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    Interview mit einem Vampir - Aus der Chronik der Vampire
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Interview mit einem Vampir - Aus der Chronik der Vampire
    Von Björn Helbig

    „Ich bin gekommen, um deine Gebete zu erhören. Das Leben hat für dich keine Bedeutung mehr, habe ich Recht? Der Wein hat keinen Geschmack, das Essen ekelt dich an, als ob das alles keinen Sinn mehr zu haben scheint, stimmt’s? Aber wenn ich das rückgängig machen könnte, den Schmerz ausmerzen und dir dafür ein neues Leben schenken könnte, das deine Vorstellungskraft übersteigt… Es würde dauern für immer und ewig. Und Krankheit und Tod könnten dich nie wieder ereilen. Habe keine Angst! Ich werde dich vor eine Wahl stellen, die ich niemals hatte…“

    Wer erinnert sich nicht an diesen schaurigen Monolog des mächtigen Vampirs Lestat de Lioncourt (Tom Cruise), mit dem er im Film „Interview mit einem Vampir“ den sterbenden Louis de Pointe du Lac (Brad Pitt) umgarnt. Genau genommen steht am Anfang der Geschichte ein Fehler Lestats: Nachdem er den lebensmüden Louis beobachtet hat, schlussfolgert er nämlich, dass Louis einen guten Vampir abgeben würde. Mehr noch – Lestat ist einsam und kann sich Louis ganz gut als Partner für die langen, dunklen Nächte der Ewigkeit vorstellen. Gedacht, getan und zugebissen. Doch Lestat unterlag einem Irrtum, wie sich bald herausstellen sollte. Denn Louis liebte nach dem Tod seiner Frau zwar sein eigenes Leben nicht, dafür ist ihm das von anderen Menschen beinahe heilig. Kurzum, Louis weigert sich – sehr zu Lestats Missfallen – zu töten, bestenfalls nippt er mal an den Opfern seines Schöpfers, ernährt sich ansonsten aber konsequent von Tierblut. Konsequent bis – der arme Louis doch einmal die Kontrolle verliert und aus Mitleid die junge Claudia (Kirstin Dunst), deren Eltern gerade von der Pest dahingerafft wurden, beißt. Lestat wittert seine Chance, Louis stärker an sich zu binden und macht Claudia ebenfalls zu einem Vampir. Der Plan gelingt. Beinahe 30 Jahre lang treiben die drei ihr Unwesen, wobei Claudias Blutdurst dem von Lestat in kaum etwas nachsteht. Alles läuft soweit ganz gut, bis Claudia realisiert, dass sie auf Ewig in dem Körper eines Kindes gefangen sein wird. Die Schuld dafür gibt sie ihrem Schöpfer Lestat und sie beschließt, sich von ihm zu emanzipieren. Das geht allerdings nur über dessen Leiche.

    „Interview mit einem Vampir“ geht zurück auf den ersten Teil der 10-bändigen „Chronik der Vampire“ der amerikanischen Schriftstellerin Anne Rice (geboren 1941), die mit ihren Romanen um den Vampir Lestat Berühmtheit erlangte. Im Vorfeld der Arbeiten zum Film, für dessen Drehbuch sich ebenfalls Rice verantwortlich zeigte, gab es allerdings einige Probleme, da die Autorin anfangs nicht mit der Besetzung von Tom Cruise als Lestat zufrieden war. Eigentlich hatte sie Rutger Hauer (Blade Runner) für die Rolle im Kopf. Nachdem sie Tom Cruise in Aktion gesehen hatte, änderte Rice aber ihre Meinung. Genau wie sie, dürfte es einigen Zuschauern gegangen sein, welche den Schauspieler trotz seiner Rollen in „Geboren am 14. Juli“ oder Rain Man eher mit „Maverick“ aus „Top Gun“ in Verbindung brachten und sich ihn deswegen so gar nicht als mordlustigen Vampir vorstellen konnten. Viele wurden dann aber doch schnell eines Besseren belehrt, als sie den vermeintlichen Sonnyboy als Wesen der Nacht zu Gesicht bekamen. Fast war es, als hätte Cruise nie etwas anderes gespielt. Kongenial wurden aber auch die anderen beiden Hauptrollen des Films besetzt. Zunächst natürlich zu nennen Brat Pitt als Louis, einem der melancholischsten Vampire der Filmgeschichte. Pitt (Fight Club, Twelve Monkeys), der zuvor schon in „California“ und True Romance gezeigt hatte, dass er wirklich schauspielern kann, beweist durch die Hauptrolle in „Interview mit einem Vampir“, dass er durchaus auch über die lange Distanz in der Lage war, einen fesselnden, komplexen Charakter darzustellen. Nicht zuletzt muss aber auch die damals 12-jährige Kirstin Dunst (The Virgin Suicides, Spider Man, Spider-Man 2) genannt werden, die mit ihrer eindrucksvollen Performance das mörderische Trio komplettiert.

