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    Blue Beetle
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Blue Beetle

    Der Iron Man von DC

    Von Julius Vietzen

    Viel wurde in letzter Zeit über Superheld*innen-Müdigkeit beim Publikum diskutiert – und selbst wenn gewisse Comic-Blockbuster wie zuletzt etwa „Black Panther: Wakanda Forever“ oder „Guardians Of The Galaxy Vol. 3“ immer noch zu massiven Hits werden, lässt sich zumindest eine gesteigerte Anspruchshaltung seitens des Publikums nicht von der Hand weisen: Mit generischen Marvel- oder DC-Geschichten von der Stange lockt man inzwischen – anders als noch vor ein paar Jahren – eben nicht mehr ganz automatisch Heerscharen an Zuschauer*innen in die Kinos.

    Gerade am animierten Megahit „Spider-Man: Across The Spider-Verse“ zeigt sich aber auch, dass sich Qualität und Innovation weiterhin auszahlen können. Auch „Blue Beetle“ bricht aus dem üblichen Comic-Korsett aus – zumindest teilweise: Der DC-Blockbuster von Regisseur Angel Manuel Soto braucht zwar einigen Anlauf, orientiert sich dann teilweise arg deutlich an „Iron Man“ und mündet schließlich in ein generisches Krachbumm-Finale – und trotzdem begeistert er im Mittelteil mit neuen Ideen, rasanter Action und einer erfrischend offen zur Schau gestellten Emotionalität.

    Jaime Reyes (Xolo Maridueña) kommt in den Besitz des Blue Beetle.

    Schon seit vielen Jahren suchen die Unternehmerin Victoria Kord (Susan Sarandon) und ihr Handlanger Conrad Carapax (Raoul Max Trujillo) nach einem geheimnisvollen blauen Skarabäus, den die skrupellose Chefin des Konzerns Kord Industries benötigt, um ihre geplanten Hightech-Kampfanzüge fertigzustellen (und dann mit einem fetten Profit zu verkaufen). Als sie den blauen Käfer endlich in die Finger bekommt, werden Victorias Pläne jedoch jäh von ihrer idealistischen Nichte Jennifer Kord (Bruna Marquezine) durchkreuzt:

    Die klaut den Blue Beetle nämlich und gibt ihn an Jaime Reyes (Xolo Maridueña) weiter. Der junge Mann hat gerade frisch seinen College-Abschluss in der Tasche und ist in seine Heimatstadt Palmera City zurückgekehrt, um mit einem neuen Job dazu beizutragen, dass seine Familie nicht ihr Haus im armen Stadtteil Edge Keys verliert. Doch als ihn der Käfer vollkommen unvorbereitet in eine futuristische Rüstung hüllt, hat Jaime plötzlich ganz andere Probleme. Schließlich würden Victoria Kord und Carapax vor nichts zurückschrecken, um doch noch an das Artefakt zu kommen...

    Holpriger Anfang

    Angel Manuel Soto („Charm City Kings“) hat sich gleich für den Beginn seines ersten großen Hollywoodfilms eine Menge vorgenommen: Schon in den ersten Minuten will er die Motivation der Bösewichte etablieren, Jaime Reyes und seine Familie vorstellen sowie zugleich auch noch etwas über die Kultur und Lebensrealität der in den USA lebenden Menschen mit lateinamerikanischen Wurzeln erzählen. Dabei weiß sich der Regisseur gerade im ersten Drittel häufig nur mit hingeworfener, klischeehafter Exposition zu helfen: So erzählt Victoria Kord ihrem Handlanger etwa lang und breit, dass sie ihn ja damals gerettet habe und dass er ihr deswegen bitte weiterhin gehorchen solle – wobei die Figuren das natürlich längst wissen, die Info-Schnipsel also offensichtlich allein fürs Publikum gedacht sind.

    Wenn Jaime und sein Vater Alberto (Damián Alcázar) dann abends bei einem Drink zusammensitzen, hat der Papa für seinen Sohn einige Plattitüden über die Bedeutung von Familie parat, die genauso gut auch aus einem der „Fast & Furious“-Filme stammen könnten. Am besten gelingt in diesem ersten Teil des Films noch, die Unterschiede zwischen dem futuristischen Konzernparadies Palmera City sowie dem verarmten Vorort Edge Keys (und damit zugleich zwischen weißen und nicht-weißen Figuren) zu etablieren. Ähnlich wie Ryan Coogler bei „Black Panther“ rücken Soto und sein Team diesen politischen Aspekt von „Blue Beetle“ sehr deutlich in den Vordergrund.

    Jaimes Familie mischt in „Blue Beetle“ kräftig mit – auch in den Actionszenen!

