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    Mackie Messer - Brechts Dreigroschenfilm
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Mackie Messer - Brechts Dreigroschenfilm
    Von Andreas Staben

    „Die Dreigroschenoper“ ist ein echter Welthit. Das Theaterstück von Bertolt Brecht mit der Musik von Kurt Weill war schon im Jahr nach der Berliner Uraufführung 1928 in mehr als 200 verschiedenen Inszenierungen zu sehen und avancierte nach dem Zweiten Weltkrieg zum erfolgreichsten deutschen Bühnenstück des 20. Jahrhunderts. Einige von Weills Liedern, allen voran selbstverständlich „Die Moritat von Mackie Messer“, haben sich als unsterbliche Evergreens erwiesen, während die berühmtesten Zeilen von Brechts Text in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen sind: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral!“ Zur langen Aufführungsgeschichte des Stückes gehören auch mehrere Verfilmungen, unter anderem von Georg Wilhelm Pabst (1931) und von Wolfgang Staudte (1962) mit Curd Jürgens. Nun fügt Regisseur Joachim A. Lang der Reihe noch eine weitere Kinoversion des Stoffes hinzu – aber das ist nur ein Teil von „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“.

    Lang widmet sich nämlich nicht in erster Linie der allseits bekannten Version der „Dreigroschenoper“, für die sich Brecht und Weill mit Hilfe ihrer gern vergessenen Übersetzerin Elisabeth Hauptmann an den Texten der 1728 uraufgeführten „Beggar’s Opera“ von John Gay orientierten. Stattdessen erzählt er auch und vor allem von dem Film, den Bertolt Brecht selber einst aus seinem Stück machen wollte. Wie der Dichter seine radikal veränderte Vision den Produzenten des dann schließlich von Pabst realisierten Kinofilms schmackhaft machen wollte, das wird hier manchmal sehr aufschlussreich und manchmal eher banal verschränkt mit Langs eigener Inszenierung von Sequenzen des unverwirklicht gebliebenen „Dreigroschenfilms“ anhand der von Brecht hinterlassenen Aufzeichnungen. Die Mischung aus historischem Hinter-den-Kulissen-Drama mit einem Showdown vor Gericht und den mit ein paar arg naheliegenden Aktualitätsbezügen aufgepeppten „Dreigroschen“-Nummern bleibt trotz der schmissigen Musik und engagierter Schauspieler über weite Strecken steril.

    31. August 1928. Im Theater am Schiffbauerdamm in Berlin laufen die letzten Proben zu „Die Dreigroschenoper“. Am Abend soll das Stück mit Musik von Bertolt Brecht (Lars Eidinger) und Kurt Weill (Robert Stadlober) uraufgeführt werden, aber es gibt Spannungen im Ensemble und mit der Theaterleitung. Alles deutet auf einen Flop hin, aber das Premierenpublikum begeistert sich wider Erwarten für die in London angesiedelte Geschichte um den Gangster Macheath (Tobias Moretti). Der Erfolg ist überwältigend und nachhaltig. Einige Monate später schließen Brecht und Weill einen Vertrag mit dem Filmproduzenten Seymour Nebenzahl (Godehard Giese), der „Die Dreigroschenoper“ ins Kino bringen will. Brecht soll das Drehbuch beisteuern und Weill die Musik, aber es zeigt sich bald, dass die Vorstellungen des Dichters und der Produzenten meilenweit auseinanderliegen. Es kommt zum Streit um die Rechte, der schließlich vor Gericht ausgefochten wird…

