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    Grindhouse
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Grindhouse
    Von Christoph Petersen

    Robert Rodriguez (Sin City, Irgendwann in Mexiko) hatte die Idee, sein Kumpel Quentin Tarantino (Pulp Fiction, Reservoir Dogs, Jackie Brown) war sofort begeistert davon und stieg in das Projekt mit ein. Ziel war es, den in den 70er- und 80er-Jahren berühmt-berüchtigten Grindhouse-Kinos ein filmisches Denkmal zu setzen. Diese meist sehr kleinen und schmuddeligen Kinos zeichneten sich vor allem durch ihr spezielles Erwachsenen-Programm aus, das in erster Linie aus billig produzierten Kung-Fu-, Sex-, Horror- und Actionstreifen bestand. Dabei wurden die Filme meist in Doppelvorstellungen präsentiert. Und die Kopie genau solch eines Double-Features soll das Trash-Projekt „Grindhouse" des kultigen Regie-Duos nun darstellen. Rodriguez steuert mit seinem Planet Terror einen spaßigen Zombiesplatter bei und Tarantino sorgt mit seinem Death Proof für eine clevere Demontage des Slasher-Genres. Da Grindhouse-Vorstellungen nur in den USA weit verbreitet waren, eine Reminiszenz an diese ausgestorbene Kinogattung in anderen Ländern schlicht keinen Sinn machen würde, kommt allerdings nur das US-Publikum in den Genuss des „Grindhouse"-Doppelprogramms. Außerhalb von Nordamerika werden beide Filme einzeln, dafür aber in längeren und erweiterten Fassungen in die Kinos kommen.

    Planet Terror: Gerade als Lt. Muldoon (Bruce Willis) Bin Laden höchstpersönlich in einer seiner Höhlen gegenüberstand und ihm den Gar ausmachte, wurde von den amerikanischen Streitkräften ein chemischer Kampfstoff über dem Gebiet abgeworfen. Seitdem sind Muldoon und seine Truppe von dem giftgrünen Gas abhängig. Ohne dieses regelmäßig einzunehmen, würden ihre Penisse schmelzen und ihre Gesichter von lustig aufplatzenden Blasen bevölkert. Für die Besorgung des Stoffes zeichnet ist der Wissenschaftler Abby („Lost"-Star Naveen Andrews) zuständig. Doch bei einer der Übergaben geht etwas schief und ein Teil des Gases kann entweichen. Von da an greift eine sich immer schneller ausbreitende Zombie-Epidemie um sich. Dumm gelaufen für den kleinkriminellen Meisterschützen El Wray (Freddie Rodriguez) und die sexy Go-Go-Tänzerin Cherry Darling (Rose McGowan), die sich gerade nach einer längeren Trennung wieder näher zu kommen scheinen. Wesentlich gelegener kommen die Killer-Zombies da schon Dr. Dakota Block (Marley Shelton) – immerhin will ihr eifersüchtiger Mann William (Josh Brolin) sie gerade ermorden und die untoten Horden sind ihre einzige Rettung...

    „Planet Terror" steht als durchgehend augenzwinkerndes Splatter-Movie klar in der Tradition solcher Genreklassiker wie Stuart Gordons „Re-Animator" oder George A. Romeros Zombie - Dawn Of The Dead. Doch im Gegensatz zu den gescheiterten Versuchen der vergangenen Jahre, etwa dem amateurhaften Evil Aliens, gelingt es Regisseur Rodriguez durchaus, seinen Vorbildern – auch wenn er deren Qualität nicht ganz erreicht – keine Schande zu machen. Selbstironische Zitate und over the top inszenierte Splatter-Arien geben sich hier die Klinke in die Hand, ohne dass man als Zuschauer groß die Chance hätte, mal ordentlich zu verschnaufen. Vor allem Rose McGowans amputiertes Bein, das kurzerhand durch ein MG/Granatwerfer ersetzt wird, ist für eine Handvoll ultracooler Ballerorgien gut. Allerdings gelingt es hier im Gegensatz zu Tarantinos Beitrag nie, das Genre neu zu erfinden. Sehr gute, aber – bis auf das ungewöhnlich hohe Budget, das sich natürlich in der einen oder anderen extrem aufwendigen Sequenz positiv niederschlägt - traditionelle Genrekost bestimmt vielmehr den Gesamteindruck. So ist Planet Terror ein in jeder Hinsicht gelungener Fun-Splatter, der mit zahlreichen selbstreferenziellen Verweisen und absurdesten Einfällen punktet, der aber dennoch eindeutig nicht an Rodriguez´ besten, damals bahnbrechenden Genrestreifen From Dusk Till Dawn heranreicht.

