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    Ploey - Du fliegst niemals allein
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Ploey - Du fliegst niemals allein
    Von Antje Wessels

    Es passiert gar nicht so selten, dass zur selben Zeit zwei Filme entstehen, die auf derselben Idee basieren. Der Klassiker ist natürlich das Asteroiden-Doppel „Armageddon“ und „Deep Impact“. Mit „Freundschaft Plus“ und „Freunde mit gewissen Vorzügen“ sind auch zwei Komödien über beste Freunde, die ohne Beziehung miteinander Sex haben wollen, sich dann aber doch ineinander verlieben, fast gleichzeitig erschienen. Der Animationsfilm „Ploey – Du fliegst niemals allein“ erinnert nun wiederum stark an den erst wenige Wochen zuvor gestarteten „Gans im Glück“. Schließlich geht es in beiden Filmen um einen Vogel, der nicht mit den anderen im Winter in Richtung Süden fliegen kann und deshalb allein zurückbleibt, so aber auch neue Freunde findet. Dabei ist „Ploey“ leider nicht nur terminlich ein Nachzügler – auch sonst kann die isländisch-belgische Koproduktion dem überlegenden „Gans im Glück“ einfach nicht das Wasser reichen. Das liegt neben Schwächen bei der Animation und der Erzählung auch an einer fragwürdigen Moral.

    Als sein Vater hinterrücks von einem Falken ermordet wird, bricht für den kleinen Goldregenpfeifer Ploey eine Welt zusammen. Als seine Mutter ihn dann auch noch durch unglückliche Umstände für tot hält und ohne ihn in Richtung Süden aufbricht, ist das Vogelküken endgültig komplett auf sich allein gestellt. Weil er vor dem Fliegen Angst hat, tritt Ploey die Reise in die Sonne einfach zu Fuß an und begegnet auf dem beschwerlichen Weg dorthin vielen anderen Tieren: Ein Schneehuhn wird zu seinem treuen Begleiter, eine Mäuseschar steht ihm in einer brenzligen Situation zur Seite und immer wieder macht der Falke Jagd auf ihn, der sich von den Goldregenpfeifern in seiner Ruhe gestört fühlt. Ob es Ploey gelingt, seine Mutter rechtzeitig zu finden und vielleicht sogar bei der von ihm angehimmelten Ploeveria zu landen?

    Auch wenn sich „Ploey“ und „Gans im Glück“ in ihrer Prämisse sehr ähnlich sind, wäre dieser Umstand allein noch kein großer Makel. Schließlich ähneln sich viele Kinder- und Familienfilme in ihrem Plot, ihrem Aufbau und ihrer so transportierte Botschaft. Im Falle von „Ploey“ ist das mit der Botschaft allerdings so eine Sache: Drehbuchautor Friðrik Erlingsson („Thor – Ein hammermäßiges Abenteuer“) lässt seine Figuren mehrfach aussprechen, dass man „lieber als Held sterben, denn als Feigling leben“ solle. In einer simplen Kindergeschichte irritiert ein solcher Ausspruch doch sehr. Protagonist Ploey soll so nämlich dazu gebracht werden, sich freiwillig als Köder für den Falken anzubieten und sich notfalls sogar lieber fressen zu lassen, anstatt bei seiner Familie Schutz zu suchen.

    Womit man auch schon bei der Figurenzeichnung wäre. Das Horrorfilm-Genre hat vor langer Zeit den Hai als eine der gefährlichsten Bestien des Planeten gebrandmarkt. Ebenso haben Wölfe durch Film und Literatur einen unverdienten negativen Ruf bekommen. In „Ploey“ ist es nun der Falke, der regelrecht zum blutrünstigen Untier hochgejazzt wird. Da sich die Macher ansonsten Mühe geben, die verschiedenen Eigenheiten einzelner Vogelarten recht charmant hervorzuheben, verwundert die allzu einseitige Betrachtung des eigentlich harmlosen Vogels. Neben dem Schneehuhn als Überlebenskünstler, dem klugen Goldregenpfeifer und der naiven Schwalbe wirkt der Falke wie eine fiese Karikatur. Das passt so gar nicht zum Rest des Vogelarsenals, weshalb es nicht verwunderlich wäre, sollte ein Kind nach dem Film felsenfest davon überzeugt sein, ein Falke sei die bösartigste Kreatur auf diesem Planeten.

    Abseits davon geht Regisseur Árni Ásgeirsson („Brim“) erzählerisch einfache Wege. Die gleichnamige Hauptfigur beginnt im Laufe der flott erzählten 83 Minuten langsam an sich zu glauben und über sich hinauszuwachsen. Zwischendurch ist immer wieder Zeit für einige ruhige Momente, etwa wenn das Schneehuhn seinem neuen Freund erzählt, seine Familie ebenfalls durch einen Falken verloren zu haben (die schönste Szene im Film). Platz für Slapstick bleibt auch, für den in erster Linie die Mäuse als lustige Szenendiebe zuständig sind. Und das Happy End, bei dem sich die verlorenen Familienmitglieder endlich wieder in die Arme schließen können, ist ebenfalls vorprogrammiert. Technisch kann „Ploey“ indes selbst mit vielen Videoproduktionen nicht mithalten. Die detailarmen Hintergründe und die grobmotorischen Bewegungen der Figuren wirken wie aus einer Fernsehserie auf dem Stand von vor zehn Jahren, was vor allem auf der großen Leinwand sehr negativ auffällt.

    Fazit: „Ploey – Du fliegst niemals allein“ folgt über weite Strecken den Erzählkonventionen typischer Mutmach-Kinderfilme, kommt sich dabei aber mit einer merkwürdigen Botschaft selbst ins Gehege. Zudem wirkt er auch schon rein animationstechnisch hoffnungslos veraltet.

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