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    Stolz und Vorurteil
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Stolz und Vorurteil
    Von Carsten Baumgardt

    Jane Austens Roman-Klassiker „Stolz und Vorurteil" aus dem Jahr 1813 wurde bisher zwar mehrfach für das Fernsehen verfilmt (1938, 1952, 1967, 1980 und 1995), aber erst einmal fürs Kino adaptiert (1940). Der Stoff, dessen Essenz sich in so vielen romantischen Komödien der Neuzeit wiederfindet, ist also reif für eine neue Version. Regisseur Joe Wright hält sich in seiner Verfilmung strenger an das Original und schlägt ernstere Töne an, als die gefeierte, fünfstündige BBC-Verfilmung mit Colin Firth und Jennifer Ehle. Wrights „Stolz und Vorurteil" überzeugt durch hervorragende schauspielerische Leistungen, welche die tolle Charakterzeichnung optimal unterstützen und in Verbindung mit schönen, aber authentischen Bildern ein herrlich altmodisches Filmerlebnis gewährleisten.

    England gegen Ende des 18. Jahrhunderts: Die Familie Bennet ist hocherfreut, dass sich der reiche Junggeselle Mr. Bingley (Simon Woods) in ihrer Nachbarschaft niederlässt. Er ist im Gegensatz zu ihnen in der höheren Gesellschaft anerkannt. Durch diese Nähe erhofft vor allem Mutter Bennet (Brenda Blethyn), ihre fünf Töchter Jane (Rosamund Pike), Elizabeth (Keira Knightley), Lydia (Jena Malone), Mary (Talulah Riley) und Kitty (Carey Mulligan) verheiraten zu können. Dem gutherzigen Vater Bennet (Donald Sutherland) ist dies reichlich egal,. Hauptsache, seine Töchter sind glücklich. Auf einem Ball verliebt sich Bingley auch prompt in Jane, die älteste der Bennet-Mädchen. Elizabeth ist dagegen abgestoßen und fasziniert zugleich von Bingleys Freund, dem arrogant wirkenden Mr. Darcy (Matthew MacFadyen). Zwischen ihnen baut sich trotz aller Gegensätze sofort eine innere Spannung auf. Deshalb lässt die kluge und selbstbewusste Elizabeth auch den unbeholfenen Pfarrer Mr. Collins (Tom Hollander) abblitzen, der sie heiraten will. Sie ist allerdings außer sich vor Wut und Enttäuschung, als sie erfährt, dass Darcy mit seinem Ratschlag an seinen besten Freund Bingley dessen mögliche Ehe mit Jane verhindert. Deswegen wendet sich Elizabeth dem scheinbar edlen Mr. Wickham (Rupert Friend), einem Feind Darcys, zu...

    Regisseur Joe Wright qualifizierte sich für diese Austen-Adaption mit seiner Miniserie „Charles II: The Power And The Passion" (2003). Bei seinem 28 Millionen Dollar teuren Leinwand-Debüt legt der Brite besonderen Wert auf geschichtliche Glaubwürdigkeit und Vorlagentreue. Der Film ist mehr Liebesdrama als romantische Komödie, auch wenn Einflüsse dieses Subgenres unzweifelhaft vorhanden sind. Er besetzt die Figuren entsprechend ihres Alters in Austens Roman. Mit Keira Knightley, die zwar als neuer britischer Sweetie-Export, aber weniger als glänzende Schauspielerin aufgefallen ist, gelingt Wright ein richtiger Besetzungscoup. Sie wirkt als Bindeglied zur Popcorn-Generation von Kinogängern und wird durch ihre ausgezeichnete Leistung die Anhänger des klassischen Literaturkinos nicht nachhaltig verschrecken (höchstens auf dem Papier, Stichwort: Vorurteil). Die Figur der Elizabeth Bennet ist immer noch eine der besten Frauenrollen, die es zu ergattern gibt. Für die damalige Zeit ist sie erstaunlich kess und selbstsicher. Sie ignoriert ihren Stand weitgehend und setzt ihre Klugheit und Aufrichtigkeit ein, um in der Gesellschaft zu bestehen.

