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    Sommerfest
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Sommerfest
    Von Andreas Staben

    Erst im März 2017 war Lucas Gregorowicz in „Lommbock“ als Stefan im Kino zu sehen, der nach langer Abwesenheit aus der Ferne zurück in die Heimat kommt und durch die Konfrontation mit seiner Vergangenheit und vor allem durch das Wiedersehen mit seiner ersten großen Liebe ins Grübeln über seinen weiteren Lebensweg gerät. Nun verkörpert der Schauspieler in Sönke Wortmanns nostalgischer Komödie „Sommerfest“ wieder einen Stefan auf dem Trip in die Welt seiner Jugend, wobei es ihn diesmal „nur“ von München nach Bochum führt, doch in der Verfilmung von Frank Goosens gleichnamigem Roman scheint Bayerns Landeshauptstadt mindestens so weit vom Ruhrgebiet entfernt zu sein wie Dubai im „Lammbock“-Sequel vom fränkischen Würzburg. Während sich die beiden Filme trotz dieser frappierend ähnlichen Prämisse insgesamt doch sehr deutlich in Stimmung und Tonfall unterscheiden, perfektioniert Gregorowicz seine Rolle des orientierungslosen Außenseiters in „Sommerfest“ und sorgt so für eine Bodenständigkeit, die besser zum Ruhrpott passt als die immer wieder in schale Klischees umschlagenden Skurrilitäten der Nebenfiguren und –handlungen.

    Er hat gerade seinen Auftritt in Schillers „Die Räuber“ auf der Bühne eines Münchener Theaters absolviert, als Schauspieler Stefan (Lucas Gregorowicz) einen Anruf aus seiner Heimat Bochum erhält: Sein Vater ist gestorben! Noch geschminkt und in Maske setzt er sich in den Zug ins Ruhrgebiet. Er hat nur wenige Tage Zeit, die Formalitäten zu erledigen, denn nach dem Wochenende wartet in München ein Vorsprechen auf ihn, das über seine berufliche Zukunft entscheidet. Aber er ist sich gar nicht so sicher, ob er wirklich in einer Fernsehseifenoper mitspielen will und die Zweifel werden durch den Trip nach Bochum nur noch verstärkt. Denn in der Heimat trifft er nach vielen Jahren alte Freunde wie Toto (Nicholas Bodeux) und Frank (Peter Jordan) wieder – und schließlich auch seine Jugendliebe Charlie (Anna Bederke), nach der ihn alle ständig so penetrant fragen…

    Der Autor und Kabarettist Frank Goosen ist vor allem als liebevoller Chronist des Ruhrgebietsalltags bekannt geworden. Der Bochumer porträtiert den Menschenschlag der Gegend mit feinem Gespür für dessen Macken, wobei die humoristische Zuspitzung bei ihm fast immer einer nachfühlbaren Realität entspringt. Beim Transfer auf die Leinwand wird aus dieser gefühlten Echtheit jedoch ziemlich häufig eine etwas folkloristisch anmutende Revue abgeschmackter Ruhrgebietsstereotypen. Nebenfiguren wie die Lebenskünstler/Kleinganoven/Geschäftemacher Olaf (André Rohde) und Diggo (Markus John) sorgen zwar durchaus für amüsante Momente, aber in ihrer ständig betonten Schrägheit (von der Sprechweise bis zum unbeschreiblichen Outfit) kommen sie weniger als Originale rüber denn als Abziehbilder. Solche Menschen sind dem Autor dieses Textes in zwei Jahrzehnten Bochum jedenfalls nie begegnet. Natürlich inszeniert Wortmann, der ja selber auch aus der Gegend stammt, das mit einem gewissen Augenzwinkern, aber was Figuren wie etwa den Reißbrett-Dampfplauderer Toto fehlt, lässt sich ganz leicht an der einzigen wirklich authentisch wirkenden Darstellerin erkennen: Wenn die Budenbesitzerin Omma spricht, dann klingt das tatsächlich frei von der Leber weg und das ist kein Wunder, denn die Darstellerin Elfriede Fey ist Schauspiellaiin und im echten Leben Gasthauswirtin.

    Auf der B1 (pardon: A40) ist immer Stau (selbst wenn Schalke nicht spielt), alle Zechen sind zu, Opel und Nokia haben auch dichtgemacht – ziemlich unelegant lässt Drehbuchautor Wortmann seine Figuren über den „Strukturwandel“ dozieren und präsentiert uns ein Ruhrgebiet, das aus der Bergbauvergangenheit nie rausgekommen ist, und deren Bewohner die Zeit zwischen Industrieruinen, altmodischen Kneipen mit Bundeskegelbahn und dem Schrebergarten totschlagen, wenn sie nicht zwischendurch irgendeinen Schrank aus einer völlig verfallenen Wohngegend in Gladbeck abholen. Da fehlen nur noch die Taubenzüchter und der Fußball. Die ersteren haben die Macher selbst als Allgemeinplatz ausgemacht, aber der Volkssport Nummer eins spielt bei Sönke Wortmann (und Frank Goosen) einmal mehr eine große Rolle. Er hat schließlich nicht nur als Regisseur die großen Filme zum „Wunder von Bern“ und zum „Sommermärchen“ gedreht, sondern spielte immerhin einst selbst in der dritthöchsten Liga bei Westfalia Herne und wäre fast Fußballprofi geworden. In „Sommerfest“ erzählt er vom hoffnungsvollen Talent Murat, das einen Profivertrag beim Zweitligisten VfL Bochum (bei dem Goosen übrigens im Aufsichtsrat sitzt) bereits in der Tasche hat und noch ein letztes Mal für seinen unterklassigen Stammverein aufläuft. Alle freuen sich für Murat, klopfen sich gegenseitig auf die Schultern und träumen gemeinsam von der Weltkarriere des jungen Mannes: Das ist offensichtlich, aber sympathisch. Doch wie Wortmann die Illusionen dann zerstört, das ist noch viel offensichtlicher und gerade deshalb fast schon grausam.

    Während der herzhaft-derbe Humor zumindest immer gutherzig ist, trifft Wortmann in den wenigen ernsten Wendungen seines Films selten den richtigen Ton. Darunter leidet insbesondere die wiederaufflackernde Romanze zwischen Stefan und Charlie. Nur bei zwei Begegnungen am erzählerischen Wegesrand kommen Emotionen auf: Wenn der Schauspieler Stefan, der von allen sonst immer nur gefragt wird, ob man ihn denn kennen müsse, unverhofft einen Fan trifft (als Mandy darf Jasna Fritzi Bauer auch die originellste musikalische Darbietung des Films beisteuern) und wenn Charlie einer Jugendlichen (Jessika mit k) mit blauem Auge beisteht. Hier wird die sprichwörtliche Herzlichkeit des Ruhrgebiets filmische Realität, gerade weil sie nicht mit großer Geste daherkommt. Und diese Zurückhaltung passt wiederum zu Gregorowicz‘ Hauptfigur, die stets ein wenig überfordert und überwältigt wirkt. Dass Stefan zwischen Heimat- und Fremdheitsgefühlen hin- und hergerissen ist, das lässt sich angesichts dieses durchwachsenen Films umso besser verstehen, wenn der Zuschauer in einem Moment in nostalgischen Erinnerungen schwelgt und sich im nächsten für platte Ruhrpottklischees schämt.

    Fazit: Sönke Wortmanns Heimkehrer-Komödie schwankt extrem zwischen abgeschmackten Ruhrgebietsstereotypen und warmherzig-echten Momenten.

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