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    Die Welt der Wunderlichs
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Die Welt der Wunderlichs
    Von Ulf Lepelmeier

    Sein Komödienüberraschungserfolg „Alles auf Zucker“ über jüdisch-deutsche Irrungen und Wirrungen hatte noch Witz und eigenwilligen Charme. Doch mit der Hitlerposse „Mein Führer“ sowie seiner Filmindustrie-Komödie „Das Leben ist zu lang“ ging Regisseur Dani Levy anschließend baden. Und auch sein neuestes Werk „Die Welt der Wunderlichs“ wird ihn wohl kaum zurück in die Erfolgsschiene katapultieren. Die Komödie über eine dysfunktionale Familie wird von den weitgehend unlustigen Macken und Marotten der Figuren förmlich erschlagen und auch die satirische Nebenhandlung, in der das Genre der menschenverachtenden Castingshows im Fernsehen entlarvt werden soll, bleibt weitestgehend zahnlos. Statt jene TV-Formate und ihr sensationslüsternes Ausschlachten von Schicksalsschlägen anzuprangern, gerät Levy im Laufe des Films mit seiner Charakterzeichnung selbst zunehmend in die Nähe des kalkuliert wirkenden Bloßstellens.

    Musikerin Mimi Wunderlich (Katharina Schüttler) hat mal wieder einen jener Tage und ihr kleiner ADHS-Diktator namens Felix (Ernst Wilhelm Rodriguez) erweist sich da im Vergleich zu den anderen Familienmitgliedern noch als ihr geringstes Problem: Mimis Mutter Liliane (Hannelore Elsner) ist eine gefallene Schlagerdiva und hypochondrische Egozentrikerin, ihr Vater Walter (Peter Simonischek) ein zwanghafter, gänzlich unzurechnungsfähiger Spieler und die Schwester Manuela (Christiane Paul) eine herzlose Einzelgängerin – vom kaputten Sänger Johnny (Martin Feifel), Mimis drogensüchtigem Nochehemann und Vater von Felix, ganz zu schweigen. Als Felix die gestresste Mutter ohne ihr Wissen für die Schweizer Castingshow ‚Second Chance’ anmeldet und sie tatsächlich eine Einladung zur Teilnahme erhält, plant Mimi, allein nach Zürich aufzubrechen. Doch das lassen die anderen Familienmitglieder nicht zu …

    Hyperaktiv und außer Kontrolle ist nicht nur der kleine Felix, sondern der gesamte Film. Regisseur und Drehbuchautor Dany Levy hatte nach eigener Aussage eine ‚Screwball-Komödie on the road’ mit einer Chaosfamilie à la „Little Miss Sunshine“ im Sinn, doch alle Angehörigen des Wunderlich-Clans mit Ausnahme von Mimi sind derart ins Extrem überzeichnet, dass sie trotz des Familiennamens längst nicht mehr als verschroben-wunderlich durchgehen, sondern nur noch als notorische Nervensägen daherkommen. Levy verpasst diesen Figuren so viele Probleme, psychische Krankheiten und Macken, dass kaum noch etwas Menschliches und schon gar nichts Sympathisches mehr an sich haben. Wenn sie einzeln oder (schlimmer!) im Rudel von einem unwahrscheinlichen Unglück ins andere stürzen, ist dies zumeist gar nicht mehr witzig, sondern einfach nur irre anstrengend anzuschauen.

    Die ständig am Rande des Nervenzusammenbruchs stehende Mimi muss einem einfach leidtun, zumal sie die einzige geerdete und ansprechende Figur im Wunderlich-Familienkosmos ist. Als verantwortungsvolle und etwas schusselige Protagonistin kann Katharina Schüttler („Elser – Er hätte die Welt verändert“) dabei durchaus punkten. Das fällt ihren Kollegen deutlich schwerer, obwohl sie sich mühen, allen voran Burgtheaterschauspieler Peter Simonischek („Hierankl“), der in Maren Ades „Toni Erdmann“ gerade eine komödiantische Glanzleistung vorgelegt hat. Auch in Levys Film spielt er den Vater der Protagonistin, der seiner Tochter mit seinen seltsamen Aktionen ein ums andere Mal die Schamröte ins Gesicht treibt. Nur fehlt es diesem Walter an emotionaler Tiefe und Glaubwürdigkeit – seine einzigen bemerkenswerten Eigenschaften sind die Spielsucht und eine bipolare Störung, so steigt er etwa einmal ohne ersichtlichen Grund in Johnnys uraltes Wohnmobil und fährt (natürlich ohne Führerschein) los.

    Hannelore Elsner („Die Unberührbare“) ist immerhin der Spaß an ihrer Rolle des ewig deprimierten Ex-Schlagerstars anzumerken, obwohl auch diese Figur letztlich einfach zu exzentrisch und nicht geerdet genug angelegt ist. Martin Feifel („Rockabilly Requiem“) hat dagegen nicht die geringste Chance, als Mimis Ex-Mann Johnny kommt er nicht über das  dauernd zugedröhnte Abziehbild eines abgehalfterten Rockstars hinaus. Bei der Einführung einzelner Figuren geht es noch halbwegs amüsant zu, doch wenn mehrere der Überkandidelten zusammentreffen dann wird es immer überdrehter und die meisten Gags versanden in ihrer Vorhersehbarkeit. Der Familientrip von Mannheim nach Zürich wird für die Wunderlichs zur Zerreiß- und für den Zuschauer zur Geduldsprobe.

    Innerhalb des Films wirkt die grelle Welt der ‚Second Chance’-Castingshow angesichts des Verhaltens der schrillen Wunderlichs kaum noch ungewöhnlich. Der Punkt wird von Levy allerdings kaum aufgegriffen, der verändert lieber willkürlich mittendrin die Spielregeln des TV-Wettkampfs und geht als Erzähler damit fast schon zynisch und ähnlich robust vor wie die Strategen des Reality-Fernsehens, die hier doch dem Augenschein nach kritisch betrachtet werden sollen. Auf dem schmalen Grat zwischen der Ausbeutung von Vorurteilen und dem Entlarven von Klischees bewegt sich Dani Levy in „Die Welt der Wunderlichs“ keineswegs immer trittsicher und trifft nur selten die richtigen Töne.

    Fazit: Dani Levys „Die Welt der Wunderlichs“ ist der extrem angestrengte und fast komplett missglückte Versuch der Kombination einer Familienkomödie mit einer Castingshow-Satire.

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