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    Pakt des Schweigens - Das zweite Leben des Erich Priebke
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Pakt des Schweigens - Das zweite Leben des Erich Priebke
    Von Ulf Lepelmeier

    Schon im Herbst 1943, also lange vor Beendigung des Zweiten Weltkriegs hatten die Alliierten mit den „Moskauer Erklärungen“ verdeutlicht, dass nicht nur die wirklichen Befehlshaber, sondern alle nationalsozialistischen Kriegsverbrecher nach der Kapitulation Deutschlands zur Rechenschaft gezogen werden sollten. Während die Spitzenleute des Nazi-Regimes nach dem Sieg über Deutschland auch schnell gefasst wurden, konnten viele Kriegsverbrecher der zweiten Reihe in den Wirren der Nachkriegszeit untertauchen. Hauptanlaufziel für braune Immigranten auf der Flucht vor der Justiz der Alliierten war das von Juan Perón regierte Argentinien. Auch SS-Offizier Erich Priebke, der 1944 an der berüchtigten Geiselerschießung in den Ardeatischen Höhlen bei Rom mitwirkte, gelang es, sich unter falschem Namen in das südamerikanische Land zu begeben. Schon bald gab er sich dort unter seinem wahren Namen zu erkennen und stieg zum angesehenen Bürger des Ferienortes San Carlo de Bariloche auf. Er wurde zum Repräsentanten der großen deutschen Gemeinde des Ortes und zugleich Vorstand der deutschen Schule Capraro, die durch Zuwendungen des deutschen Staates finanziert wurde. Regisseur Carlos Echeverria wuchs in Bariloche auf und besuchte dort auch die deutsche Schule. Ihm ist es ein Anliegen, in seiner Dokumentation „Pakt des Schweigens - Das zweite Leben des Erich Priebke“ aufzuzeigen, wie Erich Priebke durch den Pakt des Schweigens der Einwohner Bariloches so lange unerkannt bleiben und wieder zu gesellschaftlichen Würden kommen konnte.

    Carlos Echeverría über die Menschen seiner Geburtsstadt: „Sie nehmen nur das zweite Leben des Erich Priebke wahr, in dem er alles daran gesetzt hatte, dass eine Straße oder eine Schule seinen Namen trägt.“

    Erst im Jahre 1994 wird Erich Priebke, mehr durch Zufall, von einem US-Fernsehteam im südargentinischen Anden-Kurort Bariloche aufgespürt. Das Militärgericht in Rom, welches ihn 55 Jahre nach dem NS-Massaker in den Ardeatinischen Höhlen zu lebenslanger Haft verurteilte, sorgte für Aufsehen. Der inzwischen über 90-Jährige wurde letztlich doch noch für ein Verbrechen zur Rechenschaft gezogen, welches für 335 Menschen den Tod bedeutete und als das schwerste Kriegsverbrechen in Italien gilt. Doch es bleibt die Frage, wie ein Verbrecher wie Priebke so lange Zeit unerkannt bleiben konnte. Diesem Phänomen geht Regisseur Echeverria, früher ebenfalls ein Mitglied der deutschen Gemeinde, auf die Spur. Er gibt dem Zuschauer die Daten des furchtbaren Verbrechens sowie Priebkes Fluchtgeschichte an die Hand, bevor er ihn mit der deutschen Gemeinde Bariloches konfrontiert, die den Kriegsverbrecher wieder zu Macht und Würden verhalf und auch nach seiner Verurteilung immer noch hinter dem ehemaligen SS-Offizier und seinen nationalsozialistischen Gedankengut steht.

    In der Dokumentation werden die Verbrechen Priebkes unter Einbeziehung von Dokumenten belegt und mit Aufnahmen des heutigen Roms und der Ardeatinischen Höhlen verbunden, bevor Priebkes Jahre in Argentinien im Fokus der Betrachtung stehen. Als ehemaliger Leiter der Dienststelle der Sicherheitspolizei in Rom hatte Hauptsturmführer Priebke Inhaftierungs- und Entlassungsscheine zu unterschreiben, die über Leben und Tod entschieden. Als Hitler für einen Partisanenanschlag bei dem 33 Polizisten ums Leben kamen Vergeltung im Verhältnis 1:10 forderte, ließ Priebke sogar 335 Gefangene, deren Namen er eigenhändig aus einer Liste strich, erschießen.

    Die Ausreise des Kriegsverbrechers nach Argentinien mittels Reiseunterlagen des Roten Kreuzes sowie seine erste Zeit in Südamerika, in der er als Kellner arbeitete, werden vor allem durch Archivbilder illustriert. Den weitaus längsten Teil seiner Dokumentation widmet Echeverría aber Priebkes Leben in Bariloche und seinem langsamen gesellschaftlichen Wiederaufstieg. Hier arbeitet der Regisseur ebenfalls mit Archivbildern, aber vor allem mit Zeitzeugenaussagen in Interviewform und mit kurzen nachgestellten Szenen. In diesen werden die Kindheitserinnerungen des Filmemachers illustriert, wobei er sich selbst von seinem eigenen Sohn Pedro spielen lässt. Auch wenn diese kurzen Spielfilmelemente sicherlich eine gute Idee zur Auflockerung der Dokumentation darstellen, bringen sie inhaltlich den Film in keiner Weise weiter, da sie sich stets nur mit Kleinigkeiten befassen und somit letztlich unnötig sind. Auf eine musikalische Unterstützung des Gezeigten wird hingegen fast vollständig verzichtet. Während die den ganzen Film durchziehenden Kommentare des Regisseurs sowie die Nachzeichnung der Flucht und der langsamen Machtzunahme Priebkes als gelungen bezeichnet werden können, hat man das Gefühl, dass die Auswahl der Interviewpartner nicht immer geglückt ist und dass die Interviews an sich auch etwas strikter hätten ausfallen können. So wäre teilweise ein Nachbohren von Seiten des Regisseurs wünschenswert gewesen. Beispielsweise wird das Wissen der deutschen Botschaft über Priebkes Aufenthalt in Bariloche zwar angedeutet, aber dann nicht weiter verfolgt. So hinterlässt die Dokumentation „Pakt des Schweigens“ trotz des ohne Zweifel spannenden Themas letztlich nur einen durchwachsenen Eindruck.

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