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    Wir haben Kultregisseur Kevin Smith getroffen! Das superoffene Interview zu "Jay & Silent Bob Reboot"

    Welcher Regisseur gibt im Interview schon zu, selbst nicht sonderlich viel Talent zu haben? Die Antwort: Kevin Smith im Gespräch mit FILMSTARTS-Chefkritiker Christoph Petersen. Und wir lieben ihn dafür nur noch mehr…

    Universal Pictures Germany

    Heute erscheint mit der Popkultur-&-Kiffer-Komödie „Jay & Silent Bob Reboot“, in dem auch Superstars wie Ben Affleck, Matt Damon und Chris Hemsworth für ein paar selbstreferenzielle Meta-Gags vorbeischauen, der bereits achte Film aus Kevin Smiths eigenem Kinouniversum namens View Askewniverse (dazu zählen etwa auch „Clerks“, „Mallrats“, „Dogma“ und „Jay und Silent Bob schlagen zurück“) auf Blu-ray und DVD*.

    Im Interview mit FILMSTARTS vergleicht sich der Kultfilmemacher sogar selbst mit Genitalherpes – und auch wenn das im ersten Moment nicht so klingt, ist genau das der Grund, warum man jetzt unbedingt weiter dranbleiben sollte. Denn ein derart offenes Gespräch mit einem Hollywood-Regisseur wie hier mit Kevin Smith werdet ihr wohl nur selten zu lesen bekommen…

    FILMSTARTS: Wie viele Comic-Blockbuster hätte Kevin Smith bis heute gedreht, wenn seine erste große Studioproduktion nicht ausgerechnet „Cop Out[Anm.d.Red.: eine voll gefloppte Action-Komödie mit Bruce Willis] gewesen wäre?

    Kevin Smith: Keinen. Um solche Filme zu drehen, muss man sie auch machen wollen. Aber das will ich nicht. Ich liebe es, sie zu schauen, ich bin ein großer Fan. Wenn ein neuer Comic-Blockbuster angekündigt wird, dann werde ich euphorisch, weil ich ihn sehen will – und denke nie, dass ich den jetzt aber auch gern selbst gemacht hätte. Es geht also ums Wollen. Ich bin auch nicht dafür gemacht, solche Filme zu drehen – ich bin dafür gemacht, Kevin-Smith-Filme zu drehen.

    „Cop Out“ ist schon eine Ausnahme, weil ich zum ersten Mal einen Film gedreht habe, zu dem das Drehbuch nicht von mir selbst stammt. Aber es war nicht so, dass danach alle Türen plötzlich für mich geschlossen waren – ganz im Gegenteil: Nachdem „Cop Out“ abgedreht war, wurden mir von Warner Bros. acht Skripte auf den Tisch gelegt, die ich als nächstes hätte machen können.

    Auf der ersten Seite der Graphic Novel „The Dark Night Returns“ von Frank Miller verliert Bruce Wayne in einer Kurve die Kontrolle über seinen Sportwagen und er sagt: „Das wäre ein guter Tod.“ Im nächsten Panel reißt er das Steuer doch noch rum und sagt: „... aber nicht gut genug.“ So hat sich der Moment bei Warner für mich angefühlt: Im Studiosystem Filme mit großen Budgets drehen? Das wäre ein guter Tod! Aber nicht gut genug...

    Webedia

    FILMSTARTS: In „Jay & Silent Bob Reboot“ fragt Jay an einer Stelle, ob sich nach all den Jahren eigentlich noch jemand für diesen „Jay-and-Silent-Bob-Shit“ interessiert? Wie bist du zu der Erkenntnis gekommen: Ja, es interessieren sich noch genug Leute dafür!

    Kevin Smith: Die tatsächliche Antwort werden wir wohl erst bekommen, wenn der Film fürs Heimkino rauskommt. Aber in den USA touren wir mit dem Film und ich schaue ihn mir jeden Abend mit 1.000 bis 1.500 Fans an, die jeden Gag verstehen und über ihn lachen. Natürlich überlegt man sich am Anfang einer Produktion, wie viele Zuschauer sich einen Film ansehen könnten. Aber ich bin im Herzen ein Indie-Regisseur – und deshalb denke ich auch in eher kleinen Dimensionen.

    Meine Rechnung war folgende: Der Film kostet acht Millionen Dollar. Normalerweise kommt da noch ein Marketingbudget von mindestens zehn Millionen Dollar obendrauf – aber dann müsste der Film ja schon 18 Millionen wieder einspielen, was bedeutet, dass er am Box Office 36 Millionen umsetzen müsste. Aber kein Kevin-Smith-Film hat je so viel eingespielt. Damit war klar: Wir können den Film drehen – aber wir können so gut wie nichts fürs Marketing ausgeben.

    Das geht aber auch nur, weil ich meine persönlichen Social-Media-Kanäle nutzen kann, um den Fans zu sagen, dass der Film nun da ist. Ich bin im direkten Kontakt mit den Zuschauern. Und so erschien uns der Film plötzlich gar nicht mehr als Risiko...

