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    Vertrauter Feind
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Vertrauter Feind
    Von Ulrich Behrens

    Alan J. Pakulas letzter Film ist nicht unbedingt sein bester. Pakula (*1928) starb 1998 an den Folgen eines Autounfalls. Ich erinnere mich noch gut an eines seiner Meisterwerke, „All the President’s Men“ („Die Unbestechlichen“, 1976), in denen er die Aufdeckung des Watergate-Skandals thematisierte (weitere Filme Pakulas: „Sophies Entscheidung“, 1982; „Aus Mangel an Beweisen“, 1990; „Die Akte“, 1993).

    „Vertrauter Feind“ („The Devil's Own") ist einer jener Möchtegern-Politik-Filme, die vor Klischees in allen denkbaren Formen nur so strotzen und das Plakative der Dichte einer guten Erzählung ebenso vorziehen wie die „schillernden“ Standard-Figuren des Hollywood-Kinos der charakterlichen Feinzeichnung. Dadurch verkommt jede Geschichte zum schnell vergessenen „Thema“, zur eintägigen „Schlagzeile“ und ihre Akteure geraten in den Strudel des schlechten Marionettentheaters. Harrison Ford spielt den New Yorker Polizisten Tom O’Meara, mit lupenreiner Weste, liebenswerter Familie und dem Hang zum Helden des Alltags. O’Meara, irischer Abstammung, nimmt durch Vermittlung des (heimlichen?) IRA-Sympathisanten Peter Fitzsimmons (George Hearn) ein führendes Mitglied der bewaffneten nordirischen Armee, Frankie McGuire (Brad Pitt), in seinem Haus auf, ohne allerdings dessen Identität zu kennen. Frankie nennt sich Rory Devaney. Er musste Belfast verlassen, weil die britischen Verfolger ihm dicht auf den Fersen waren.

    In New York will er über den Waffenhändler Billy Burke (Treat Williams) Stinger-Raketen kaufen, um sie dann nach Nordirland zurückzubringen. Kontaktfrau zur IRA in Belfast ist Megan Doherty (Natascha McElhone). Frankie fühlt sich zusehends wohl bei O’Meara, seiner Frau Sheila (Margaret Colin) und beider Kinder. Zwischen Tom und Frankie / Rory entsteht fast eine Art Freundschaft.

    Tom steht eines Tages vor dem Problem, seinen langjährigen Kollegen und Freund Edwin Diaz (Ruben Blades) zu schützen oder bei den Vorgesetzten zu verraten, weil Diaz bei einer Verfolgungsjagd einen unbewaffneten verdächtigen Dieb von hinten erschossen hat. Frankie hingegen bekommt Probleme mit dem Waffenhändler, weil der geplante Kauf der Raketen ungeahnte Schwierigkeiten mit sich bringt. Burke besteht auf der Bezahlung der Raketen.

    Eines Tages tauchen bewaffnete Männer bei den O’Mearas auf und bedrohen Toms Frau Sheila. Dann entdeckt Tom das viele Geld, das Frankie in seinem Haus versteckt hat ...

    Die moralisch-oberflächliche Impertinenz, mit der Pakula sein Publikum in den Bann einer Geschichte zu ziehen versucht, die so gar nichts an Peinlichkeiten auslässt, ist fast schon grotesk. Der Film beginnt mit einer Szene, in der Frankies Vater, Mitglied der IRA, von einem maskierten Mörder vor den Augen der Familie beim Essen getötet wird. Dies scheint Anlass genug, um Frankie selbst später als IRA-Mitglied vorzuführen – eine Rachekarriere sozusagen bis ans Lebensende. Doch Pakula erspart sich und uns leider, auf den komplizierten Konflikt in Nordirland auch nur ansatzweise einzugehen. Dass hier jahrzehntelange Auseinandersetzungen, auch aus der Kolonialgeschichte Großbritanniens bis in die Gegenwart hinein Wirksamkeit entfalten, interessiert den Film nicht. Dass sich der Konflikt als solcher zwischen irlandorientierten Katholiken und Empire-orientierten Protestanten entlang entfaltet hat, wird nicht einmal erwähnt. Dass sich die Bedingungen, unter denen sich die Auseinandersetzungen seit dem 19. Jahrhundert abspielen, immer wieder geändert haben, scheint unwichtig. Brad Pitt ist einfach ein armer Teufel, der angesichts der Ermordung seines Vaters selbst die Waffe in die Hand genommen hat, um sich an englischem Geheimdienst und Militär zu rächen. Nicht einmal die von der IRA und Sinn Fein immer wieder geforderte Vereinigung Ulsters mit Irland scheint für Pakula Bedeutung gehabt zu haben, ebensowenig wie die jahrezehntelangen Bemühungen um eine friedliche Beilegung des Konfilkts.

