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    Flawless - Ein tadelloses Verbrechen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Flawless - Ein tadelloses Verbrechen
    Von Julian Unkel

    Spätestens seit Jules Dassins Meisterwerk Rififi erfreut sich das Heist-Genre großer Beliebtheit. Zuletzt waren es vor allem Steven Soderberghs „Ocean‘s“-Filme, die das Genre im Kino vertraten, es mit ihrer Style-over-Substance-Inszenierung aber gleichzeitig auch weit von seinen Wurzeln entfernten – Planung und Durchführung des Coups spielten in Soderberghs Starparaden lediglich noch eine Nebenrolle. Michael Radfords „Flawless“ stellt sich gegen diesen Trend - und den eigentlichen Coup wieder in den Vordergrund. Die altmodische Inszenierung, die schicke Ausstattung und der starke Hauptdarsteller gefallen. Die an sich spannende Geschichte wird aber durch ein allzu gemächliches Tempo immer wieder ausgebremst.

    Im London der frühen 1960er Jahre ist die Geschäftswelt noch eine reine Männerdomäne. Das bekommt auch Laura Quinn (Demi Moore) zu spüren, die zwar zu den besten Angestellten der Diamond Corporation gehört, aber bereits mehrfach bei Beförderungen zugunsten männlicher Kollegen übergangen wurde. Auch der kurz vor der Rente stehende Hausmeister Mr. Hobbs (Michael Caine) ist enttäuscht von dem Großkonzern. Als er zufällig erfährt, dass Laura als Bauernopfer entlassen werden soll, um geschädigte Firmenbeziehungen zu kitten, wendet er sich mit einem Racheplan an sie: Mit ihrer Hilfe will er aus dem Firmentresor Diamanten stehlen – nur eine kleine Menge, deren Fehlen nicht einmal bemerkt werden würde, aber dennoch genug, um beide reich zu machen. Nach anfänglichen Zweifeln willigt Laura ein und bereitet sich mit Hobbs auf den Coup vor. Doch Hobbs hat seiner Partnerin nicht die ganze Wahrheit über seinen Plan verraten…

    „Flawless“ lässt sich inhaltlich in zwei Teile gliedern, die mit jeweils eigenen Problemen zu kämpfen haben. Die erste Hälfte des Films widmet sich minutiös der Einführung der Charaktere und der Planung des Diamantendiebstahls. Dass sich Regisseur Michael Radford (Der Kaufmann von Venedig) dabei so viel Zeit lässt, ist Fluch und Segen zugleich: Zwar gelingt es so, die wichtigsten Charaktere sehr fein herauszuarbeiten und die triste Atmosphäre des Londons der frühen 60er zu etablieren. Auf der anderen Seite wirkt die umfangreiche Planungsphase – gerade gemessen an der Simplizität des Plans - auf Dauer aber ermüdend. Zu wenig Stolpersteine legt das Drehbuch Laura und Hobbs in den Weg, die erst später im Firmengebäude installierten Überwachungskameras stellen noch das größte Hindernis dar. Richtig spannend wird es daher erst, als die beiden ihren Plan dann endlich in die Tat umsetzen.

    Diesen Wendepunkt hat Radford in einer gelungenen Parallelmontage inszeniert. Dem Coup folgt ein gelungener Twist, der die Story gehörig auf den Kopf stellt. Der Zuschauer tappt ab sofort genauso im Dunkeln wie auch Laura Quinn, die erkennen muss, dass sie nie wirkliche Kontrolle über Hobbs‘ Plan besessen hat. Was genau bei dem Einbruch geschehen ist und welche Motive Hobbs antreiben, plötzlich auch gegen seine eigene Partnerin zu arbeiten – diese Fragen halten die Spannung bis zum Finale hoch. Die Auflösung selbst kommt dann allerdings etwas zu gewöhnlich daher. Doch während diese überraschenden Verwicklungen die Spannung fördern, leiden unter ihnen andere Aspekte des Films. Vorher angestoßene Nebenplots, wie etwa ein Minenunfall in Afrika, bei dem etliche Arbeiter ums Leben kamen, werden einfach fallengelassen. Noch viel schlimmer erwischt es Laura – eine eigentlich interessante Figur, die plötzlich zum bloßen Zuschauer degradiert wird. Der Plot um ihren Aufstand gegen die patriarchischen Strukturen innerhalb der Firma löst sich so komplett in Luft auf. Dass man durch die Rahmenhandlung (in der Gegenwart erzählt Laura als Greisin einer Journalistin ihre Lebensgeschichte) weiß, dass Laura am Ende nicht völlig mit leeren Händen dastehen wird, wirkt sich auch eher spannungshemmend aus.

    Für Demi Moore ist „Flawless“ ein weiterer Comeback-Versuch. Die einstige Starschauspielerin, die für Filme wie Ghost – Nachricht von Sam und Eine Frage der Ehre Rekordgagen einheimste, schlitterte durch ihre Rollen in Die Akte Jane und dem schon legendär schlechten „Striptease“ in ein Karrieretief. Nach ihren Auftritten in Bobby und Mr. Brooks bot ihr „Flawless“ mal wieder die Chance auf eine Hauptrolle – und Moore liefert mit sprödem Charme eine durchaus ansehnliche Vorstellung ab, obwohl sie schwer damit zu kämpfen hat, dass das Drehbuch ihre Figur in der zweiten Filmhälfte mehr und mehr fallen lässt. Richtig stark ist hingegen Michael Caine, der bereits in den Genreklassikern „Das Mädchen aus der Cherry Bar“ („Gambit“) und The Italian Job mitgewirkt hat. Als anfangs gutmütiger, später undurchsichtiger Hausmeister Mr. Hobbs kann Caine seine Stärken voll ausspielen. Von den Nebendarstellern macht nur Lambert Wilson (Matrix Reloaded) als leitender Ermittler Finch auf sich aufmerksam, auch wenn seine angedeutete Romanze mit Laura kaum weiterentwickelt wird.

    Fazit: „Flawless“ ist einer der Filme, für die der Direct-to-DVD-Markt erfunden wurde. Im Kino wäre der Krimi wohl komplett untergegangen, trotzdem liegt er über dem durchschnittlichen TV-Niveau. Gerade Genrefans, denen die technischen Spielereien moderner Heist-Filme zu viel sind, sollte der Film trotz seiner Mängel einen Blick wert sein.

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