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    Straightheads
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Straightheads
    Von Christian Horn

    Gillian Anderson, bekannt als Dana Scully aus Akte X, hat sich nach der Absetzung der Mystery-Serie als Darstellerin in B-Klasse-Filmen etabliert. In der englischen Produktion „Straightheads“, dem ersten Spielfilm von Dan Reed, spielt sie eine erfolgreiche, durch und durch emanzipierte Business-Lady, die Opfer einer brutalen Vergewaltigung wird und sich in Selbstjustiz übt. Zur Seite steht ihr dabei ein junger Liebhaber, der bei dem Verbrechen ebenfalls zugegen war und rüde zusammen geschlagen worden ist. „Straightheads“ variiert das Rache-Thema so gut wie gar nicht und weist deutliche Schwächen in nahezu allen Bereichen der Inszenierung auf. Viel zu hastig wird die Geschichte erzählt (in 71 Minuten, Abspann inklusive), viel zu oberflächlich bleiben die Charaktere. So entstand ein Thriller, der nur durch seine Schauwerte – Sexszenen und Brutalitäten – bei der Stange hält.

    Der lässige, 23-jährige Adam (Danny Dyer, Severance) installiert in der weitläufigen Wohnung der toughen Geschäftsfrau Alice Comfort (Gillian Anderson) ein modernes Kamera-Überwachungssystem. Zwischen den beiden baut sich schnell eine sexuelle Spannung auf und Alice bietet dem jungen Mann an, sie zu der Einweihungsparty ihres Chefs zu begleiten, der eine Villa im Hinterland erworben hat. Adam sagt zu, wird zu einem Quickie im Wald verführt und der Abend scheint gelungen: „Vielleicht der beste Abend meines Lebens“, resümiert Adam. Doch auf der Heimfahrt durch einen abgelegenen Wald werden die beiden von drei rüden Männern attackiert, die Adam halb tot schlagen, ihn schwer am Auge verletzen und Alice unter harscher Gewaltanwendung vergewaltigen. Aus der spontanen Affäre wird vor dem Hintergrund dieses gemeinsam erlebten Schicksalsschlages eine aus der Not geborene, zwischenmenschliche Beziehung. Zufällig trifft Alice vier Wochen später einen der Täter wieder, findet heraus wie er heißt – nämlich Heffer (Anthony Calf) –, und ist fortan von dem Wunsch nach Rache getrieben. Das Gewehr ihres kürzlich verstorbenen Vaters, der Soldat war, bietet sich als Instrument der Vollstreckung an. Als erstes muss der Hund des Täters für einen Probe-Kopfschuss herhalten; dann observieren Adam und Alice dessen Haus (dafür nutzen sie die Kameras), um den besten Moment abzuwarten. Aber die Sache wird kompliziert, denn Heffer hat eine unschuldige, ohnehin traumatisierte Tochter (Francesca Fowler) und Alice wird mehr und mehr von Zweifeln geplagt.

    Regisseur Dan Reed hat in den Dokumentarfilm-Projekten „Terror In Moscow“ (über tschetschenische Rebellen) und „Shooters“ (über eine Liverpooler Gang) bereits die Psychologie der Gewalt erforscht und unternimmt nun den Versuch, diese Erkenntnisse für einen Spielfilm nutzbar zu machen. Und tatsächlich liefert er in „Straightheads“ den ein oder anderen guten Ansatz: Die Folgen des Verbrechens werden in der Beziehung und Charakterentwicklung der beiden Protagonisten sehr metaphorisch und greifbar reflektiert, zum Beispiel in den Sexszenen. Die erste sexuelle Begegnung der beiden, der Spontansex im Wald, is sehr unverfänglich, voller Leidenschaft und Lust. Nach dem Verbrechen hat Adam seine Männlichkeit eingebüßt (zumindest denkt er das), weil er Alice nicht beschützen konnte, und ist daher zeitweise impotent. Später – nun von Rache und Gewalt erfüllt – hat er sehr brutalen Sex mit Alice; er dreht sie auf den Rücken und dringt brutal in sie ein, wie ein Tier. Dann die Sache mit den Kameras: Alice lässt diese augenscheinlich installieren, um das Eindringen einer Gefahr von außen in ihr Haus zu verhindern. Die Gewalt lauert ihr allerdings nicht im eigenen Haus, sondern draußen auf. Und letztlich nutzt sie die Kameras aus dem gegenteiligen Grund: um selbst in ein Haus eindringen zu können. Mit dem Ziel, Gewalt anzuwenden.

    Davon abgesehen, hat „Straightheads“ leider nicht allzu viele Pluspunkte zu verbuchen. Die Chemie zwischen Anderson und Dyer funktioniert zwar sehr gut – der Zuschauer kauft ihnen das Besondere ihrer Beziehung von Anfang bis Ende ab –, die Charaktere bleiben aber dennoch viel zu einfach gestrickt. Schlicht, weil keine Zeit bleibt, die Figuren, deren Gefühle und Motivationen auszuarbeiten. Beide Protagonisten und auch die Täter bleiben eine Skizze, nicht mehr. Da auch die Geschichte an sich kaum Neues bietet, scheint es berechtigt zu fragen: Was soll das? Der Ablauf des Thrillers – Protagonist wird Opfer eines Gewaltverbrechens, Protagonist rächt sich, Protagonist ist nicht mehr derselbe – ist schon x-Mal zu sehen gewesen. Zum Beispiel in „Ein Mann sieht rot“, Wer Gewalt sät, „Lady Snowblood“, Kill Bil, Sympathy For Mr. Vengeance, Oldboy, Lady Vengeance, nicht zu vergessen zahlreiche Westernklassiker – und das sind noch längst nicht alle. Und jeder der aufgezählten Filme setzt das Rache-Thema um ein Vielfaches kreativer um, als Dan Reed in „Straightheads“.

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