    Demgegenüber montiert der Regisseur einen irisch-stämmigen Amerikaner (dessen Herkunft für den Film allerdings überhaupt keine Bedeutung hat) in die Handlung, der eine Art Ausgeburt moralischer Integrität verkörpert – eine reine, unbefleckte Seele, die selbst in einen Konflikt getrieben wird, als Kollege Diaz einen tödlichen Fehler begeht. Das alles wirkt derart künstlich und stellenweise auch kalt, dass die Gespräche zwischen Tom und Rory alias Frankie ihre aufgesetzte moralinsaure Wirkung nicht verfehlen dürften.

    Schwierig genug, bei solchen Voraussetzungen das Zusammenkommen der beiden Protagonisten zu organisieren. Und selbst das ging im wahrsten Sinn des Wortes total in die Hose. Dass ein intelligenter und integrer Polizist à la Harrison Fords Tom mir nichts dir nichts sich einen Iren ins Haus setzen lässt, von dem er absolut nichts weiß, noch dazu von einem Mann wie Fitzsimmons, der mehr oder weniger offen mit der IRA sympathisiert, ohne auch nur ein, zwei oder drei Fragen zu stellen, überschreitet die Grenze der Glaubwürdigkeit. Dazu kommen Szenen zwischen Frankie und dem Waffenhändler Burke, die kaum simpler hätten gedreht werden können. Burke wird als dämlicher, draufgängerischer Tölpel gezeigt, der mit Gewalt reagiert, wo Intelligenz gefragt wäre. Das hat TV-Serien-Niveau. Natascha McElhone als Kontaktfrau zur IRA in Belfast verliebt sich „natürlich” in den smarten Frankie-Boy, so dass auch dieser – für die Handlung allerdings völlig unnötige – Aspekt noch ein paar Minuten füllt.

    Am fragwürdigsten bleibt jedoch die dubiose Moral bzw. die Verwirrung, die der Film hier anstiftet. Frankie, der mehr als 20 Menschen getötet hat, wird als sympathischer Mann dargestellt, den Tom von der Verwerflichkeit seines Handelns überzeugen will nach dem Motto: So was tut man nicht, egal, was passiert ist. Der englische Geheimdienst wird plakativ als mordende Truppe hingestellt, vor der Tom Frankie schützen will. Und am Schluss setzt Pakula dem Ganzen die Krone auf, indem er Frankie in einem herunter gekommenen Schiff zeigt, mit dem er samt Stinger-Raketen über den Atlantik schippern will – ich fasse es nicht!

    Keiner ist gut und keiner ist böse, irgendwie sind alle sympathisch – bis auf den aus der Klischeedose in Hollywood geholten Secret-Service-Mann, der Frankie ermorden will, und den dummdreisten Waffenhändler. Das alles hat mit dem Nordirland-Konflikt so viel zu tun wie Britney Spears mit den Problemen ukrainischer Bauern: nichts – gespickt mit einer fragwürdigen Moral, die es eigentlich nur an einem Ort gibt: im Kino. Selbst Ford und Pitt sollen den Film ob dieser Probleme kritisiert haben. (Zuerst erschienen bei CIAO)

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