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    Coffy - Die Raubkatze
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Coffy - Die Raubkatze
    Von Björn Becher

    „The film that just knocked my socks off the most was ‚Coffy’, from the moment she shot the guy in the head with the sawed off shotgun and his head exploded like a watermelon. I had never seen that before and then it just got better from there. Pam Grier was just like an incredible badass, she was just so great… ‚Coffy’ is one of the greatest revenge movies ever made. It’s almost impossible to watch ‚Coffy’ with an audience and not have them get caught up in the movie. When the film opened, people were standing on their seats screaming at the top of their lungs for her to blow away those guys… I think I appreciate ‚Coffy’ even more now. It still holds up.” (Quentin Tarantino in „What It Is... What It Was: The Black Film Explosion Of The ' 70s In Words And Pictures” von Gerald Martinez, Andres Chavez und Diana Martinez, ISBN 0-7868-8377-4)

    Als sich Anfang der Siebziger mit Ossie Davis´ „Wenn es Nacht wird in Manhattan“ und vor allem Melvin Van Peebles „Sweet Sweetback's Baadasssss Song“ (der von einem Großteil der Kinos boykottiert wurde, vor den übrigen aber für Schlangen sorgte, die man erst Jahre später bei Krieg der Sterne wieder sehen sollte) zeigte, dass die schwarze Bevölkerung ein großes Besucherpotential in sich barg, sprang nach MGM („Shaft“) schnell auch das Filmstudio AIP (American International Pictures) auf den Erfolg versprechenden Zug. Nach ersten Erfolgen („Black Mama, White Mama“, „Blackula, Black Caesar“) entwickelte man für Pam Grier vier Filme, die gemeinsam haben, dass eine starke weibliche Protagonistin im Zentrum steht. In recht kurzer Zeit abgedreht (1973 bis 1975) gelten vor allem „Coffy“ und der ursprünglich als „Coffy“-Sequel geplante, dann aber zu einem eigenständigen Film umgebaute (man ging damals davon aus, dass ein Sequel eher abschreckende Wirkung habe – ganz anders als heute) „Foxy Brown“ als Klassiker des Genres. „Coffy“ ist auch der erfolgreichste Film der Reihe und bildet mit „Shaft“ den Höhepunkt der nur kurze Zeit andauernden, 1975 schnell wieder verebbenden Blaxploitationwelle.

    Der Plot von „Coffy“ folgt auf den ersten Blick einzig und allein der klaren Struktur des Revenge-Movies. Krankenschwester Coffy (Pam Grier) will diejenigen zur Strecke bringen, die ihre gerade mal elfjährige Schwester an die Nadel brachten. Dafür setzt sie ihre weiblichen Vorzüge genauso ein, wie eine große Shotgun und die in ihrer Haarpracht versteckten Rasierklingen. So arbeitet sie sich vom kleinen Drogendealer hoch bis zu den Hintermännern, um dort eine gehörige Überraschung zu erleben...

    Die zeitgenössische Kritik reagierte skeptisch auf die neue Welle des „Black Cinema“, die Anfang bis Mitte der Siebziger ins Rollen kam. Man kann rückblickend sogar sagen, dass sich darin Angst zeigte, eigene Pfründe zu verlieren. So wurden die meisten Blaxploitationfilme auch voreilig abgekanzelt. Die Vorwürfe waren immer die gleichen. Die Filme seien zu formelhaft und zudem seien sie rassistisch. Beides ist natürlich als Pauschalvorwurf ausgemachter Schwachsinn. Genrekino lebt zum einen von dem Verwenden bestimmter Formeln und zum anderen wird ein Film noch nicht dadurch rassistisch, dass die „Bösen“ eine weiße und die „Guten“ eine schwarze Hautfarbe haben (dazu braucht es weiterer Faktoren, die allerdings auch bei vielen Blaxploitationfilm sicherlich vorhanden sind). Gerade „Coffy“ ist ein besonderer Beweis für die Absurdität dieser Pauschalvorwürfe, denn beide lassen sich mit dem Anschauen des Films schnell entkräften.