    Death Proof: Girls Night Out. Weil ihre gute Freundin Arlene (Vanessa Ferlito) zu Besuch in der Stadt ist, will Radiomoderatorin Jungle Julia (Sydney Tamiia Poitier) es mal wieder so richtig krachen lassen. Der Alkohol fließt in Strömen und um die ganze Sache noch interessanter zu machen, hat Julia in ihrer Show versprochen, dass der erste Mann, der Arlene findet und ihr einen Drink spendiert, von dieser als Belohnung einen erotischen Lap Dance serviert bekommt. Als dieser erste Gentleman entpuppt sich schon bald Stuntman Mike (Kurt Russell). Allerdings fühlt Arlene sich in Gegenwart des vernarbten Fremden unwohl und sie macht einen Rückzieher. Doch da haben die Partymäuse ihre Rechnung ohne Stuntman Mike gemacht, dieser entpuppt sich nämlich schon bald als psychopathischer Serienkiller, der statt eines Messers sein Auto als tödliche Waffe einsetzt. Erst als er sich mit Kim (Tracie Thoms) und Zoe (Zoe Bell) zwei waschechte Stuntweiber als Opfer ausguckt, kommt Stuntman Mike selbst ganz gehörig ins Schwitzen...

    Sollte das Gerücht stimmen, dass in den USA viele Besucher des Films schon nach „Planet Terror" den Kinosaal verlassen haben, weil sie vom Double-Feature-Charakter der Vorstellung schlicht nichts wussten, wäre dies vor allem deshalb äußerst dumm für sie gelaufen, weil „Death Proof" ganz eindeutig der bessere der beiden Filme ist. Zwar kommt Tarantinos Slasher fast komplett ohne blutige Einlagen aus, dafür verwöhnt er sein Publikum aber mit einer ganzen Latte an grandiosen Tarantino-typischen Smalltalk-Szenen. Mit der ersten Sequenz in seinem ersten Spielfilm Reservoir Dogs, in der sich eine Gruppe Krimineller über das richtige Maß an Trinkgeld stritt, legte Tarantino den Grundstein einer mittlerweile legendären Tradition, die beispielsweise mit der „Big Mäc"-Diskussion in Pulp Fiction konsequent fortgeführt wurde. In „Death Proof" nehmen diese Smalltalk-Runden nun gar einen Großteil des Films ein. Der einzige Unterschied zu vorangegangen Werken des Regisseurs ist nur, dass sich diesmal Frauen auf absurd-geniale Weise über Gott und die Welt auslassen. Und Tarantino stellt dabei schnell unter Beweis, dass er die feminine Seite des Dialogschreibens ebenso spielend wie die maskuline beherrscht.

