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    Pippa Lee
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Pippa Lee
    Von Björn Helbig

    Besondere Frauen sind eine Spezialität der Berlinale. Vor zwei Jahren spielte sich Marianne Faithful als Irina Palm in die Herzen der Zuschauer, und 2008 erfreute Sally Hawkins als Frohnatur Poppy in Mike Leighs Happy-Go-Lucky, während Tilda Swinton als Titelfigur in Julia von Erick Zonca erschreckte. 2009 schickt Regisseurin Rebecca Miller eine weitere bemerkenswerte Frauenfigur ins Rennen um die Gunst des Publikums. Die Tochter des Bühnenautors Arthur Miller und Ehefrau von Oscarpreisträger Daniel Day-Lewis präsentiert ihr Drama „The Private Lives Of Pippa Lee“ außer Konkurrenz im Berliner Wettbewerb. Mit den genannten Damen kann die von Robin Wright Penn dargestellte Pippa aber leider nicht ganz mithalten, dafür ist das Konzept des Films trotz guter Ansätze und unterhaltsamer Passagen insgesamt zu unausgewogen.

    Pippa Lee (Robin Wright Penn), eine Frau in der Lebensmitte und Mutter zweier erwachsener Kinder, zieht mit ihrem dreißig Jahre älteren Mann, dem Großverleger Herb (Alan Arkin) von New York in ein ruhiges Dörfchen in Connecticut. Der mittlerweile 80-Jährige will nach drei Herzinfarkten etwas kürzer treten. Pippa unterstützt Herb nach Kräften und versucht sich in das Leben der Kleinstadt einzugewöhnen. Sie besucht einen Töpferkurs und ist eine hilfsbereite Nachbarin. Gelegentlich lässt Pippa ihre Gedanken schweifen und verliert sich in Erinnerungen an ihre schwierige Kindheit: Als Teenager (Blake Lively) verließ sie wegen der Drogensucht von Mutter Suky (Maria Bello) ihr Zuhause und fand kurzzeitig Unterschlupf bei einer Tante. Aber auch dort hielt sie es nach einem kleinen Zwischenfall mit deren Freundin Kat (Julianne Moore) nicht lange aus. In die Künstler- und Drogenszene abgerutscht, ließ sich Pippa eine Zeit lang ziellos von einem Tag zum nächsten treiben – bis sie Herb kennen lernte und mit ihm ein neues Leben begann. Doch hier und heute in Connecticut ist sich Pippa nicht mehr ganz sicher, ob sie den richtigen Weg eingeschlagen hat.

    Selbst nach spürbar fortgeschrittener Laufzeit ist unklar, um was für eine Sorte Film es sich bei „The Private Lives Of Pippa Lee“ eigentlich handelt. Es dauert eine ganze Weile, in der sich tragische, melancholische und amüsante Momente abwechseln, bis das zentrale Thema des Films etabliert ist. Am Anfang scheint Pippa ihr Ziel erreicht zu haben: Sie liebt und bewundert ihren älteren Ehemann, der sie aus ihrer bisherigen Misere gerettet hat. Doch mit der Ankunft im Rentnerparadies beginnt Pippa sich ihrer Vergangenheit zu stellen, und ihre Überzeugung, am richtigen Ort zu sein, bröckelt allmählich. Von nun an geht es um Pippas ganzes Leben, ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – Bestandsaufnahme und Selbstfindungsprozess zugleich.

    Rebecca Miller ist nicht nur Regisseurin, sondern auch Schauspielerin, Bildhauerin, Schriftstellerin, Drehbuchautorin und Malerin. Mit „The Private Lives Of Pippa Lee“ verfilmte sie ihren eigenen, im vergangenen Jahr erschienenen Roman. Doch das Multitalent wollte diesmal zuviel. Ihr nunmehr vierter Versuch als Filmregisseurin zeugt zwar an vielen Stellen von großem Können, aber Miller trifft bei weitem nicht immer den richtigen Ton und scheitert beim Balance-Akt zwischen Komödie und Drama ein ums andere Mal an ihrer Unentschlossenheit und an der fehlenden Ausgewogenheit.

    Meist herrscht ein stiller, mit dezenten Country-Klängen untermalter Erzählton vor, der nur gelegentlich durch wirklich dramatische und im letzten Drittel auch durch zwei grandiose komische Augenblicke unterbrochen wird. Wenn Pippa ihrem Mann einen Besuch im Büro abstattet und dort ihre gute Freundin Sandra (Winona Ryder) trifft, könnte dies eine Szene aus einer der besten Komödien des Jahres sein. Mit leichter Note unterhaltsam ist auch die Episode, in der sich die junge Pippa zu ihrer Tante flüchtet und dort Bekanntschaft mit deren lesbischer Freundin macht. Doch dann kommt es zur finalen Auseinandersetzung mit der Mutter und der Film nimmt kurzzeitig wieder Kurs Richtung Drama. Doch Halt! In der Handlungs-Gegenwart geht es wieder tragikomisch weiter, bis in einer Rückblende Herbs Ex-Frau Gigi (Monica Bellucci) zum Essen bittet und der Zuschauer wieder einmal nicht weiß, ob er lachen oder weinen soll. Die ständigen Stimmungswechsel lassen keine klare Haltung erkennen, Miller verzettelt sich angesichts einer Fülle von Figuren, Ideen und Ansätzen immer wieder. Viele Themen werden angesprochen: Liebe, Selbstbestimmung, persönliche Freiheit und Sinnsuche, aber auch das Altern und die Abhängigkeit von anderen Menschen. „Pippas wirkliche Freiheit am Ende besteht darin, dass sie sich ihres Lebens bewusster wird“, so Miller über ihre Figur. Wie genau die Protagonistin das schafft, darauf gibt der Film keine Antwort.

    Am besten funktioniert „The Private Lives Of Pippa Lee“ in seinen stillen, mit einem Hauch Ironie vorgetragenen Momenten, in denen der Zuschauer die von Robin Wright Penn (Inside Hollywood, Einbruch und Diebstahl) facettenreich verkörperte Pippa kennen lernt. Leider trifft Miller diesen einfühlsamen und dennoch leichten Tonfall trotz einiger hübscher Pointen nicht durchgehend. Das ist umso bedauerlicher, da der Regisseurin eine hochkarätige und weitgehend gut ausgewählte Schauspielerriege zur Verfügung stand: Maria Bello (The Cooler, A History Of Violence) überzeugt als speedabhängige Mutter genauso wie Monica Bellucci (Pakt der Wölfe, Shoot 'Em Up), Winona Ryder (Zeit der Unschuld, Durchgeknallt) und Julianne Moore (Boogie Nights, Die Stadt der Blinden), die kurze, aber prägnante Auftritte haben. Vor allem Alan Arkin (Little Miss Sunshine, Sunshine Cleaning) macht als alternder Verleger eine sehr gute Figur. Nicht ganz passend hingegen ist Keanu Reeves besetzt. Den 35-jährigen Nachbarssohn mit Jesus-Fetisch werden dem Matrix-Star nur wenige abnehmen.

    Fazit: Auch wenn Regisseurin und Autorin Rebecca Miller nicht immer den richtigen Ton trifft und zu unentschlossen zwischen den Themen und Stimmungen des Films pendelt, ist „The Private Lives of Pippa Lee“ insgesamt doch ein unterhaltsamer und gut gespielter Film mit einer starken weiblichen Hauptfigur.

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