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    Ghettogangz 2 - Ultimatum
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Ghettogangz 2 - Ultimatum
    Von Jens Hamp

    Luc Besson (Léon, der Profi) produzierte 2004 den Actionfilm Ghettogangz, der vor allem aufgrund seiner rasanten Parcours-Szenen für Aufsehen sorgte. Trotzdem war zwischen den Zeilen eine – popcorngerechte – Kritik an der seit mehreren Jahrzehnten praktizierten Integrationspolitik der französischen Regierung kaum zu übersehen. In Vororten zusammengepfercht fristen Immigranten im realen Frankreich ihr Dasein. In Bessons Zukunftsvision wird diese Aussichtslosigkeit noch übererhöht: Das Viertel Banlieue 13 ist von einer mehreren Meter hohen Betonmauer umgeben. In der Realität eskalierte die Rebellion jugendlicher Immigranten 2005 in Aufständen, während deren Verlauf mehr als 9.000 Autos zerstört und fast 3.000 Personen festgenommen wurden. Selbst die bauliche Ausgrenzung eines Stadtteils ist längst kein unvorstellbarer Gesellschaftsalbtraum mehr: Aufgrund der hohen Kriminalitätsrate ließen die Oberen der italienischen Stadt Padua innerhalb von zwei Tagen eine drei Meter hohe Stahlwand empor ziehen. Der umzäunte Häuserblock war nur noch über Kontrollpunkte erreichbar, die ansässigen Immigranten wurden innerhalb eines Jahres umgesiedelt. Auch die Fortsetzung „Ghettogangz 2 – Ultimatum“ weist nun eine brisante gesellschaftspolitische Note auf. Allerdings vergisst Regisseur Patrick Alessandrin („Der kleine Scheißer“) darüber, dass sein Film vorrangig ein stringenter High-Speed-Actioner sein sollte.

    2016: Die Versprechungen der Politiker, die ghettoartige Situation im Banlieue 13 zu verbessern, erwiesen sich als hohle Phrasen. Noch immer wird das von einer riesigen Mauer umgebene Viertel von fünf Gangs kontrolliert und ist den gutsituierten Parisern ein Dorn im Auge. Daher inszeniert die korrupte DISS-Einheit die Tötung von Streifenpolizisten und schiebt sie den Banlieue-Bewohnern in die Schuhe. Die daraus resultierenden Unruhen will der Anführer der Spezialeinheit Walter Gassman (Daniel Duval, Caché) nutzen, um das Banlieue-Problem ein für allemal in die Luft zu jagen. Mit einer endgültigen Zerstörung des Viertels sind Cop Damien (Cyril Raffaelli, Stirb langsam 4.0) und Extremsportler Leito (David Belle, Femme Fatale) allerdings überhaupt nicht einverstanden. Sie setzen alle Hebel in Bewegung, um den französischen Präsidenten von Gassmans wahren Absichten in Kenntnis zu setzen…

    Obwohl „Ghettogangz 2“ mit seinem sozialkritischen Hintersinn mühelos auch ein erwachsenes Publikum ansprechen könnte, werden die Figuren zeitweise in ein festgezurrtes Dicke-Hose-Korsett gezwungen. Da fällt es dann schwer, dem Film ohne schamrotes Gesicht zu folgen. Der arabische Gangsterboss spuckt mit Körperflüssigkeiten und Schimpfworten um sich, die Mädels sitzen Lolli lutschend in der Ecke und der Bass wummert, wenn die farbigen Gangster breitbeinig heran schreiten. Damit schließlich auch jeder Möchtegerngangster die hundsgemeinschwierige Handlung versteht, erfolgt der Hinweis auf die Knackpunkte stets mit einem Holzhammer, dessen Wucht einen aus den knietiefen Baggypants haut.

    Der geneigte Actionfan wird einwenden, dass es in diesem Genre nicht notgedrungen auf die Handlung und deren Komplexität ankommt. Ordentlich krachen muss es. Halsbrecherisch sollten die Verfolgungsjagden der Traceurs sein. Leider braucht Patrick Alessandrin einige Zeit, um diesen Anspruch zu erfüllen. Krampfhaft versteift er sich auf die von Luc Besson verfasste Handlung. Den Adrenalinspiegel feuert er hingegen mit einer Flucht Leitos über eine Ebene ohne jedes Hindernis an. Der Gipfel der Ereignislosigkeit ist allerdings eine Szene, in der Damien bemerkt, dass er seinen Haustürschlüssel vergessen hat – und nach einem Schnitt urplötzlich zum Fenster seiner Wohnung einsteigt.

    Die auf ein Minimum reduzierten Parcours-Elemente bestechen nur in einem längeren Lauf Leitos über die Dächer des Banlieues 13. Ansonsten konzentriert sich Alessandrin vor allem auf die Kampfeskünste Cyril Raffaellis, der schon seit zehn Jahren in den Besson-Produktionen für die Stunt-Koordination zuständig ist. Aufgrund der geringen Variationen hauen aber auch die Handkantenkämpfe nur selten aus den Socken. Wirklich sticht allein eine Autofahrt durch das zweite Stockwerk der Polizeibehörde heraus. Über eine Rampe durchbrechen Leito und Damien die Fensterscheiben, heizen über die Flure und fahren schließlich mit vollem Schmackes durch eine Mauer auf die Straße. Einziger Wermutstropfen dieser Szene: Die Computermontage ist zu leicht auszumachen.

    Dass „Ghettogangz 2 – Ultimatum“ trotz aller Mängel dennoch Spaß bereitet, liegt sicherlich an der Inszenierung, die keine Ruhe aufkommen lässt. Bereits in der Eröffnungsszene werden die einzelnen Gangs mit schnellen Kamerafahrten in den engen Gassen des Banlieues vorgestellt. Mit energiereicher HipHop-Musik unterlegt Alessandrin die rastlos gefilmten Actionszenen und die Hauptdarsteller sind trotz schauspielerischer Limitierungen weiterhin sympathisch. Aufgrund der verschenkten Fähigkeiten der Traceurs wird alteingesessenen Genrehasen allerdings nur selten der Mund vor Staunen offenstehen.

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