    Neben den kongenialen Dialogen gibt es auch noch zwei weitere Qualitäten, die „Death Proof" endgültig zu einem Genremeisterwerk machen. Zum einen sind hier ganz klar die Autostunts zu nennen, vor allem die ewig lange Verfolgungsjagd zum Abschluss hat man in solch perfekter Form – und vor allem ganz ohne CGI-Effekte, komplett handgemacht – seit den Zeiten eines Steve McQueens in Bullitt nicht mehr gesehen. Außerdem gelingt es Tarantino hier einmal mehr, mit seinen selbstreferenziellen Spielereien das Genre nicht nur zu kopieren, sondern ihm komplett neue Seiten abzugewinnen. Spoiler! Wie es ihm in der letzten Viertelstunde gelingt, den „Schwarzen Mann", den psychopathischen Killer Stuntman Mike der Lächerlichkeit preiszugeben, ihn plötzlich als weinerliches Muttersöhnchen zu denunzieren, ist schlichtweg genial. Vor allem die ständigen Perspektivwechsel, durch die die Täter- und Opferrollen lustig durcheinander gewürfelt werden, sind perfekt getimt und dramaturgisch brillant. Spoiler Ende!

    Die Trailer: Da es auch in den originalen Grindhouse-Vorstellungen stets Vorschauen zu kommenden Attraktionen zu bewundern galt, hat es sich das Tarantino/Rodriguez-Duo natürlich nicht nehmen lassen, auch ein paar eigene Fake-Trailer für ihr Double-Feature zu produzieren. Noch vor Planet Terror flimmert so ein Preview zu Robert Rodriguez´ „Machete" über die Leinwand – ein verratener Mexikaner (Danny Trejo) begibt sich auf einen brutal-blutigen Rachefeldzug. Dabei stellt sich dank der täuschend echt auf alt getrimmten Farbdramaturgie und den ultracoolen Onelinern („You just fucked with the wrong mexican!") sofort das richtige 70th-Feeling ein. Zwischen den beiden Feature-Filmen finden sich dann noch einmal drei weitere Trailer, für die sich das Regie-Duo befreundete Filmemacher mit ins Boot holte. Gut, aber insgesamt doch am schwächsten präsentiert sich Edgar Wrights (Hot Fuzz, Shaun Of The Dead) „Don´t!". Die Vorschau zu einem typischen Spukhaus-Horror hat eine nette Grundidee, fügt dieser dann allerdings auch nicht mehr allzu viel hinzu. Noch wesentlich absurder und trashiger kommt da schon Rob Zombies (Haus der 1000 Leichen, The Devil´s Rejects) „Werewolf Women Of The SS" daher. Bei dem Titel muss man wohl nicht mehr allzu viel anmerken, außer dass Udo Kier als Franz Hess und Nicolas Cage (!) als Fu Manchu (!!) mitwirken. Als am stärksten erweist sich schlussendlich Eli Roths (Hostel, Cabin Fever) Slasher-Preview „Thanksgiving". Vor allem die Szene mit einer sich entblößenden Cheerleaderin, einem Trampolin, einem Spagat und einem sehr langen Messer bereitete der MPAA, dem amerikanischen Pendant zur FSK, schlaflose Nächte.

    Fazit: Die Double-Feature-Fassung von „Grindhouse" ist in erster Linie darauf angelegt, ein traditionelles, aber leider ausgestorbenes Underground-Kino-Feeling wieder auferstehen zu lassen. Und so muss man bei der Bewertung nun auch zuallererst auf den Erlebnischarakter einer solchen Grindhouse-Vorstellung abzielen, die Frage nach der eigentlichen filmischen Qualität wird dann erst viel stärker in den Vordergrund rücken, wenn Planet Terror und Death Proof als einzelne Filme die deutschen Lichtspielhäuser erreichen. Und was soll man zu den Event-Qualitäten noch groß sagen, außer dass es Quentin Tarantino und Robert Rodriguez kongenial gelungen ist, das ganz besondere 70th-Exploitation-Hochgefühl in die modern eingerichteten Kinosäle des neuen Millenniums hinüberzuretten. Als einziger winziger Wehrmutstropfen erweist sich so lediglich die Reihenfolge: Mit Tarantinos dialogreichem Death Proof zu beginnen und dann Rodriguez´ temporeiches Splatterfest Planet Terror anschließen zu lassen, wäre sicherlich die bessere Alternative gewesen.

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