokumentarfilmer Eike Besuden in seiner jüngsten Eigenproduktion fest.

    Er begleitet die erwachsenen Macher hinter und die Schüler auf der Bühne durch sämtliche Entstehungsstadien der drei Monate vor der Premiere, einschließlich der Musik-, Schauspiel- und Probestunden. Von seinem frech-jugendlichen Titel „Faust II Reloaded – ‚Den lieb ich, der Unmögliches begehrt!‘" über seinen dynamisch geschnittenen Auftakt bis hin zu der Idee, einige Schüler eigene Making-of-Szenen und Interviews drehen zu lassen, versucht sich Besuden an einem Brückenschlag zwischen Jung und Alt. Die inszenatorisch kühne und aufwendig gestaltete Entstaubung des Klassikers auf der Bühne soll schließlich ihre Entsprechung finden in einer Theaterdoku, die sich sowohl an kunstinteressierte Erwachsene wie kaum vorgebildete Jugendliche richtet.

    Doch sobald es nach den anfänglichen Einschätzungen der Theaterprofis Julia Habler (Regisseurin) und Dominique Horwitz über die Unmöglichkeit und Originalität des Projekts, an die Chronik der eigentlichen Proben geht, vermag Besuden wenig mit seinem Material anzufangen. Zwar wird zu Anfang der bald ermüdenden anderthalb Stunden Spielzeit versucht, auf die größeren Kontexte des Events einzugehen und ein Milieuporträt des fast nur von Ausländern bewohnten, heruntergekommenen Stadtteils Tenever zu zeichnen. Doch mit diesem interessanten Nebenschauplatz ist der Film nicht zu retten, denn über weiter Strecken verzettelt sich Besuden in Probenszenen mit nörgelnden, unaufmerksamen und anstrengenden Kindern, die nicht hören wollen, und unmöglich geduldigen Erwachsenen, die sie um jeden Preis an die deutsche Hochkultur heranzuführen bemühen – ein so löbliches wie mühsames Unterfangen, dem der Filmemacher weder filmische Spannung noch eigene Erkenntnisse abgewinnt.

    Fazit: Mit „Faust II Reloaded" kann Eike Besuden seinem eigentlich interessanten Thema wenig Sehenswertes und noch weniger Kinotaugliches entlocken – dafür ist sein inhaltliches Konzept zu bemüht pädagogisch und die formale Gestaltung zu uneinheitlich.

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