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    Election 2
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Election 2
    Von Christian Horn

    1993 schaffte es Regisseur Johnnie To mit dem prominent besetzten Kampfkunst-Spektakel „Heroic Trio“ in die obere Liga der Filmemacher Hongkongs. Zuvor hatte er sich sein handwerkliches Können in der Inszenierung von wenig aufsehenerregenden Auftragsarbeiten, bis zu drei in einem Jahr, Stück für Stück erarbeitet; eine Inszenierungs-Routine, von der er bis heute zehren kann. Mittlerweile zählt To zu den anerkanntesten und spannendsten Regisseuren Asiens und nachdem nun auch Wong Kar-wai sein englischsprachiges Debüt in den USA gedreht hat (My Blueberry Nights), ist er der wohl wichtigste Filmemacher Hongkongs. Ein wandelbarer Autorenfilmer, der immer wieder für Überraschungen gut ist: Johnnie To kann sensible Dramen („Where A Good Man Goes“), präzise Thriller (The Mission), selbstironische Actionfilme („Fulltime Killer“) und – wie zuletzt im Wettbewerb der Berlinale zu sehen war – lässige Komödien inszenieren (The Sparrow). Dabei dreht er immer wieder mit Simon Yam (Bullet In The Head), einem der begabtesten Darsteller des asiatischen Kinos und transportiert seine eigene Handschrift in die verschiedenen Genres und Stoffe. Mit Election, einem Thriller, der in den Reihen der Triaden spielt, konnte er Publikum und Kritik begeistern. Umso schöner, dass die Fortsetzung noch einen draufsetzen kann und sowohl inhaltlich, als auch stilistisch voll und ganz überzeugt.

    Wie im ersten Teil fungiert auch in „Election 2“ die alle zwei Jahre anstehende Wahl zum neuen Anführer der Hongkonger Triaden als dramaturgischer Antrieb. Die letzte Wahl – und damit das Recht, im Besitz des symbolischen Zepters zu sein – hatte Lam Lok (Simon Yam) gewonnen. Die neue Machtposition hat ihn unberechenbar werden lassen und er ist einzig von dem Ziel getrieben, seine Stellung zu behaupten. Aus anderen Gründen möchte sein Widersacher Jimmy Lee (Louis Koo) die Wahl gewinnen: Er will Geschäfte mit Raubkopien machen und seinen Einzugsbereich auf dem Festland weiter ausbauen. Dazu muss er sich unter den Schutz der Behörden stellen, die ihrerseits von seiner möglichen Stellung als Unterweltboss profitieren wollen. So wird Jimmy gegen seinen Willen – mit den Triaden will er eigentlich so wenig wie möglich zu tun haben – in das Ränkespiel um Ansehen in der Unterwelt gezogen. Und das wird mit brutalen Mitteln geführt, was in erster Linie an Lok liegt, der rohe Gewalt vermehrt als Mittel der Wahl einsetzt. Ein Netzwerk aus Intrigen ist gesponnen, in welchem die Polizei ebenso eine Rolle spielt wie die Politik und die alten Triaden-Führer. Ehre, Treue und Freundschaft – traditionelle Werte, die von den Triaden hochgehalten werden – spielen bald keine Rolle mehr. Freunde und Vertraute werden benutzt und verraten, Auftragsmörder eingeschaltet und selbst in den eigenen Reihen wird gemeuchelt.

    So kommt es, dass „Election 2“ viel brutaler ist, als sein Vorgänger und mitunter durch grausame Szenen schockiert. Da werden Menschen halb tot geprügelt, im Meer ertränkt und, in der brutalsten Szene des Films, mit einem Beil zerhackt. Aber es ist nicht die realistisch dargestellte Brutalität, die ins Auge sticht, sondern vielmehr die sachliche, schnörkellose Inszenierungsweise und die gelungene Charakterzeichnung. In kühlen Bildern und ohne Umschweife entfaltet Johnnie To seine stetig ansteigende Spannungskurve; es gelingt ihm, seinen Film nicht zum Stillstand kommen zu lassen, sondern die Dramaturgie schnell zuzuspitzen – und zwar ohne seine vielseitigen Figuren und deren verzweigte Konstellationen zu vernachlässigen. Sowohl der machtbesessene Lok als auch der immer mehr in die Enge getriebene Jimmy werden als Figuren greifbar; dasselbe gilt für die vielen Nebenfiguren. To genügen wenige, auf den Punkt gebrachte Szenen, um seine Figuren nachhaltig zu charakterisieren. So schwingt bei Jimmy immer auch die Beziehung zu seiner Freundin mit, für die er eine Zukunft ohne Sorgen und Nöte schaffen will und bei Lok das schwierige Verhältnis zu seinem Sohn.

    Hinzu kommen einfache, dennoch wirkungsvolle Bildeinfälle und Metaphern, die Johnnie To gezielt und an den passenden Stellen einsetzt. Zum Beispiel, wenn blutverschmierte Geldscheine das Bild ausfüllen und das Zusammenspiel zwischen Geld, Ruhm und Gewalt auf der reinen Bildebene plastisch und effektiv kommuniziert wird. Oder, wenn Wok seinen ehemaligen Mentor eine Treppe hinunter stößt und die weitreichenden Intrigen eine Shakespearesche Dimension bekommen.

    Im Vergleich zum ersten Teil ist „Election 2“ insgesamt noch eine Spur stärker. Das ausgereifte, komplexe Drehbuch und die sichere Umsetzung desselben durch Johnnie To wissen zu begeistern. Und wenn der Regisseur von einem möglichen dritten Teil spricht, werden nicht nur Erinnerungen an Francis Ford Coppolas Der Pate-Trilogie geweckt, sondern eine hohe Erwartungshaltung stellt sich ein. Und die wird To mit Sicherheit nicht enttäuschen.

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