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    Zone
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Zone

    Eine doppelte Diktatur-Abrechnung

    Von Lutz Granert

    Wenige Kilometer außerhalb der Thüringer Stadt Nordhausen liegt die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora. Hier wurden etwa 60.000 Häftlinge während des Zweiten Weltkriegs vom nationalsozialistischen Regime zur Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie gezwungen. Sie stellten in den Stollenanlagen unterhalb des Bergs Kohnstein für die Luftstreitkräfte die Waffen V1 und V2 her. Etwa 20.000 von ihnen überlebten die unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen nicht. Dieses düstere Geschichtskapitel nahe ihrer Geburtsstadt arbeitete die Theatermacherin Christina Friedrich bereits vor einigen Jahren in ihrem Roman „Keller“ auf. Darin verquickte sie die historischen Grausamkeiten mit persönlichen Erfahrungen aus ihrem Leben.

    Eine stringente Handlung gibt es darin nur vage, wenn sich zwei Mädchen durch eine Art Zeit-Riss begegnen: Das eine wurde von einem US-amerikanischen Bomberpiloten bereits während des Zweiten Weltkriegs getötet, während das andere in der DDR aufwächst, wo es mit einer dürftigen Erinnerungskultur und einem ständigen Gefühl des Eingesperrtseins konfrontiert wird. Auch weil ihr enorm subjektiver, mit starken Sprachbildern angereicherter Konzept-Text formal streng und minimalistisch daherkommt, fand die Künstlerin lange Zeit für ihr Manuskript keinen Verlag. Aber das hat sie nicht davon abgehalten, eine zum großen Teil aus eigener Tasche finanzierte Verfilmung anzugehen. Das Drama „Zone“ besteht aus vielen gekünstelt wirkenden Einzelszenen, die zwar hin und wieder mit stilisierten, einprägsamen Bildern aufwarten, aber am Ende sogar noch sperriger als die literarische Vorlage daherkommen.

    Eksystent Distribution
    In „Zone“ geht es immer auch um Körper und was die Geschichte mit ihnen anstellt.

    Die namenlose Teenager-Protagonistin (Kea Krassau) wächst mit zwei Brüdern und zwei Schwestern in Nordhausen in der DDR auf. Das Familienleben wird durch die psychisch kranke Mutter schwer belastet. Weder ihre „heile Welt“ spielenden Großeltern, der streng reglementierte Schulalltag noch ihre Religion vermögen es, ihr wirklichen Halt zu geben. Die Teenagerin rebelliert gegen das System, irrt durch den nahen Harz und entdeckt schließlich in einem Albtraum einen Pfad unter dem Kohnstein. Dieser führt in eine düstere Welt, in der die Schrecken und Geister der Vergangenheit weiterleben...

    Regisseurin, Autorin, Produzentin und – da bei dem geringen Budget natürlich kein Geld für teures Catering übrig war – Köchin für das gesamte Film-Team: „Zone“ ist offensichtlich ein autobiografisch geprägtes Herzensprojekt für Christina Friedrich. Erinnerungen werden dabei entweder visuell überhöht, wie bei einer in warme Farben getauchten Kinderdisco-Szenerie vor Raufasertapete mit Blumenmuster. Oder sie nehmen wie beim ignoranten Umgang des witzelnden Pflegepersonals mit der über Durst klagenden Mutter regelrecht groteske Züge an. Auch wenn Repression und Machtmissbrauch sowie deren Auswirkungen auf Körper und Landschaften die thematische Klammer darstellen, fehlt den Momentaufnahmen ein Plot, heißt: ein unmittelbarer inhaltlicher Bezug.

    Spröde Improvisationen

    Besonders frappierend fällt das nach etwa 50 Minuten auf: Die Protagonistin läuft bei Sonnenuntergang einen kahlen Bergkamm hinauf und entdeckt ein Mädchen, das mit roter Jacke durch das Totholz irrt. In der nächsten Szene läuft das Mädchen mit ihrem Vater durch einen Stollen, fährt dann mit einem Boot auf einem unterirdischen Fluss, bevor es in einem Kuhstall hockende Kinder mit spärlichen Essensrationen versorgt, und diese schließlich regungslos auf dem Boden liegen. Die Anspielung auf das Schicksal minderjähriger KZ-Häftlinge liegt auf der Hand. Nur bleiben diese erstaunlich wirkungslos, wenn atmosphärische, aber kontextlos bleibende Bilder nicht nur hier auf gekünstelt-assoziative Performances treffen. Friedrich hat ihr Ensemble dabei improvisieren lassen und stets den ersten Take in den finalen Film übernommen.

    Derart ambitioniert, zugleich aber auch reichlich abstrakt wirkt „Zone“ immer wieder wie ein unentschlossener medialer Zwitter, irgendwo zwischen visualisiertem literarischen Bewusstseinsstrom, Kino und Theater. Das spiegelt sich auch in der willkürlich wirkenden Verwendung der Stilmittel wider. Mal sind eins zu eins aus dem Roman übernommene Szenen mit einem Voice-over des „Keller“-Texts unterlegt, mal gerinnen Akteure zu starren Bühnenbildern in jenen Brachen und Steinbrüchen, die Christina Friedrich als durchaus wirkmächtige Sets in und um Nordhausen aufgetan hat.

    Eksystent Distribution
    Kea Krassau hat eine faszinierende Präsenz, die sich aber nicht immer gegen die allgemeine Sprödigkeit des Films durchsetzen kann.

    Ergänzt werden diese eher zäh angemischten Zutaten um einen verstörenden Tonschnitt mit Bombenalarm, Soldatengeschrei und dem periodischen Dröhnen nicht näher definierter Maschinen, was fast zwangsläufig an den Oscar-Gewinner „The Zone Of Interest“ erinnert. Christina Friedrich ist zwar in allen drei Künsten zu Hause, hat im deutschsprachigen Raum zahlreiche Theaterstücke inszeniert und auch Schauspiel an Hochschulen gelehrt. Zu einem kohärenten Ganzen formt sich ihre spürbar ambitionierte, enigmatische Abrechnung mit der Nazi- und SED-Diktatur, die sie selbst in einem Interview mit einem Gebet oder einer Gedächtnisübung verglich, allerdings nie.

    Fazit: „Zone“ ist ein ebenso forderndes wie sperriges Film-Experiment zum Thema Vergangenheitsbewältigung, das einen abseits einiger einprägsamer Bilder ohne erkennbaren roten Faden aber eher ratlos zurücklässt.

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