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    Die Jahreszeit des Glücks
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Die Jahreszeit des Glücks
    Von Christoph Petersen

    Tschechien befindet sich in einer noch depressiveren Phase als Deutschland und dieser Umstand spiegelt sich natürlich auch in der Kinokultur wieder. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass es in Bohdan Slámas Tragikomödie „Die Jahreszeit des Glücks“ von Säufern und anderen gescheiterten Existenzen nur so wimmelt. Aber genau wie Vanessa Jopp bei Komm näher oder Andreas Dresen bei Willenbrock reicht es auch Sláma nicht aus, seine Figuren einfach irgendwie mit ihren Problemen mit Arbeitslosigkeit und enttäuschten Hoffnungen zurecht kommen zu lassen, sondern lässt zusätzlich noch spekulative Schicksalsschläge wie zum Beispiel Krebs auf sie niederprasseln. So tragen seine Helden alles Leid dieser Welt auf ihren Schultern, womit aber auch keinem geholfen ist. Vor allem nicht dem Zuschauer, der kann sich höchstens in Slámas depressiver Weltsicht suhlen und sich anschließend gleich die Kugel geben.

    Monika (Tatiana Vilhelmová) und Tonik (Pavel Liska) sind seit ihrer Kindheit befreundet, Tonik ist in Monika sogar heimlich verliebt. Aber Monika hat andere Ziele, als einen solchen Loser wie Tonik zu heiraten, lieber will sie mit ihrem Musterfreund in die Wohlstand und Sicherheit versprechende USA ziehen. Als wenige Tage vor der Abreise Monikas Freundin Dascha (Anna Geislerová) in eine psychiatrische Klinik eingeliefert wird, muss sich Monika entscheiden, ob sie entweder ihren Freund in den Westen begleiten oder sich um Daschas zwei kleine Kinder kümmern will. Sie wählt die Kinder und zieht nach einem Streit mit ihren Eltern zusammen mit den Kleinen in Toniks heruntergekommenes Bauernhaus. Hier kommen sich die beiden immer näher und wirken zusammen mit den Kindern fast wie eine richtige Familie, aber immer neue Schicksalsschläge verhindern ihr Glück…

    Der deutsche Titel „Die Jahreszeit des Glücks“ ist sehr irreführend, denn Regisseur Sláma ergibt sich fast vollständig den schlechten Seiten des Lebens und versucht er doch mal etwas Positives in seinen Film einzubringen, wirkt es aufgesetzt und unglaubwürdig. Die Dramaturgie besteht so aus einer einzigen langen Welle, immer wenn die Figuren mit einem Problem fertig geworden sind, kommt auch schon der nächste Rückschlag. Wie bei einer Jahrmarktspielerei, bei der man mit einem Knüppel möglichst schnell auf herausspringende Affenköpfe einprügeln muss, schlägt auch Sláma jeden Funken Hoffnung oder Glück in der Geschichte sofort nieder. Dabei verwechselt er aber seine negative Weltsicht mit Anspruch und spekulatives Leid mit Kunst. Für den Zuschauer ist diese Sisyphos-Dramaturgie nicht nur auf die Dauer ziemlich langweilig, sondern raubt ihm auch die Lust am Kino.

    Gegen diese sinnlos destruktive Art des Filmemachens kann auch das ungemein sympathische Darstellergespann Tatiana Vilhelmová und Pavel Liska nichts ausrichten. Wenn es ihnen dann doch immer mal wieder gelingt, etwas von ihrer wunderbar warmherzigen Ausstrahlung auf die Leinwand hinüberzuretten, fühlt es sich an, als hätte Regisseur Sláma nur kurz mal nicht aufgepasst. In diesen Momenten erkennt man erst, welches emotionale Potential in dieser komplexen Liebesgeschichte eigentlich steckt. Aber dass lässt einen sich nur noch mehr ärgern, weil man nun doch viel lieber in diesem anderen Film säße, den man aus der Geschichte auch hätte machen können. Abgesehen davon, dass „Die Jahreszeit des Glücks“ zu unrecht viele Preise eingeheimst hat (u.a. die Goldene Muschel), ist es auch absolut bezeichnend für die internationale Festivalszene, dass gerade Anna Geislerová als beste Schauspielerin in San Sebastian ausgezeichnet wurde. Ihre Rolle als Borderline-Patientin Dascha mag zwar für die dramatischsten Szenen des Films sorgen, wirkt in ihrer destruktiven Art aber auch absolut beliebig. Ihre Ausraster sind eher publikumswirksam als nachvollziehbar inszeniert. Und dass sich Sláma dieser Figur zunächst noch mit Einfühlungsvermögen und Verständnis nähert, sich dieses dann aber als Täuschungsmanöver offenbart und Dascha am Schluss auf dummdreiste Weise sogar als Bösewicht der Geschichte hingestellt wird, ist unverzeihlich.

    Im Gegensatz zu Slámas Debüt „Wilde Bienen“, das mit seinem depressiven Folklore-Klamauk einfach nur genervt hat, sind bei „Die Jahreszeit des Glücks“ zumindest positive Ansätze erkennbar. Die sind wohl aber eher der teilweise gegen das Drehbuch anspielenden Cast zu verdanken, den Sláma selbst hat einfach eine zu negative Einstellung zum Kino. Als würde er sich für die kurzen helleren Momente sogar noch schämen, zieht er das angedeutete Happy End (für das ein Großteil der vorher aufgebauten Konflikte einfach unter den Tisch gekehrt wird) auch schnell wieder ein ganzes Stück zurück. Spätestens hier muss man merken, dass „Die Jahreszeit des Glücks“ für das bisschen, das er zu geben hat, von seinen Figuren und dem Zuschauer einfach viel zu viel verlangt – ein Opfer, das es sich zu erbringen für diesen Film einfach nicht lohnt.

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