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    The Marvels
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    The Marvels

    Ein starkes Superheldinnen-Trio – und viel generischer MCU-Krams drumherum

    Von Christoph Petersen

    Nur wenige Tage vor dem Kinostart von „The Marvels“ enthüllte Marvel sein neues Spotlight-Banner, unter dem in Zukunft Serien veröffentlicht werden sollen, die zwar im selben Universum wie die übrigen Marvel-Inhalte spielen, aber trotzdem so wenig mit dem MCU-Kanon zu tun haben, dass man sie auch ohne Vorwissen als komplett eigenständige Geschichten konsumieren kann (den Anfang macht „Echo“). Brad Winderbaum, beim Studio hauptverantwortlich für Streaming, Fernsehen und Animation, sagte dazu auf www.marvel.com: „Marvel Spotlights ermöglicht es uns, bodenständigere, mehr charakterfokussierte Geschichten auf die Bildschirme zu bringen.“ Das ergibt aus geschäftlicher wie kreativer Perspektive sicherlich total Sinn, zugleich fragt man sich aber, ob diese Qualitäten nicht auch dem einen oder anderen großen MCU-Blockbuster ganz guttun würden.

    Regisseurin Nia DaCosta („Candyman“) stand für „The Marvels“ ein kolportiertes Budget zwischen 220 und 275 Millionen Dollar zur Verfügung – und man wird das Gefühl nicht los, dass eine Halbierung der Kosten es nicht nur leichter gemacht hätte, am Ende schwarze Zahlen zu schreiben, sondern vermutlich auch noch ein besserer Film dabei herausgekommen wäre: Denn während man von den (wohl nicht ganz so teuren) Charaktermomenten zwischen den Mitgliedern des titelgebenden Superheldinnen-Trios gerne mehr sehen würde, hätte man auf die eine oder andere generische (und sicherlich arschteure) Weltraumschlacht gerne verzichtet. Trotzdem macht „The Marvels“ noch immer genügend Laune für einen kurzweiligen Kinoabend – und das liegt neben einer Armee von Katzenbabys vor allem an „Ms. Marvel“-Shooting-Star Iman Vellani.

    Die Marvels (von links): Ms. Marvel (Iman Vellani), Captain Marvel (Brie Larson) und Monica Rambeau (Teyonah Parris).

    Als die Kree-Anführerin Dar-Benn (Zawe Ashton) ein altes mystisches Artefakt ausbuddelt, verleiht ihr dieses nicht nur ungeahnte Kräfte, es hat auch eine ungeplante Nebenwirkung: Plötzlich sind die Kräfte von Carol Danvers alias Captain Marvel (Brie Larson), Kamala Khan alias Ms. Marvel (Iman Vellani) und der S.A.B.E.R.-Astronautin Monica Rambeau (Teyonah Parris) miteinander verwoben. Die Folge: Sobald die Superheldinnen ihre Kräfte einsetzen, tauschen sie miteinander die Plätze – und zwar ganz egal, wo im Universum sie sich gerade aufhalten. Da findet sich die Teenagerin Kamala Khan plötzlich in einem Raumschiff in einer fremden Galaxie wieder – während Captain Marvel im Wohnzimmer einer ihr fremden Familie auftaucht.

    Nach dem anfänglichen Chaos muss sich das Trio allerdings schnell am Riemen reißen, denn offenbar wollen Dar-Benn und ihre Armee gleich mehrere Planeten angreifen (und zerstören). Dabei geht es vor allem um existenzielle Ressourcen wie Luft, Wasser oder Sonnenenergie, um den kaum noch bewohnbaren Kree-Heimatplaneten Hala wieder auf Vordermann zu bringen. Zugleich hat Dar-Benn aber sicherlich nicht ganz zufällig ausschließlich Planeten als Ziel gewählt, zu denen auch Carol Denvers eine persönliche Verbindung hat. Neben der Sicherung des eigenen Überlebens scheint für die Kree also auch Rache an Captain Marvel ein zentrales Motiv zu sein…

    Iman Vellani macht richtig Bock auf Marvel

    Es ist offensichtlich, dass sich inzwischen selbst unter vielen MCU-Fans eine gewisse Marvel-Müdigkeit breit macht: Während die meisten zumindest bis „Avengers 4“ aus Prinzip einfach alles geschaut haben, wählen inzwischen immer mehr bewusst aus, welche der vielen Filme und Serien sie tatsächlich sehen wollen. Aber wenn wir gleich zu Beginn von „The Marvels“ Kamala Khan in ihrem mit selbstgemalten Captain-Marvel-Bildern vollgehängten Teenager-Zimmer erleben, dann ist sie da plötzlich wieder, diese unbedingte Begeisterung für das Sujet, wie sie in den vergangenen Jahren ein Stück weit verloren gegangen ist: Ein Superheld*innen-Superfan als Protagonistin in einem Comic-Blockbuster? Das schreit doch geradezu nach supernervigem Meta-Schmarrn… aber Pustekuchen: Iman Vellani ist das laut schlagende Herz des Films – und ihre scheinbar endlose Fangirl-Begeisterung für Captain Marvel, Nick Fury & Co. ist einfach nur gnadenlos ansteckend!