    Regisseur Joachim A. Lang ist ein ausgewiesener Brecht-Experte, der den Dichter bereits in der TV-Doku „Brecht – Die Kunst zu leben“ porträtiert hat. Hier inszeniert er nun seinen ersten großen Kinofilm und entsprechend große Ambitionen sind den ganzen Film hindurch zu spüren. Er orientiert sich an Brechts epischem Theater, lässt Schauspieler immer wieder die vierte Wand durchbrechen, macht das Künstliche sichtbar und unterläuft die Illusion der Fiktion. Das hat aber nicht nur ganz zwangsläufig etwas Gewolltes, da es ja explizit auf die Inszenierung verweist, sondern ist meist auch allzu offensichtlich. Wenn am Ende die „Dreigroschen“-Gangster als Banker den Weg in die Legalität finden und natürlich trotzdem Verbrecher bleiben, unterstreicht Lang die überdeutliche Parallele zu den Finanzskandalen unserer Gegenwart noch zusätzlich, indem er plötzlich moderne Wall-Street-Glastürme aus der historischen Kulisse ragen lässt.

    Ähnlich schwerfällig handhabt der Regisseur auch die Erzählstruktur mit ihren ineinanderfließenden Ebenen. Da prallt dann adrettes Ausstattungskino (in der 20er-Jahre-Berlin-Realität) auf brav verfremdetes Bühnen-London, was etwa anhand der kurzfristigen Installation eines zweiten Mondes in einer romantischen Szene auch pflichtschuldig durchdiskutiert wird, um den Konflikt zwischen dem revolutionären Künstler Brecht und den durch den Filmproduzenten verkörperten Handlangern der Massenverdummung zu illustrieren. Das ist oft durchaus amüsant, aber eben auch nicht besonders erhellend.

    Am Anfang von „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“ gibt es eine Einblendung mit dem Hinweis, dass alles, was Lars Eidinger als Brecht im Film sagt, auf gesicherten Zitaten aus dessen Leben und Werk beruht. Das passt zu dem (zu) durchdachten Konzept des Films: Für ausgewiesene Kenner des brechtschen Schaffens ergeben sich so manch reizvolle Querverweise, aber der Protagonist wird dabei auch zu einer Art selbstverliebter Bonmot-Maschine, die bei jeder Gelegenheit druckreife Reden schwingt. Der Brecht des Films macht nicht nur aus dem Gerichtssaal eine Bühne, sondern auch aus der Kneipe oder der Küche. Der sonst durchaus zum Extrovertierten neigende Eidinger („Die Blumen von gestern“) hält sich hier zurück, scheint die Menschlichkeit seiner Figur aber vergeblich zu suchen. Für einen echten Verfremdungseffekt wiederum reicht dieses Porträt in Aphorismen auch nicht aus, dafür werden die Sentenzen zu selten in ähnlich treffende Bilder oder Szenen übersetzt.

    Brecht ist der Star, schon sein kongenialer musikalischer Partner fungiert hier nur als gelegentlicher Stichwortgeber. Während Robert Stadlober („Crazy“) als Weill nur Sätze aufsagt, spielt sich das wahre Drama nicht etwa hinter den aufwändig-künstlichen Kulissen des Films im Film ab, sondern mitten in diesem. Das ist zum einen der „Dreigroschenopern“-Musik zu verdanken, die in der Interpretation des SWR-Orchesters unter der Leitung von HK Gruber nichts von ihrer verführerisch-widerborstigen Modernität verliert und die singenden Schauspieler um den herausragenden Tobias Moretti („Das finstere Tal“) immer wieder zu echtem Gefühlstheater inspiriert. Moretti, Christian Redl („Krabat“) als Macheath‘ Polizistenfreund Tiger Brown oder die stimmlich limitierte, dafür umso ausdrucksstärkere Hannah Herzsprung („Weissensee“) als Polly bringen dabei auch den zutiefst menschlichen Kern von Brechts Worten zur Geltung – und erinnern uns daran, dass „Die Dreigroschenoper“ ein einzigartiges Meisterwerk ist.

    Fazit: Regisseur Joachim A. Lang versucht sich hier gewissermaßen an mehreren Filmen auf einmal. Während ihm das zeitgeschichtliche Künstlerdrama nur in Ansätzen gelingt, machen die singenden Schauspieler seine recht bieder inszenierte Neuinterpretation der „Dreigroschenoper“ zumindest szenenweise zu mitreißendem Musiktheater.

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