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    Das neunte Leben des Louis Drax
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Das neunte Leben des Louis Drax
    Von Ulf Lepelmeier

    Am I a typical disturbed child?“ fragt sich der kleine Louis Drax, dem in seinem kurzen Leben schon so viel zugestoßen ist, dass seine Mutter zu seinem neunten Geburtstag meint, er müsse nun besser auf sich achtgeben, da er seine sprichwörtlichen neun brenzligen Situationen bereits hinter sich habe. Regisseur Alexandre Aja verpackt in seiner Verfilmung von Liz Jensens Roman „The 9th Life Of Louis Drax“ ein Kriminaldrama um Vertuschungen und Psychosen in ein kindliches Fantasy-Gewand. Doch während die Gedankenwelt des Jungen einen besonderen Charme versprüht, erweist sich die „reale“ Story seines Lebens als vergleichsweise fade. Die Rätsel und Probleme der wirklichen Welt können in „Das neunte Leben des Louis Drax“ einfach nicht mit dem Einfallsreichtum des kleinen Komapatienten mithalten.

    Bei seinem Geburtstagspicknick stürzt der gerade neunjährige Louis Drax (Aiden Longworth) eine Felswand hinunter. Er wird für tot erklärt, kehrt aber nach zwei Stunden ins Reich der Lebenden zurück und fällt ins Koma. Mutter Nathalie (Sarah Gadon) ist zutiefst geschockt und bestürzt, von Louis' Vater Peter (Aaron Paul) fehlt indes seit dem Vorfall jedwede Spur. Während Dr. Allan Pascal (Jamie Dornan) versucht zu seinem Komapatienten durchzudringen, erinnert sich Louis an frühere Passagen seines Lebens und die Ungereimtheiten seiner Familiengeschichte. Was geschah an diesem sonnigen Nachmittag an der Felsküste, als der Junge um Haaresbreite sein Leben verlor?

    Ist „Das neunte Leben des Louis Drax“ ein kindlicher Fantasyfilm, ein Psychodrama oder ein Kriminalstück mit Horrorelementen? Er ist alles zugleich und nichts davon so richtig, denn Regisseur Alexandre Aja („The Hills Have Eyes“, „Mirrors“) versucht sich an einem komplexen Genre-Mix. Er nimmt mal die Perspektive des Jumgen im Koma ein, mal die seines behandelnden Arztes, lässt Visionen und Erinnerungen verschwimmen, um schließlich erschütternde Hintergründe zu offenbaren, die im Prinzip auf der Hand lagen. Das einleitende Drittel, in dem der Junge mit seinen Erinnerungen und Vorstellungen im Fokus steht, lebt noch von einer schönen, realitätsentrückten Stimmung: Die kindliche Wahrnehmung, die Verdrängungsversuche des schicksalsgebeutelten Louis, seine  Unterredungen mit einem Psychologen - all das fügt sich hier stimmig zusammen. Wenn der Junge einer tiefen, bedrohlichen Stimme folgt und ein verknöchertes Wesen irgendwo zwischen wandelndem Baum und Meeresungeheuer entdeckt, ruft dies sogar einmal Erinnerungen an Guillermo del Toros meisterlichen Fantasy-Horrorfilm „Pans Labyrinth“ wach. Doch dann wendet sich Aja immer stärker der Erwachsenenwelt zu, wo dann eine fade Lovestory und simple psychologische Thesen im Mittelpunkt stehen. Dabei verliert Louis Drax' Lebensgeschichte langsam ihren Fantasyzauber und auch das erzählerische Feingefühl geht zunehmend verloren. Stattdessen blasen esoterische Überhöhungen und falsche Fährten  die Geschichte unnötig auf.

    Jungdarsteller Aiden Longworth gefällt indes als kreativer und durch seine direkt-ehrliche Art aneckender Louis. So wie T.S. Spivet in Jean-Pierre Jeunets „Die Karte meiner Träume“ ist Louis ein Junge ohne wirkliche Freunde, aber mit einer besonderen individuellen Wahrnehmungsgabe, mit der er auf sein Leben blickt. Beide sehnen sich letztlich nach familiärer Nähe und Harmonie, insbesondere dem Zuspruch der Mutter. Natalies Zwiespalt  zwischen der hingebungsvollen Liebe zu ihrem einfallsreichen Problemkind und ihrer Sehnsucht nach eigenen Glück bleibt immer ein bisschen theoretisch. Es ist nie ganz klar, ob sie nun ein Opfer der Männer sein soll oder doch eher eine Femme fatale, denn  Sarah Gadon („Enemy“) spielt sie als immerzu bedrückt dreinschauende Person - von dem Charisma, das Natalie im Film mehrmals von anderen attestiert wird, ist nichts zu spüren. Und auch Jamie Dornan („Fifty Shades of Grey“) als ebenso charmanter wie bemühter Dr. Pascal bleibt blass. Erkennbar mit viel Herzblut bei der Sache ist dagegen Aaron Paul („Breaking Bad“) trotz seiner kurzen Leinwandzeit als Louis' Vater Peter. Doch alles schauspielerische Engagement kann nicht verhindern, dass der Film in seine Einzelteile zerfällt, wenn die kindliche Wahrnehmungswelt erst mit der platten Realität kollidiert und dann auch noch Elemente eines Mystery-Thrillers in die Handlung eingefügt werden.

    Fazit: Im ersten Drittel ist „Das neunte Leben des Louis Drax“ ein schönes Porträt der Gedankenwelt des neunjährigen Protagonisten, doch dann werden die Fantasy-Elemente von der schnöden Realität eines Krimi- und Psychodramas verdrängt. Es bleibt ein zwiespältiger Mystery-Mix.

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