    Haufenweise Superstars

    FILMSTARTS: Beim Marketing hilft es bestimmt auch, dass so viele berühmte Leute in deinem Film mitspielen. Das Ergebnis fühlt sich an, als würdest du noch immer Filme mit deinen Freunden drehen – nur sind das eben inzwischen überwiegend Hollywoodstars. Wie funktioniert denn so was? Rufst du die einfach an? Oder muss das über offizielle Kanäle laufen?

    Kevin Smith: Manchmal ist es tatsächlich nur ein Anruf. Manchmal ist es auch ein persönliches Gespräch. Melissa Benoist habe ich zum Beispiel gefragt, als ich eine Episode von „Supergirl“ inszeniert habe. Aber manchmal muss man sich auch ganz offiziell an die Agenten wenden. Chris Hemsworth hat in einem Interview mit Vanity Fair zu „Thor 3“ zum Beispiel etwas zu meinem Podcast gesagt.

    Und ich dachte mir: „Chris Hemsworth kennt meinen Namen?“ Ein Jahr später, als wir mit „Jay & Silent Bob Reboot“ angefangen haben, meinte ich dann: „Ruft mal bei Hemsworths Leuten an – er kannte meinen Namen, vielleicht hat er ja auch Bock mitzuspielen.“ Sein Manager meinte dann, dass „Clerks“ der Grund sei, warum er überhaupt ins Filmgeschäft eingestiegen ist – und er hat uns versprochen, dass er alles versucht, um das möglich zu machen.

    Universal Pictures Germany

    Mein Herzinfarkt war auch eine große Hilfe. Wenn Leute zögern oder absagen, dann kann man sie daran erinnern: „Du erinnerst dich aber schon daran, dass ich letztes Jahr fast gestorben wäre?“ Am Ende tut es keiner fürs Geld, denn die meisten werden eh nicht bezahlt – es geht einfach um eine gewisse Sympathie. Die Schauspieler aus meinen früheren Filmen, die jetzt wieder zurückgekommen sind, wollen sich wieder jung fühlen. Und die Stars, mit denen ich jetzt zum ersten Mal gearbeitet habe, die haben meine Filme gesehen, bevor sie selbst berühmt wurden.

    FILMSTARTS: Und vielleicht kann Chris Hemsworth damit ja auch seinen Reboot-Fluch durchbrechen. „Ghostbusters“ war ein Flop, „Men In Black: International“ war ein noch viel größerer Flop...

    Kevin Smith: Oh, mein Gott, da habe ich noch gar nicht dran gedacht. Er ist wirklich der König der Reboots. Aber ich glaube, wir können ihm da nicht viel helfen. Unser Film ist dann ja doch vergleichsweise klein...

    Die Ladenhutters

    FILMSTARTS: In Deutschland hat es damals ein wenig länger gedauert, um „Clerks“ in den Videotheken für uns entdecken ...

    Kevin Smith: ... ja, und der Name war etwas wie „Die Ladenhüter“ [was in seinem gebrochenen Deutsch eher klingt wie „Die Ladenhutters“] ...

    FILMSTARTS: ... was im Deutschen übrigens eine schöne Doppelbedeutung hat. Es steht für die Angestellten in einem Shop – und gleichzeitig für all die Waren, die sich schlecht verkaufen und deshalb in den Regalen liegen bleiben ...

    Kevin Smith: Ist das wahr? Oh, mein Gott, sie haben einen besseren Titel gefunden als ich... Das ist fantastisch. Aber ich habe das deutsche Poster eingerahmt in meinem Büro hängen. Du musst bedenken: Ich habe damals nie damit gerechnet, dass der Film außerhalb von New Jersey gezeigt werden wird – geschweige denn außerhalb der USA. Wann immer der Film dann in einem anderen Land rausgekommen ist, habe ich mir deshalb sofort die Poster besorgt – und nun hängen sie alle in meinem Büro oder bei mir Zuhause.

    FILMSTARTS: Wäre es in der heutigen Filmlandschaft überhaupt noch denkbar, einen Erfolg wie „Clerks“ zu landen?

    Kevin Smith: Ich wurde damals in der letzten Sekunde entdeckt, bevor das Internet durchgebrochen ist. Hätte es YouTube damals schon gegeben, hätte ich als Reaktion auf Richard Linklaters „Slackers“ wohl nicht einen eigenen Film gedreht, sondern einfach einen Vlog oder sowas aufgenommen. Die Abwesenheit des Internets hat mich also dazu getrieben, selbst einen Film drehen zu wollen. Und dann ist die Chance, dass ein solcher Film von einem Verleih gekauft wird, der ihn dann auch noch international vertreibt, vielleicht 1.000.000:1.

    Aber kann so was heute noch passieren? Auf jeden Fall! Es gibt immer wieder solche Cinderella-Geschichten von Filmen, die etwa in Sundance ihren großen Durchbruch feiern. Die Budgets sind zwar im Schnitt höher als bei „Clerks“, aber man denke zum Beispiel an „Tangerine L.A.“, den haben sie auf einem iPhone mit einem Budget von 8.000 Dollar gedreht. Man kann es also noch schaffen.