    „Coffy“ ist natürlich auch Genrekino in Reinkultur (und zudem in Perfektion), welches bestimmten Formeln folgt, sich aber gerade dadurch auszeichnet, dass es diese auch durchbricht. Die für damalige Verhältnisse nicht gerade übliche Inthronisierung einer weiblichen Heldin fällt sofort ins Auge, ist aber nicht der einzige Punkt. Regisseur und Drehbuchautor Jack Hill, den man wohl als eines der größten Vorbilder von Quentin Tarantino bezeichnen kann, bekam vom Produktionsstudio nur zwei Vorgaben. Er solle unbedingt ausreichend Sex und Gewalt in „Coffy“ unterbringen, darüber hinaus habe er freie Hand. Dass so etwas ein Geschenk für Filmemacher ist, beweist schon ein Blick auf die weltweite Filmgeschichte (man beachte zum Beispiel das subversive politische japanische Kino der Sechziger, das im „pinku eiga“, salopp gesagt einer Art Untergenre des Pornofilms, entstand). Einen weiteren Beweis liefert „Coffy“ selbst. Hill nutzt die Plattform, die ihm der Film bietet, um ein klares Plädoyer gegen Drogen zu setzen. Gerade zu Beginn der Siebziger, wo sowohl andere „Black Cinema“-Produktionen als auch das „New Hollywood“-Kino eher drogenfreundlich eingestellt waren, war dies eine ungewöhnliche Haltung. Dazu nutzt Hill einige Szenen, um eher nüchtern das Leben der schwarzen Bevölkerung zu porträtieren. Vom Rassismusvorwurf kann man „Coffy“ sowieso frei sprechen, denn schlussendlich zeigt sich, dass auf der falschen Seite des Gesetzes Menschen verschiedener Hautfarben stehen.

    Hill untergräbt in „Coffy“ in stetiger Wiederholung gelungen Erwartungen. Wenn eine weiße Prostituierte mit schwarzem Zuhälter auftaucht, ist das natürlich genau die umgekehrt verteilte Rollenzuweisung wie sie der Zuschauer – auch in einem Blaxploitationfilm – bis dato erwarten konnte. Zudem fokussiert sich Hill zwar auch auf die Action und das Entertainment des Publikums, macht dies aber entgegen der Studioanweisung („All (the audience) want is action, action, action”) nicht zum alleinigen Mittelpunkt (Hills Antwort: „No, that’s not it. You’ve got to have real humanity. That’s what people respond to.”). So wird ein zur damaligen Zeit brisantes Subthema wie Korruption in einer für das Genre ungewöhnlich ausführlichen Weise behandelt.

    Die comichafte Überzeichnung der Gewalt verhindert, dass Coffys Rachefeldzug ärgerlich und abstoßend ausfällt, wie es bei manchen Selbstjustiz-Reißern aus den Achtzigern und der jüngeren Vergangenheit der Fall ist. Deutlich wird dies zum Beispiel in einem Fight von Coffy mit ein paar Edelnutten. Dieser ist teilweise so absurd comichaft ist, dass die Brutalität komplett entkräftet wird. Aber gleichzeitig befriedigt er auch die niedersten Instinkte beim Publikum, in dem die Kleidungsstücke an den Körpern der Frauen nach und nach immer weniger werden.

    Prunkstück des Films sind aber natürlich vor allem zwei Elemente. Pam Grier, die weibliche Ikone des Blaxploitationkinos, in ihrer wohl eindrucksvollsten Rolle. Cooler und mit mehr Sexappeal ausgestattet geht wohl nicht, dazu überzeugt sie aber auch in den dramatischen Szenen, wenn ihre Figur am Boden liegt bzw. der Wahrheit ins Auge blicken muss. Man muss Quentin Tarantino einfach dankbar dafür sein, dass er sie für Jackie Brown aus der Versenkung geholt hat. Eine Rückkehr zu Kinoerfolgen gab es zwar nicht, aber mit einer Stammrolle in der Serie „The L Word“ ist sie wieder gut im Geschäft. Daneben hat „Coffy“ einen der besten Funk/Soul-Soundtracks der Filmgeschichte beschert bekommen. Zahlreiche der von Roy Ayers geschaffenen Stücke sind auch heute noch Kult und werden von diversen Hip-Hop-Acts immer wieder gesampelt.

    Das macht „Coffy“ zu einem Genuss, den man nicht oft genug anschauen kann. Und wer jetzt immer noch nicht überzeugt ist, den dürften ein paar Worte aus der damaligen Kritik von den Freunden des katholischen Film-Dienstes überzeugen. Wie wohl jeder Jack-Hill-Film wurde auch „Coffy“ von ihnen mit dem knallharten (und in Filmfankreisen noch heute als Empfehlung geltenden) „Wir raten ab“ versehen, denn man sieht darin „einen eiskalten Reißer mit recht harten Bandagen“. Kann es ein besseres Lob für einen guten Exploitation-Film geben?

    Diese Kritik ist Teil der Retrospektive FILMSTARTS.de goes Grindhouse.

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