    Der politische Subtext sorgt zumindest für ein wenig frischen Wind im Superheld*innen-Gerne – doch bis „Blue Beetle“ auch als Action-Blockbuster überzeugen kann, dauert es noch eine ganze Weile: Die erste Verwandlung von Jaime in den blaugepanzerten Titelhelden ist zwar eine amüsante Mischung aus Body Horror und Comedy, wenn sich der Skarabäus an Jaimes Rückgrat festsetzt und ihm langsam die Kleidung vom Körper brennt, während die anwesende Familie Reyes darüber verständlicherweise komplett in Panik gerät.

    Der anschließende erste Testflug einmal in den Orbit und quer durch die Innenstadt von Palmera City ist dann allerdings schon wieder zu lang und repetitiv geraten: Jaime hat keinerlei Kontrolle, während die Anzug-KI (Stimme im Original: Becky G) die verschiedenen Systeme testet und Jaime dabei mal gegen einen Brückenpfeiler und mal gegen ein Hochhaus prallen lässt. Kein Vergleich zu Tony Starks ersten Flugversuchen (und Bruchlandungen) in „Iron Man“, der hier (und auch später immer wieder) als offensichtliches Vorbild dient.

    Die Oma mit der Minigun

    Sobald im Mittelteil die einzelnen Elemente von „Blue Beetle“ besser ineinandergreifen, kommt der Film jedoch so richtig in Schwung: Wenn Jaime seine Familie und sein Zuhause gegen eine Truppe von Kord-Soldaten verteidigt, darf der für die Action zuständige Stunt-Profi und Second-Unit-Regisseur J.J. Perry zeigen, warum er in Hollywood als einer der besten seiner Zunft gilt (und nach gefeierten Leistungen etwa in „John Wick 2“ oder „Fast & Furious 8“ mit „Day Shift“ auch schon als hauptverantwortlicher Regisseur einen Vampir-Actioner für Netflix drehen durfte). Und weil einem die Familie Reyes trotz des holprigen ersten Drittels tatsächlich ans Herz gewachsen ist, fiebert man hier dann auch richtig mit.

    Das ist jedoch nur der Auftakt zu dem mit Abstand besten Abschnitt von „Blue Beetle“: Weil die Familie Reyes um Jaimes Superheldenidentität weiß, mischt sie kräftig beim Kampf gegen Victoria Kord mit – und so schnappen sich Mutter Rocio (Elpidia Carrillo) sowie der Rest der Sippe kurzerhand das mit allerlei Gimmicks ausgestattete Käfermobil von Jaimes Blue-Beetle-Vorgänger Ted Kord sowie weitere Hightech-Ausrüstung aus dessen Käferhöhle. Und wenn dann schließlich die Großmutter mit einer Minigun reihenweise böse Schergen niedermäht oder das Käfermobil die Soldaten in den Boden stampft, während auf der Tonspur „Kickstart My Heart“ von Mötley Crüe dröhnt, dann macht das einfach wahnsinnig Laune! Mal ganz davon abgesehen, dass man das so noch in den wenigstens Marvel- oder DC-Blockbustern gesehen hat...

    Der Blue-Beetle-Anzug kann alle möglichen Waffen wie aus dem Nichts erschaffen.

    Auch das schon beschriebene, etwas ungelenke Vater-Sohn-Gespräch zwischen Jaime und Alberto wird im Mittelteil noch einmal aufgegriffen – und dort unverhofft zu einem echten Gänsehautmoment: „Blue Beetle“ scheut sich – zum Glück! – nicht vor den ganz großen Gefühlen und einigen echten Tränenzieher-Momenten. Mehr wollen wir an dieser Stelle dazu aber nicht verraten.

    Allerdings gelingt es nicht, diese Qualitäten von „Blue Beetle“ auch bis über die Ziellinie zu retten: Obwohl im finalen Kampf immerhin noch einige überraschende Einflüsse aus Animes und JRPGs zu entdecken sind, gerät dieser letztendlich doch zu einem stumpfen Schlagabtausch zwischen Blue Beetle und seinem bösen, körperlich überlegenen Doppelgänger, wie man ihn (u.a. eben in „Iron Man“) schon unzählige Male im Superheldenkino gesehen hat. Und auch sonst verläuft im Finale alles in erwartbaren Bahnen – inklusive einer unnötigen Liebesgeschichte zwischen Jaime und Jenny Kord.

    Fazit: „Blue Beetle“ ist immer dann am besten, wenn der Film von der generischen Superhelden-Formel abweicht – leider geschieht das aber nur im starken Mittelteil des Films über eine längere Strecke hinweg.

     

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