    Vielleicht ist der Name des „Tangerine L.A.“-Regisseurs nicht so bekannt wie meiner – aber das liegt nur daran, dass ich seit 25 Jahren da draußen rumrenne und jeden anschreie: „ICH BIN KEVIN SMITH. ICH HABE ‚CLERKS“ GEDREHT. HAST DU ‚CLERKS‘ GESEHEN? SOLL ICH DIR ‚CLERKS‘ ZEIGEN?“ Man muss sein eigener Verkäufer sein. Ich sehe mich selbst gern als Filmemacher und Geschichtenerzähler – aber am Ende bin ich wahrscheinlich einfach nur ein Verkäufer und mein Produkt ist Kevin Smith.

    Ich habe zwar damals nichts von dem Erfolg kommen sehen, aber ich habe die Entwicklung auch immer selbst weiter mit befeuert. Es vergeht zum Beispiel kein Tag in meinem Leben, an dem ich das Wort „Clerks“ nicht benutze. Glaubst du, Christopher Nolan sagt jemals: „Hey, mein erster Film war ‚Following‘.“ Nein, denn Christopher Nolan lebt in der Gegenwart oder in der Zukunft. Der will ja nicht mal mehr über Batman reden – sondern nur noch über das, was er als Nächstes vorhat.

    Ich bin der andere Typ. Nämlich der, der alle die ganze Zeit erinnert: „HEY, ERINNERST DU DICH AN ‚CLERKS‘? ERINNERST DU DICH AN ‚MALLRATS‘? DEN HAT ZWAR DAMALS NIEMAND IM KINO GESEHEN, ABER IHR HABT IHN ALLE AUF VIDEO!“ Ich bin der Typ, der seine Filmographie immer selbst am Leben gehalten hat – und das zahlt sich nun aus. Sicherlich kennt die Filme nicht jeder. Aber es gibt eine Hardcore-Fanbase, von der ich wusste, dass sie für diesen Film da sein wird.

    Universal Pictures Germany

    Andere Filmemacher können ihr Talent für sich sprechen lassen. David Fincher würde in einem Interview nie über sein Privatleben sprechen – er gibt ja sogar überhaupt kaum Interviews. Aber ich bin als Regisseur nicht gut genug, um meine Filme für sich sprechen zu lassen – also bin ich immer da, um über sie zu sprechen. Wo die meisten Filmemacher die Vermarktung der Filme dem Marketing überlassen, bin ich da genauso involviert wie in die Produktion der Filme selbst.

    Man darf da keine Hemmungen kennen. Ich sollte eigentlich schon seit 1995 keine Filme mehr machen, als „Mallrats“ damals hart gefloppt ist. Aber man wird mich nicht los, ich bin wie Herpes. Ich bleibe für immer an deinem Schwanz hängen...

    Alles, aber definitiv kein Reboot

    FILMSTARTS: Die Idee eines Reboots ist ja eigentlich, noch einmal soweit von vorne anzufangen, dass auch neue Zuschauer in die Reihe einsteigen können. Aber der Titel „Jay & Silent Bob Reboot“ ist natürlich ein totaler Meta-Joke – denn diesen Film kann man eigentlich nur verstehen, wenn man nicht nur alle deine vorherigen Filme, sondern auch deine Karriere und deinen Familienstammbaum kennt. Hast du den Film zumindest testweise jemandem gezeigt, der dich und deine Filme noch nicht kennt?

    Kevin Smith: Ich habe es nicht getan. Das wäre ja auch grausam zu mir selbst, wenn ich da mit jemandem im Kino sitze, der die ganze Zeit nur laut rein ruft: „Was soll der Scheiß? Warum? Wie? Woher kennen die sich eigentlich?“

    Zu Beginn meiner Karriere haben alle meiner Filme Anspielungen auf frühere Werke von mir enthalten – und alle haben mir gesagt, ich soll das lassen, weil es den Verkauf des Films erschwert: „Wie sollen wir neue Leute dazu bringen, sich die Filme anzuschauen, wenn sie glauben, sie betreten ein Clubhouse, in das man nur hereindarf, wenn man alle anderen Filme ebenfalls gesehen hat?“

    Aber dann kam das Marvel Cinematic Universe. Alle sprachen plötzlich nur noch von „Worldbuilding“. Bei „Jay & Silent Bob Reboot“ kam also kein einziger Mensch auf die Idee, mir davon abzuraten, um die neuen Zuschauer nicht abzuschrecken. Es gibt sowieso keine neuen Zuschauer - wer von denen soll denn daran interessiert sein, sich den Bullshit anzuschauen? Die einzige Chance ist, dass ihre Eltern ihnen meine alten Filme gezeigt haben. Bei unseren Live-Shows sitzen neben einem Viertel der Leute Jugendliche, die vielleicht so um die 16 Jahre alt sind.

    Die haben noch gar nicht existiert, als wir „Clerks“ gedreht haben – aber nun geben die Eltern ihre Begeisterung für die Filme weiter, wie ein Familienvermächtnis. Das sind sehr verantwortungslose Eltern...

    „Jay & Silent Bob“-Reboot ist ab sofort auf Blu-ray & DVD erhältlich*.

    Jay & Silent Bob Reboot

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