Mein Konto
    Fear Of Rain
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Fear Of Rain

    Das nächste Fenster zum Hof

    Von Lutz Granert

    Die Regisseurin Castille Landon ist noch nicht einmal 30 Jahre alt und trotzdem schon verdammt gut im Geschäft: Nachdem die junge Filmemacherin 2016 mit dem Teenager-Fantasyfilm „Albion – Der verzauberte Hengst“ ihr effektreiches Debüt vorlegte, folgte nur ein Jahr später bereits das herzige Drama „Apple Of My Eye – Schutzengel brauchen keine Flügel“ um die Beziehung zwischen einer erblindeten Teenagerin und einem Zwergpferd. Aktuell arbeitet Landon mit „After Love“ und „After Forever“ zudem an gleich zwei Fortsetzungen zu den Young-Adult-Blockbustern „After Passion“ und „After Truth“ nach der Romanreihe von Anna Todd.

    In diese Filmografie passt „Fear Of Rain“, für den Landon das Drehbuch schon vor fünf Jahren unter dem ursprünglichen Titel „I Saw A Man With Yellow Eyes“ schrieb, zumindest auf den ersten Blick nicht wirklich hinein. Aber der Filmemacherin war es einfach wichtig, mit Hilfe eines Thriller-Plots von Hollywood-Format gegen die Stigmatisierung psychisch kranker Menschen anzuschreiben. Diese Gratwanderung zwischen Teenie-Psychodrama und Horror-Thriller geht trotz der starken Performance von Madison Isemann („Jumanji 2: The Next Level“) als schizophrene Teenagerin mangels erzählerischer Raffinesse allerdings nicht immer auf.

    In ihrem neuen Klassenkameraden Caleb scheint Rain endlich einen echten Freund gefunden zu haben.

    Rain (Madison Iseman) findet nach einer besonders starken Wahnvorstellungs-Attacke nur langsam wieder in den Alltag zurück. In der Schule wird die an Schizophrenie leidende Teenagerin gemieden, nur ihr neuer Klassenkamerad Caleb (Israel Broussard) hält zu ihr. Als sie eines Abends beobachtet, wie ein kleines Mädchen auf dem Dachboden ihrer Nachbarin Dani McConnell (Eugenie Bondurant) gefangen gehalten wird, will sie der Sache auf den Grund gehen. Aber ist Rain wirklich Zeugin eines Verbrechens geworden? Oder hat ihr die Krankheit nur einen weiteren Streich gespielt?

    Castille Landon verwendet erstaunlich viel Zeit darauf, den Wahn ihrer Hauptdarstellerin nicht nur zu zeigen, sondern den Zuschauer regelrecht fühlen zu lassen. Neben konventionellen Zutaten wie Stimmengemurmel auf der Tonspur, jump scares mit blutigen Duschvorhängen oder einem schwarz gekleideten Killer auf dem Friedhof heben sich die originellen visuellen Einfälle wohltuend von vergleichbaren Genre-Produktionen ab: Kameramann Joshua Reis experimentiert mutig mit dynamischen Steadicam-Fahrten, Untersichten und Weitwinkelaufnahmen in den dadurch riesig erscheinenden Innenräumen, welche mit Verzerrungen der Bildränder beim Publikum zusätzlich für Beklemmung und latente Desorientierung sorgen. Auch Point-of-View-Shots, bei denen wir unscharf durch die tränennassen Augen der gerade frisch sedierten Rain blicken, lassen durch ihre radikal subjektive Perspektive immer wieder das Ringen der Protagonistin mit ihrer Wahrnehmung spürbar werden.

    Starke Hauptdarstellerin

    Madison Iseman, die bereits in „Annabelle 3“ Erfahrungen im Horrorgenre sammeln konnte, gelingt eine beeindruckende, da emotional breit gefächerte Performance. Zwischen hyperventilierenden Panikattacken, tränenreichen Gesprächen mit ihren Eltern und zaghafter Suche nach Zuneigung verleiht sie ihrer Figur eine beeindruckendes Maß an authentisch anmutender Zerbrechlichkeit. Ihr gegenüber gelingt es Israel Broussard („Happy Deathday“) kaum, als liebenswert-zurückhaltender Technik-Nerd mit Vorliebe für Kartentricks schauspielerische Akzente zu setzen. Katherine Heigl („Grey’s Anatomy“) fehlt es hingegen schlicht an Screentime, um abseits der üblichen Fürsorgliche-Mutter-Klischees an Profil zu gewinnen.

    Der Fokus auf das Innenleben der Protagonistin, die sich immer wieder zehn Fragen stellt, um sich ihrer eigenen Wahrnehmung zu versichern, lässt den ohnehin etwas dünn gestrickten Thriller-Plot zunehmend in den Hintergrund treten. Die entfernt an den Hitchcock-Klassiker „Das Fenster zum Hof“ erinnernde Geschichte kommt nur schleppend voran, auch die Spannungskurve steigt bis zum Finale auf dem mit reichlich merkwürdigen Utensilien vollgestellten Dachboden der Lehrerin nur sporadisch an, um dann wiederholt von denselben Konflikten abgewürgt zu werden. Immer wieder steht Rain aufgrund ihrer Tabletten-Verweigerung oder neuen Drohungen ihrer zwielichtigen Lehrerin Dani, die das Nachschnüffeln unterbinden will, kurz vor der Einweisung in die Psychiatrie – was zwar den Druck auf Rain, aber nicht das Tempo des Films erhöht.

    Michelle (Katherine Heigl) gibt sich alle Mühe, ihrer Tochter eine gute Mutter zu sein.

    Auch eine (vorhersehbare) Wendung im Stile von „The Sixth Sense“ überrascht gerade bei der psychischen Konstitution der Hauptfigur wenig. Castille Landon beweist mit „Fear Of Rain“ zwar erneut, dass sie ein großes Talent dafür hat, mit einem hohen Maß an Empathie ins Innenleben jugendlicher Protagonistinnen vorzudringen. Zudem baut sie darüber hinaus mit originellen Stilmitteln eine unheilvolle (Grusel-)Atmosphäre auf. Ihrem Skript fehlt es jedoch an dramaturgischem Gespür, so dass Psycho-Drama und Psycho-Thriller hier zu selten wirklich zusammenkommen.

    Fazit: „Fear Of Rain“ funktioniert als Psycho-Drama mit Horror-Elementen durch die nahbare Performance von Madison Iseman ziemlich gut – was jedoch nur teilweise für den arg durchschaubaren Thriller-Plot entschädigt.

    » "Fear Of Rain" bei Amazon*

    *Bei dem Link zum Angebot von Amazon handelt es sich um einen sogenannten Affiliate-Link. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top