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    Fata Morgana
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Fata Morgana
    Von Christoph Petersen

    Vor einiger Zeit sickerte die Budgetabrechung von Breck Eisners Action-Abenteuer Sahara an die Presse durch, wobei vor allem der Posten über in Marokko gezahlte Bestechungsgelder einigen Wirbel auslöste. Ob auch Regisseur Simon Groß, der mit „Fata Morgana“ nach einer Handvoll Kurzfilmen nun seinen ersten abendfüllenden Spielfilm abliefert, bei den Dreharbeiten in der marokkanischen Wüste der verbreiteten Korruption Tribut zollen musste, ist nicht überliefert. Aber abgesehen vom selben Drehort entpuppt sich „Fata Morgana“ als das genaue Gegenteil des Hollywood-Blockbusters: Statt mit ausufernden Explosionen anzugeben, präsentiert dieser sich als konsequent minimalistischer Wüsten-Thriller und existenzialistisches Drama, bietet für seine kaum vorhandene Story gerade mal ganze drei Figuren auf, von denen eine nicht einmal einen Namen hat, einfach nur „der Fremde“ genannt wird. Natürlich können gerade auch solch karge Filme ihren besonderen Reiz haben, und auch „Fata Morgana“ macht mit seinem uneindeutigen Beginn Lust auf mehr. Doch auf dieses „Mehr“ wartet man leider vergeblich, zwischen der 16. und der 76. Minute passiert lediglich x-mal hintereinander so ziemlich dasselbe – und das ist auf Dauer dann doch eher langweilig.

    Daniel (Matthias Schweighöfer, Soloalbum,Kammerflimmern) hat gerade sein Staatsexamen bestanden, als Belohnung hat er sich gemeinsam mit Freundin Laura (Marie Zielcke, Süperseks, Agnes und seine Brüder) eine Reise nach Marokko gegönnt. Zu dieser gehört auch ein Ausflug mit dem Jeep in die Wüste, doch den beiden ist dieses Abenteuer nicht aufregend genug, sie verlassen die Straße, um es abseits in den Dünen miteinander zu treiben. Doch dann will der Wagen plötzlich nicht mehr anspringen, sie irren tagelang durch die Wüste. Kurz bevor ihnen das Wasser ausgeht, tauch der Fremde (Jean Hugues Anglade, Nikita, Sweat, Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr...) auf. Der geheimnisvolle, schweigsame Franzose repariert den Jeep und verspricht, das Paar wieder auf die Straße zurückzuführen. Die Fahrt dauert unerwartet lange, mehrere Tage folgen die beiden dem Franzosen auf seinem Motorrad. Es wird immer deutlicher, dass der Fremde etwas im Schilde führt, aber Daniel und Laura sind trotz allen bösen Vorahnungen weiter auf ihn angewiesen...

    Nichts, eigentlich passiert in „Fata Morgana“ so rein gar nichts. Daniel und Laura fahren dem undurchschaubaren Fremden hinterher und außer der Größe der Dünen und der Anordnung der Felsen bleibt alles beim Alten. Dabei erweist sich dieses „Nichts“ zunächst noch als überraschend spannend. Will der Fremde das junge Paar vielleicht entführen? Ist er etwa die titelgebende Fata Morgana? Oder gar eine Art Engel, der die in Wahrheit bereits verdursteten Touristen ins Jenseits geleitet? Die Deutungsmöglichkeiten sind weit gestreut und eine Zeit lang ist es wirklich unterhaltsam, sich mögliche Szenarien auszumalen. Doch irgendwann hat man jede denkbare Lösung in seiner Vorstellung durchgekaut und auf der Leinwand passiert immer noch nichts Neues. Anschließend kann man dann zwar noch eine Weile in den grandiosen Wüstenpanoramen schwelgen (wahrscheinlich hätte auch ein taubstummer Blinder in dieser fantastischen Umgebung nicht allzu viel falsch machen können, aber die kräftigen Bilder von Kameramann Peter Steuger sind schon extrem beeindruckend ausgefallen), doch spätestens dann verliert man so langsam das Interesse und bohrende Langeweile gewinnt immer mehr die Oberhand.

    Spoiler: Die Auflösung, die uns Groß schlussendlch präsentiert, lässt den Zuschauer dann endgültig enttäuscht zurück. Groß erklärt seinen Film folgendermaßen: „Es geht um den Umgang des Pärchens mit der Bedrohung der Wüste und ihrem Verhalten gegenüber dem undurchschaubaren Fremden. Durch mangelnde Kommunikation untereinander und mit dem Fremden sowie durch ihre unterschiedliche Wahrnehmung wird ihr naiver Traum von einem abenteuerlichen und romantischen Ausflug in die Wüste zu einem Drama. Die beiden handeln unreif, ihre Beziehung ist nicht gefestigt und kann der äußeren Bedrohung nicht standhalten. Würden sie besser miteinander kommunizieren und ihre unterschiedliche Wahrnehmung insbesondere in Bezug auf den Fremden abgleichen, ließe sich das Drama in diesem Ausmaße verhindern. Die Gefühle von Angst, Eifersucht und Unsicherheit würden verschwinden. Das Spiel des Fremden mit den beiden wäre verdorben.“ Dieser rein kommunikationspsychologische Ansatz haut aus mehreren Gründen einfach nicht hin. Zum einen mischt Groß immer wieder surreal anmutende Szenen in seinen Film, auch dass der Fremde plötzlich ohne Motarrad vor den beiden in der verlassenen Wüstenstaat angekommen ist, lässt auf einen übersinnlichen Umstand schließen – im Nachhinein entpuppen sich all diese überstilisierten Szenen als Publikumsverarsche. Weiter ist Groß´ Deutung wohl so ziemlich die letzte, die einem beim Sehen in den Sinn gekommen wäre, er hat also auch noch an seiner angedachten Aussage vorbeiinszeniert. So wird aus dem minimalistischen Thriller mit der letzten Einstellung doch noch eine kopflastige Parabel, schade eigentlich. Spoiler Ende!

    Fazit: Regie-Neuling Simon Groß gelingt es überraschend lange, die Spannung mit seinem minimalistischen Konzept auf einem ordentlichen Niveau zu halten. Doch allerspätestens im letzten Drittel, wenn endgültig klar wird, dass mit „Fata Morgana“ eigentlich nur eine verquaste Parabel erzählt werden soll, fällt die Dramaturgie wie ein Kartenhaus in sich zusammen – und dann können auch die schicken Wüstenbilder nicht mehr über die immer stärker in den Vordergrund drängenden Längen hinwegtäuschen.

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