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    Drei Stunden (geniale!) Folter: Einer der verstörendsten Filme der 2000er ist zurück im Heimkino
    Sidney Schering
    Sidney Schering
    -Freier Autor und Kritiker
    Er findet Streaming zwar praktisch, eine echte Sammlung kann es für ihn aber nicht ersetzen: Was im eigenen Regal steht, ist sicher vor Internet-Blackouts, auslaufenden Lizenzverträgen und nachträglichen Schnitten.

    Ein Meister des Mindscrews tobt sich aus: Der experimentelle, an die Nieren gehende und zwischendurch erstaunlich komische Thriller „Inland Empire“ ist eine dreistündige Tortur – im besten Sinne! Jetzt gibt’s den Film in einer neuen Heimkino-Edition.

    David Lynch gilt aus gutem Grund als Meister des surrealen, unbequemen Kinos. Doch während sein vorletzter Kinofilm „Mulholland Drive“ regelmäßig als Meisterwerk und einer der besten Filme dieses Jahrtausends zelebriert wird, gerät sein bisher letzter Langfilm andauernd ins Hintertreffen. Dabei ist „Inland Empire“ eine verstörende, unvergessliche Seherfahrung!

    Gewiss, mit seinen bewusst unangenehm ausgeleuchteten 180 Minuten ist der Thriller schwer zu schlucken – doch das kann nicht der einzige Grund sein! Vielleicht spielte auch die Verfügbarkeit eine Rolle: Lange gab es den Film nur als Gebraucht-DVD und innerhalb der David Lynch Collection* auf Blu-ray. Nun gibt's Nachschub: Seit dieser Woche ist „Inland Empire“ als Collector's Edition auf DVD und Blu-ray erhältlich.

    Zum umfangreichen Bonusmaterial der Blu-ray zählen eine 85-minütige Dokumentation über David Lynch sowie über 70 Minuten an Deleted Scenes. Die DVD hat leider deutlich weniger Extras zu bieten – sie lohnt sich also allein, wenn man den Film im Regal stehen haben möchte. Wer auf haptische Medien keinen Wert legt, findet „Inland Empire“ wiederum bei Paramount+*.

    "Inland Empire": Schauspiel, Mord, Panik und viel Verwirrung

    Der angesehene Regisseur Kingsley Stewart (Jeremy Irons) arbeitet am Remake eines polnischen Films, der auf einer Volkssage basiert und als verfluchtes Projekt gilt. Denn der Cast des Liebesdramas wurde brutal ermordet. Auch Stewarts Film scheint unter keinem guten Stern zu stehen. Wie die nach einem Comeback gierenden Sternchen Devon Berk (Justin Theroux) und Nikki Grace (Laura Dern) nämlich feststellen müssen, treibt sich an ihrem Set ein Mörder herum. Vielleicht. Vielleicht dreht Nikki auch nur durch...

    Geheimnisvolle Menschen mit verschwommenen Gesichtern, eine „Sitcom“ mit beunruhigenden Häschen und ein Cast, der panisch und irritiert durch die Gegend rennt. All das, während ein (nicht allzu guter) Camcorder in ungünstigen Lichtverhältnissen einfach alles einfängt, nur nichts Schönes: Lynch begann die Arbeiten an „Inland Empire“ als experimentelle Fingerübung, um ein Gefühl für das digitale Filmemachen zu erhalten.

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    Als er bemerkte, dass er die für sich stehend gedachten Fragmente unterbewusst zu einer Handlung verknüpfte, kam es zum Kurswechsel: Mit Hilfe einer Geldspritze aus dem Hause StudioCanal setzte sich Lynch doch noch an einen (relativ) zusammenhängenden Mysterythriller. Am experimentellen Element hielt er trotzdem fest, und so entstand der Film, den die meisten Lynch-Fans als das verwirrendste Projekt der Regielegende seit „Eraserhead“ bezeichnen.

    Aber falls ihr einen Orientierungsversuch benötigt, um euch diesem nervenaufreibenden Ritt durch Meta-Ebenen und Tiefenpsychologie zu nähern: Der Verfasser dieses Artikels feiert „Inland Empire“ als durch den Lynch-Mixer gejagte Antwort auf das satirische Unterhaltungsindustrie-Melodram „Boulevard der Dämmerung. Und zugleich als Antwort auf die Frage: „Was träumt man, wenn man einen Tag lang Seifenopern guckt und abends zu viel Käse isst?“

    Da Lynch legendärerweise während seiner (gescheiterten) Oscar-Kampagne für Laura Dern ein Plakat mit der Aufschrift „Ohne Käse gäbe es kein 'Inland Empire'“ in den Händen hielt, könnte das sogar als semi-offizielle Erklärung durchgehen. Doch egal, ob ihr euch „Inland Empire“ auf diesem Wege nähert, eine ganz andere Erklärung habt oder lieber komplett auf eine verzichtet: Filmbegeisterte, die offen für durch und durch konsequente Exzentrik sind, sollten „Inland Empire“ dringend (erneut) gucken.

    Denn dass diese bitterkomische, aufwühlend-sonderbare Seherfahrung dermaßen im Schatten von „Mulholland Drive“ verkümmert, ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Das findet auch der Guardian, der „Inland Empire“ zu einem der zehn am meisten unterschätzten Filme der 2000er gewählt hat. Wäre echt Käse, sollte das so bleiben.

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