Magic Farm
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
2,0
lau
Magic Farm

Alles für Instagram!

Von Susanne Gietl

Amalia Ulman („El Planeta”) avancierte schon vor mehr als zehn Jahren zum Online-Star: 2014 postete sie „ihre“ Geschichte, nämlich die eines It-Girls, das in Los Angeles sein Glück versucht. Erst Monate später löste sie auf, dass die ganze „Hot Babe“-Story ein Fake war. Einige der Bilder, wie zum Beispiel Ulman mit Pole-Dance-Stange oder Ulman auf Diät, waren echt, andere, wie das Bild einer Brust-OP, komplett erlogen. Die Performance über unsere Selbstdarstellung im Internet schlug so hohe Wellen, dass Ulman ihr Projekt „Excellences & Perfections“ anschließend sogar in der Tate Modern in London ausstellen konnte. 2018 veröffentlichte sie zudem ihr gleichnamiges Buch über den Insta-Fake.

Sieben Jahre später meldet sich Ulman nun mit lateinamerikanischen Vibes und einer knallbunten Farce über die Medienwelt zurück, die beim Sundance Film Festival ihre Weltpremiere gefeiert hat. Drehbuch und Regie von „Magic Farm“ hat Ulman erneut selbst übernommen. Trotz einer knappen Laufzeit von 93 Minuten reicht die dünne Culture-Clash-Story aber kaum aus, um uns trotz einiger Twists (die man leider nicht alle aus dieser Kritik heraushalten kann, also Weiterlesen auf eigene Gefahr) bis zum Abspann bei der Stange zu halten.

Moderatorin Edna (Chloë Sevigny) ist auch nur minimal weniger verplant als der Rest der Crew. MUBI
Moderatorin Edna (Chloë Sevigny) ist auch nur minimal weniger verplant als der Rest der Crew.

In „Magic Farm“ berichtet eine Mediencrew aus New York über Subkulturen und wilde Trends in der ganzen Welt – VICE lässt grüßen. Sie haben es etwa in Argentinien auf den Sänger Super Carlitos abgesehen, der mit Hasenohren viral gegangen ist. Die Crew reist dafür extra nach San Cristobal, ein verschlafenes Dorf, in dem mehr Tiere als Menschen wohnen und wo man für gutes Internet auf den Baum klettert. Weil ihre Ansprechpartnerin (Abuela Marita) unauffindbar ist, stromern die Gäste durchs Dorf und finden so bald heraus, dass sich ihr Produzent Jeff (Alex Wolff) offenbar vertan hat.

Der berühmte Hasenohr-Musiker wohnt zwar in San Cristóbal, aber ein San Cristóbal gibt es nahezu in jedem spanischsprachigen Land der Welt! In Argentinien sind sie jedenfalls falsch. Anstatt den Irrtum zuzugeben, beschließt die Crew, einfach einen anderen Internet-Hit zu erfinden. Alle sind so damit beschäftigt, ein Team für den Fake-Bericht zusammenzustellen, dass ihnen ein riesengroßer Skandal entgeht, der direkt unter ihrer Nase stattfindet. Selbst wenn der unter vorzeitiger Vergreisung leidende Mateo (Mateo Vaquer) und Manchi (Camila del Campo) mit einem riesigen Feuermal auf der linken Wange durchs Bild laufen, stellt die ahnungslose Crew keine Fragen. Auch andere Anzeichen übersehen sie.

Eine Pop-Optik für Pop-Journalismus

Mit der Culture-Clash-Komödie kehrt die gebürtige Argentinierin Amalia Ulman in ihr Heimatland zurück. Dabei entlarvt sie egozentrische Medienteams, die zwar um die ganze Welt reisen und sich wie Jeff als Globetrotter bezeichnen, aber nicht die Sprache des Landes sprechen, über das sie berichten. Das führt zu peinlichen Missverständnissen. Außerdem weiß das Team nicht mal, dass Argentinien zum Kontinent Amerika gehört! Das ist nur eine der amüsant-dummen Punchlines, die Ulman einbaut.

Mittendrin ist die Projektleiterin und Moderatorin Edna (Chloë Sevigny), die die Planlosigkeit ihrer Mitarbeiter*innen nur mit staubtrockenem Humor erträgt. Ednas Ehemann Dave (Simon Rex) bezahlt die Produktion, die auch finanziell völlig entgleitet – nicht zuletzt, weil Kamerafrau Elena (Amalia Ulman) als Nebenbei-Buchhalterin um jede Quittung kämpfen muss. Zudem muss sie auch noch als Spanischübersetzerin herhalten. Am sympathischsten ist Soundmann Justin (Joe Apollonio), ein Sunnyboy mit Bon-Jovi-Matte und Adonis-Figur. Er ist der naive Typ von nebenan, der sich schon beim Kauf von SIM-Karten übers Ohr hauen lässt.

Die Crew übersieht alle Anzeichen für einen möglichen großen Skandal! MUBI
Die Crew übersieht alle Anzeichen für einen möglichen großen Skandal!

Ihm gönnt man auch eine schüchterne Lovestory mit einem Local. Das sind mit die schönsten, weil unaufdringlichsten Momente. Ansonsten setzt „Magic Farm“ eher auf poppige Farben. Man merkt, wie sehr Ulman die gängige Instagram-Ästhetik auch selbst verinnerlicht hat. Oft spielt Meregue-Musik im Hintergrund. Bei den Außenaufnahmen sind oft Tiere zu sehen, Kameramann Carlos Rigo verwendet Dog-Cams oder Fisheye-Optik, um so zur nächsten Person oder Szene überzuleiten.

Die Crew lungert im Hotel herum, veranstaltet ein Casting oder hängt mit den Locals ab. Irgendwann wird eine von ihnen eine feministische Rede halten. Frauen wollen auch mal nur Sex, nicht die Liebe. Die Rede passt ebenso wenig stilistisch ins Bild wie die moralinsaure Wahrheitsfaust, die einem, wenn auch nicht überraschend, durch einen Medienbericht ins Gesicht schlägt. Das New Yorker-Journalist*innen-Team bleibt bis zum Schluss blind.

Fazit: „Magic Farm“ ist völlig unausgegoren. Nach eineinhalb Stunden wird man sich so fühlen, als hätte man durch die sozialen Medien gescrollt: Es war mal lustig, mal langweilig, aber so richtig kann einem hinterher keiner erklären, warum man bitte schön so viel Zeit damit verbracht hat. Aber die Tiere waren süß.

Wir haben „Magic Farm“ im Rahmen der Berlinale 2025 gesehen, wo er in der Sektion Panorama gezeigt wird.

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