"Der fremde Sohn" war ein von mir heiß erwarteter Film, nachdem ich Trailer und erste Pressekritiken gelesen hatte, die sehr vielversprechend waren. Jedoch bin ich ein wenig enttäuscht vom Film. Hatte mir mehr Dramatik und eine intensivere Story versprochen. Insgesamt ist zwar ein guter Film entstanden, der meiner Meiunung nach aber einige Schwächen in der Story aufweist.
Die Mode und Technik (Autos, Straßenbahnen etc.) sind sehr authentisch dargestellt und man fühlt sich wirklich in die 20er Jahre hineinkatapultiert. Die Bilder und Kameraeinstellungen passen alle sehr gut. In diesem Punkt ein Lob an die Regie.
Die schauspielerische Leistung ist durch die Bank gut, aber keiner, auch nicht Jolie, zeigt eine hervorragende Leistung. Dafür verantwortlich ist aber das Drehbuch, das nicht die Szenen oder Dialoge liefert, mit denen man emotional den Zuschauer erreichen kann. Das klappt nur bedingt, viel zu oft sind auch wenig nachvollziehbare Handlungen dabei. Jolie als Christine Collins handelt vor allem zu Beginn nicht entschlossen genug. Beinahe scheint sie ohnmächtig gegenüber der Polizei zu sein, so als ob sie sich mit der Situation abfinden will. Ich würde da wirklich austicken in so einer Situation. Erst der Pastor kann ihr da einen Weg aufzeigen...
Nun direkt zum Drehbuch. Dieses orientiert sich an dem wahren Fall. Wenn man jedoch im Internet recherchiert, stellt man einige Ungenauigkeiten fest. Das Drehbuch hat da einige Sachen ausgelassen. Zudem stellen sich dem Zuschauer einige Fragen auf: Warum nimmt Christine Collins am Bahnhof den ihr als ihren Sohn vorgeführten Jungen mit nach Hause? Wie es im Film dargestellt wird, ist es mir einfach ein Rätsel. Eine Mutter weiß sofort, ob es ihr Sohn ist oder nicht. Das hat sie auch direkt gesehen, dennoch lässt sie sich dann quasi dazu überreden, den Jungen als ihren Sohn zumindestens probeweise mit nach Hause zu nehmen. Die "2te Erleuchtung" kommt dann erst zu Hause nach dem Baden.
Insgesamt wirkte es unglaubwürdig, obwohl es sich tatsächlich so oder so ähnlich vorgetragen hat (eine plausiblere, wenn auch fiktivere Darstellung wäre besser gewesen). Eine andere Sache war das Verhalten des "falschen Walter": Hat er jetzt von sich aus gesagt, dass er Walter ist, oder hat ihn die Polizei dazu gezwungen. Im Film ist das nicht ganz klar. In der Wirklichkeit war das so, dass das von ihm aus kam, was ziemlich raffiniert und hinterhältig für einen 12 Jährigen ist.
Achtung Spoiler!!!
Nach dem Filmende fand ich merkwürdig, dass man nicht zweifelsfrei sagen konnte, ob Walter nun unter den Opfern war oder nicht. Er ist entkommen. Einige oder sogar alle Flüchtlinge bis auf David (so hieß der glaub ich) muss Gordon aber wohl wieder eingefangen und getötet haben. An den Knochenüberresten kann man (auch zur damaligen Zeit) feststellen, wie viel Opfer es gab und mit den Vermisstenfällen abgleichen. Dann weiß man zumindestens, wie viel Kinder umkamen und vll. sogar wer umkam und wer nicht. Außerdem gab es da noch den Cousin als "Mithelfer", der ja diesbezüglich auch noch mehr Klarheit schaffen kann.
In Wirklichkeit wars so, dass es da noch die Mutter von Gordon gab, die mitgeholfen hat und gestand, Walter getötet zu haben.
Spoiler Ende!!!
Fazit:
Ein insgesamt guter Film mit einigen Schwächen in der Story, der aber einen schockierenden wahren Fall mehr oder weniger genau präsentiert.