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    Jean Seberg - Against All Enemies
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Jean Seberg - Against All Enemies

    Ein Hollywood-Star im Visier des FBI

    Von Björn Becher

    Die weltweit gefeierte Schauspielerin Jean Seberg war 40 Jahre alt, als sie am 30. August 1979 (so zumindest das offizielle Todesdatum, sie wurde erst zehn Tage nach ihrem Verschwinden in ihrem Auto gefunden) starb. Offiziell war es ein Suizid, aber einer mit „ungeklärten Fragen“. Auf den Tag genau 40 Jahre später feiert das Biopic „Jean Seberg – Against All Enemies“ von Benedict Andrews („Una“) nun seine Premiere im Wettbewerb der Filmfestspiele von Venedig. Der Regisseur und sein Autorenduo Joe Shrapnel und Anna Waterhouse („Niemandsland - The Aftermath“) illustrieren darin, wie der gnadenlose Überwachungsapparat der Bundesbehörde FBI unter Führung von J. Edgar Hoover die politisch aktive Schauspielerin in die Depression treibt. In einzelnen Szenen ist das auch eindringlich, vor allem dank der starken Hauptdarstellerin Kristen Stewart. Aber darüber hinaus gelingt es den Machern nicht, eine tatsächlich interessante oder erhellende Geschichte zu erzählen.

    Im Jahr 1957 gibt Jean Seberg (Kristen Stewart) ihr Hollywood-Debüt. Doch die Arbeit mit dem gnadenlosen Hollywood-Regisseur Otto Preminger hinterlässt bei ihr nicht nur körperliche, sondern auch seelische Narben. Ihr Glück findet sie erst in Frankreich, wo sie sich als Schauspielerin etwa in „Außer Atem“ neu erfindet. Die eigentliche Handlung von „Jean Seberg – Against All Enemies“ setzt aber erst im Mai 1968 ein: Jean soll in Hollywood für die Hauptrolle im Western-Musical „Westwärts zieht der Wind“ vorsprechen. Aber schon bei ihrer Ankunft wird sie auf den Black-Power-Aktivisten Hakim Jamal (Anthony Mackie) aufmerksam – und im selben Moment das FBI auf sie. Der junge Agent Jack Solomon (Jack O’Connell) bekommt gemeinsam mit seinem erfahrenen Partner Carl Kowalski (Vince Vaughn) die Aufgabe, die Schauspielerin zu überwachen. Als das FBI so eine Tonbandaufnahme von Seberg und Jamal beim Sex erlangt, startet die Behörde eine beispiellose Schmutzkampagne, die alle Bereiche des Lebens der Schauspielerin zu zerstören droht …

    Kristen Stewart als Jean Seberg.

    Das Leben und Leiden von Jean Seberg bietet nun wirklich mehr als genug Stvomoff für ein Drama. Dem Regisseur Mark Rapaport gelang es sogar, mit seinem Essayfilm „Aus den Tagebüchern von Jean Seberg“ zu fesseln, obwohl dieser zu großen Teilen nur daraus besteht, dass Mary Beth Hurt in der Rolle einer älteren Jean Seberg deren fiktive Tagebücher vorliest. Benedict Andrews schafft es hingegen kaum einmal, dem Innenleben seiner Protagonistin derart nahezukommen. Obwohl Kamerafrau Rachel Morrison („Black Panther“) das – im Verlauf der Geschichte zunehmend von Paranoia und ihren Folgen gezeichnete –Gesicht von Kristen Stewart immer wieder kraftvoll einfängt, vertraut Andrews zu selten auf die Macht solche Bilder und des emotionale Spiels seiner Hauptdarstellerin. Stattdessen gibt es immer wieder reine Erklär-Szenen, die den Zuschauer an die Hand nehmen sollen, aber genau das Gegenteil erreichen – sie bremsen die Geschichte aus und rauben ihr ihre Emotionalität.

    Zudem sind einige der (fiktiven) Nebenfiguren offensichtlich nur dazu da, um einige Punkte noch deutlicher herauszustellen – aber das auf eine unglaublich platte Art: So steht dem junge FBI-Agenten Jack Solomon, dessen Frau (Margaret Qualley) Ärztin werden will und deshalb nicht immer Zeit zum Kochen hat, mit Kowalski ein offen rassistischer Partner zur Seite, der seine Tochter und seine Frau sogar vor Gästen zusammenfaltet, wenn sie nicht augenblicklich spuren, sobald er ihnen eine Anweisung erteilt. In diesem Umfeld entwickeln Jack – wie einst auch schon der Stasi-Abhörspezialist Gerd Wiesler in „Das Leben der Anderen“ – langsam ein Verantwortungsgefühl für seine Zielperson. Aber das funktioniert schon deshalb nicht, weil die Funktion jeder Figur sofort durchschaut ist und dann auch nicht mehr viel mehr kommt – was besonders bei der zuletzt in Quentin Tarantinos „Once Upon A Time… In Hollywood“ noch so herausragenden Qualley eine echte Schande ist. Zudem mündet das in einem (fiktiven) Quasi-Happy-End, das einfach nur wie ein Klischee und zudem völlig unangemessen wirkt.

    Überdramatisiert statt interessant

    Kaum besser als Qualley ergeht es Zazie Beetz („Deadpool 2“), die als betrogene Gattin von Hakim Jamal aber immerhin ein paar Mal anständig ausrasten darf. Das Schablonenhafte dieser Nebenfiguren ist auch deshalb so ärgerlich, weil sie trotzdem sehr viel Leinwandzeit einnehmen. Dabei ist der Film doch immer dann klar am stärksten, wenn die Kamera ganz nah dran ist an Seberg, wenn er zeigt, wie ihr Leben durch die ständige Überwachung und ihre daraus resultierende Paranoia (sie zerlegt die ganze Wohnung, während selbst ihr Ehemann ihr natürlich kein Wort glaubt) nach und nach vollständig zerstört wird. Aber statt an dieser Stelle weiter zu bohren, setzt Andrews dann doch lieber auf überdramatisierte und deshalb wirkungslos verpuffende Spannungs-Momente. Als Jack Wanzen in Jeans Appartement versteckt, kehrt sie unerwartet zurück, woraufhin er sich im Bad versteckt. Natürlich möchte sie in diesem Moment eine Dusche nehmen und natürlich hält sie etwas in letzter Sekunde zurück, als sie den Vorhang wegziehen will. Das nächste und längst nicht das letzte Klischee.

    Fazit: Die unbedingt verfilmenswerte Geschichte der Schauspielerin Jean Seberg entfaltet in „Jean Seberg – Against All Enemies“ trotz einer überzeugenden Kristen Stewart kaum einmal eine emotionale Wirkung. Eine fahrlässig vertane Chance.

    Wir haben „Jean Seberg – Against All Enemies“ bei den Filmfestspielen in Venedig gesehen, wo er außer Konkurrenz gezeigt wurde.

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