    Bei der Beurteilung der Leistung von Matthew MacFadyen werden sich die Geister scheiden. Der Engländer legt seinen Mr. Darcy zunächst sehr spröde und zurückhaltend an, was ihm einige als Schlafmützigkeit auslegen werden. Doch dies ist nur die nötige Grundlage dazu, seinen Charakter im Laufe der Handlung voll zu entfalten. Denn unter der distinguierten Arroganz steckt ein grundehrlicher, eher schüchterner Mensch, der seine Hassliebe zu Elizabeth schneller als sie selbst richtig zu deuten weiß. Es ist diese gradlinige, offene und manchmal auch versteckte Emotionalität, welche „Stolz und Vorurteil" im Besonderen auszeichnet. Die Figuren Elizabeth und Darcy bilden eines der großen Traumpaare der Geschichte. Die Chemie zwischen Knightley und MacFadyen stimmt und das Zusammenspiel wirkt glaubhaft. Das Schauspiel der beiden gipfelt in zwei großartig und herzergreifend gespielte zentrale Szenen, in denen es um den Stand ihrer Beziehung zueinander geht.

    Die Nebendarsteller sind ebenso exzellent besetzt. Dabei überrascht der Kanadier Donald Sutherland im Reigen der Briten mit einer sehr warmherzigen Vorstellung, die viel Charme verbreitet. Seinen undankbaren Gegenpart muss Brenda Blethyn verkörpern. Ihre Mrs. Bennet ist versessen darauf, ihre Töchter ohne Rücksicht auf Verluste unter die Haube zu bekommen. Sympathiewerte kann sie sich deswegen kaum erspielen. Noch finsterer ist die biestige Rolle von Judi Dench angelegt, die selbstverständlich in einem Film dieser Machart nicht fehlen darf. Ihre wenigen Szenen nutzt die große alte Dame des britischen Kinos mit Genuss für einprägsame Auftritte. Allerdings sind diese zu selten, um die obligatorische Oscarnominierung einheimsen zu können. Storybedingt steht Rosamund Pike im Schatten von Keira Knightley. Das Bond-Girl erfüllt seine Aufgabe jedoch mit Charme und ergänzt das Spiel der Hauptdarstellerin entsprechend. Auch Kelly Reilly ist in ihrer kleinen Rolle eine Erwähnung wert. Als Bingleys hochnäsige und arrogante Schwester Caroline symbolisiert sie das damalige Klassendenken der Gesellschaft.

    Neben den tollen Charakteren, die glänzend gespielt sind, ist „Stolz und Vorurteil" auch optisch eine Augenweide. Kameramann Roman Osin bannt den Stoff in wunderschöne Bilder, die mehr Authentizität ausstrahlen als beispielsweise Mira Nairs pompös photograhierte Thackeray-Verfilmung „Vanity Fair". Die Lichtsetzung des Films ist natürlich und berauschend zugleich. Es entstehen herrliche Bildkompositionen. Den Geist und die Stimmung der Epoche bündelt Regisseur Wright meist in gesellschaftlichen Ereignissen wie den beliebten Bällen, die als eine Art Heiratsmarkt fungierten.

    Ob Wrights auf 127 Minuten komprimiertes Remake „Stolz und Vorurteil" auf längere Sicht an die von den Romantik-Fans geliebte 95er-TV-Fassung herankommt, wird die Zeit zeigen. Seine Kinoversion hat sich aber allemal das Anrecht erworben, dies zu versuchen. Wer sich diesem Genre verbunden fühlt und im Kino nicht vor den ganz großen Gefühlen, die teils unterkühlt serviert werden, scheut, wird mit diesem romantischen Liebesdrama bestens bedient sein. Viel Neues bietet Wright zwar nicht, aber er deutet einige Facetten der Story anders und legt mehr Wert auf Ernsthaftigkeit als auf Humor, der in Ang Lees „Sinn und Sinnlichkeit" sicherlich feiner vertreten war.

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