    Diese drei – Lestat, Louis und Claudia – sind es, die durch ihre sonderbare Beziehung und die damit verbundenen, unterschwellig schwelenden Konflikte, den Film mit Leben füllen. Der Vampir als ein Individuum mit Vergangenheit und Wünschen, eingebunden in einen sozialen Kontext – das war eine bis Dato für das Blutsauger-Genre ungewöhnliche Idee, die Rices’ „Interview mit einem Vampir“ aus der Masse verwandter Produktionen heraushob. Bis dahin üblich war es eher, die Welt der Vampire durch die Augen der Menschen als etwas Bizarres, Unnatürliches, Bedrohliches zu zeigen. „Interview mit einem Vampir“ ändert nun den Blickwinkel und zeigt die Welt der Vampire aus der Innenperspektive. Rice entscheidet sich hierbei für den Weg, einen Vampir (Louis) aus seinem Leben erzählen zu lassen. Ungläubiger Zuhörer ist in diesem Fall der Reporter Malloy, für dessen Rolle ursprünglich River Phoenix und nach dessen Tod Leonardo Di Caprio gehandelt wurden. Den Zuschlag bekam dann allerdings Christian Slater (Der Name der Rose, Alone In The Dark), so dass letzten Endes ihm die absonderliche Geschichte des Vampirs vorgetragen wird. Erzähltechnisch ist dieser Rahmen um den Journalisten, der Lebensgeschichten sammelt und dabei an einen Vampir gerät, nachvollziehbar – auch wenn er nicht sonderlich elegant wirkt und hinter der eigentlichen Geschichte zurückfällt. Die entschädigt dann aber für so manches, was der Film noch an Unplausibilitäten bereithält.

    In dunklen, sehr ästhetischen Bildern hält Ausnahmeregisseur Neil Jordan (The Crying Game, „The Good Thief“, Breakfast On Pluto) die traurige Geschichte fest, in deren Zentrum die Themen Einsamkeit, Liebe und Verrat stehen. Ihm und seinem Gespür für Atmosphäre ist es zu verdanken, dass „Interview mit einem Vampir“ trotz einiger Dialogschwächen und in ihrer Länge nicht immer ausgewogenen Sequenzen zu einem starken, über weite Strecken herausragenden Film geworden ist. Auch wenn die Figuren mit ihren Motiven nicht immer völlig überzeugen, schafft es Jordan doch, dass es das Gesamtbild tut. Es ist fast erstaunlich: Bei „Interview mit einem Vampir“ gibt es viel zu entdecken, was einem nicht gefallen könnte, und trotzdem sieht man Jordans Vampirmär immer wieder gern. Im Endeffekt funktioniert das Zusammenspiel von Jordan, seinem Team und dem Hautdarstellergespann einfach sehr gut. Die Musik aus der Feder von Elliot Goldenthal wurde sogar für einen Oscar nominiert. Und auch bei der Besetzung der Nebendarsteller hatte man ein glückliches Händchen: Antonio Banderas, gegen den Strich besetzt, mimt überzeugend den dekadenten Vampir Armand. Aber auch Thandie Newton (L.A. Crash) und Jordans Stammschauspieler Stephen Rea überzeugen in der zweiten Reihe. Ursprünglich hatte man ja gehofft, dass David Cronenberg (Rabid, Videodrome, A History Of Violence) die Regie für „Interview mit einem Vampir“ übernehmen würde, doch dieser lehnte ab. Im Nachhinein betrachtet, war das vielleicht nicht mal schlecht, hätte der kanadische Filmemacher wohl keinen Film abgeliefert, der sich heute so breiter Beliebtheit erfreuen würde.

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