    Damit zieht das jüngste Mitglied der Marvels auch ihre Co-Held*innen mit: Brie Larson („Raum“), mit der viele bislang im MCU nicht richtig warm geworden sind, blüht gerade im Zusammenspiel mit dem 21-jährigen Shooting-Star richtiggehend auf. Teyonah Parris muss sich unterdessen als aus „WandaVision“ bekannte Monica Rambeau zwar mit einem müden Running Gag über die Findung eines passenden Superheldinnen-Namens herumschlagen, aber auch ihre Charaktermomente mit „Tante“ Carol Denvers sind stimmig gesetzt (selbst wenn es ruhig noch ein paar mehr hätten sein dürfen). Am Trio im Zentrum des Films liegt es also nicht, dass der große Wurf diesmal ausbleibt – ganz im Gegenteil: Man wünscht sich eigentlich ständig zu den intimeren Szenen mit den dreien zurück, wenn mal wieder eine dann doch ziemlich austauschbare Weltraum-Schlacht losbricht.

    Warum sollte man sich mit einem Flerken zufriedengeben, wenn man auch dutzende Flerken-Welpen haben kann?

    Dabei geht es auch in Sachen Action vielversprechend los: Solange der ständige Positionstausch noch unkontrolliert vonstattengeht, macht das intergalaktische Chaos richtig Laune – auch weil die pakistanisch-stämmige Familie Khan die Zerstörungsorgie in ihrem Wohnzimmer so herrlich trocken kommentiert. Auch eine „Rocky“-artige Sequenz, in der das Trio trainiert, den Positionstausch nicht nur zu kontrollieren, sondern gar zu seinem Vorteil einzusetzen, lässt man sich noch gerne gefallen. Aber dann wird das ja eigentlich zentrale Gimmick von „The Marvels“ in den folgenden großen Schlacht-Sequenzen kaum noch kreativ erweitert – obwohl die Möglichkeiten, den vermeintlichen Malus clever oder lustig einzusetzen, ja nun wirklich schier endlos gewesen wären.

    Solche verpassten Gelegenheiten gibt es auch an anderen Stellen: Zawe Ashton („Die Kunst des toten Mannes“) besitzt als Antagonistin eine grandiose Präsenz – kriegt dann aber abseits des üblichen Bösewicht-Einerleis absolut nichts zu tun. Brie Larson und Samuel L. Jackson hatten in „Captain Marvel“ eine fantastische Buddy-Movie-Chemie – die aber diesmal, wo die beiden fast nur per Funk kommunizieren, ebenfalls weitestgehend verpufft. Es wird ein Planet eingeführt, auf dem alles an ein Disney-Musical erinnert – inklusive einer Sprache, in der alles nur gesungen wird. Zumindest im Kern eine grandiose Idee: Was man daraus nicht alles hätte machen können, wenn nicht fünf Minuten später schon wieder der nächste Weltraum-Überfall auf dem Plan gestanden hätte?

    1A Katzen-Content!

    Wo „The Marvels“ allerdings ohne jeden Kompromiss voll durchzieht, ist beim Katzen-Content: Goose war ja schon in „Captain Marvel“ ein zuverlässiger Szenendieb. Als Flerken sieht er zwar aus wie eine Katze, hat aber nicht nur meterlange Tentakel im Maul, sondern auch einen scheinbar endlos großen Magen, weshalb er alles und jeden verschlingen kann. Dieses Konzept wird in „The Marvels“ so süß, wie man es sich nur irgendwie vorstellen kann, auf die Spitze getrieben – und das zum denkbar passendsten Song, der dazu auch noch in der ikonischen Version von Barbra Streisand erklingt!

    Man hätte sich gewünscht, dass „The Marvels“ noch mehr Spaß mit solchen Wahnsinns-Einfällen haben würde – zumal man im Verlauf des Films immer mehr das Gefühl bekommt, dass sich sowieso niemand so recht für das Überleben der bedrohten Planetenvölker zu interessieren scheint, was den ohnehin arg generischen Actionszenen noch mehr von ihrer Wirkung raubt. Stattdessen ist „The Marvels“ einer dieser MCU-Blockbuster, bei dem sich ein Gros der anschließenden Diskussionen gar nicht so sehr um den Film selbst, als vielmehr die potenziellen Implikationen der finalen Mid/Post-Credit-Szenen drehen werden: Da werden gleich zwei Türen in neue Ecken des Comic-Universums aufgestoßen, die verdammt vielversprechend sind – so ganz ist die Lust aufs MCU eben doch nicht totzukriegen!

    Fazit: Das titelgebende Trio macht eigentlich einen super Job – vor allem Iman Vellani strahlt als Superheld*innen-Superfan eine solch ansteckend-rückhaltlose Begeisterung aus, wie man sie sonst maximal noch von Taylor-Swift-Konzerten kennt. Leider werden die drei von zu viel generischer Weltraum-Action und all dem mittlerweile im MCU angestauten Story-Ballast immer wieder unnötig ausgebremst.

     

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