Ob es um die „Die Kunst zu lieben" geht, um das Kunststück, als „Tomboy" aufzuwachsen oder um einen Besuch im „Haus der Sünde" – in vielen französischen Filmen der jüngeren Vergangenheit wurde ein betontes Understatement gepflegt, jene angeblich typisch europäische Unaufgeregtheit des Erzählens von Dingen wie Sexualität und Zweisamkeit, bei der auf spekulativ-spektakuläre Bilder ebenso wie auf aufgesetzte große Gefühle verzichtet wird. In diesen angenehmen Trend reiht sich das mit leisem Humor garnierte Drama „17 Mädchen" der Schwestern Delphine und Muriel Coulin ein, das auf einer wahren Begebenheit basiert: Im Jahre 2008 wurden an einer Highschool in Massachusetts 18 Mädchen schwanger, mehr als vier Mal so viele wie in den Jahren zuvor, und schnell machte das Gerücht vom „Pregnancy pact" die Runde – obgleich es eine Absprache der Jugendlichen wohl nie gegeben hat. Bei ihrer filmischen Umsetzung unterlaufen die Coulins elegant das kinotypische „Larger than life"-Pathos und verzichten darauf, das Thema sensationslüstern auszuschlachten. Letztendlich wird das starke Konzept dann aber doch so arg harmlos inszeniert, dass die Sehnsüchte der Figuren nur beiläufig angerissen bleiben, statt mit der geballten Kraft der Utopie ausformuliert zu werden.
In Lorient, einer wenig einladenden Hafenstadt in der Bretagne, gefangen im postindustriellen Zerfall, zeigt Camille (Louise Grinberg), eine attraktive und beliebte 16-Jährige, den Mädchen in ihrem Umfeld durch ihre plötzliche Schwangerschaft eine reizvolle Alternative auf. Die Außenseiterin Florence (Roxane Duran) überrascht als nächste mit der gleichen Nachricht und allmählich will Camilles ganze Clique mitziehen. Wäre es nicht wunderbar, wenn man ausbrechen könnte aus den familiären Zwängen und sich zusammentäte in einer Art Kommune, ein Leben unter Freunden, in dem man gemeinsam den ganzen Haufen Kinder großzöge?
Die Treffen der Mädchen, ihr gemeinsames Träumen, daheim, am Strand oder bei einer Party, wo einige ihr Vorhaben in die Tat umsetzen wollen, sind das Herzstück der Erzählung. Aus dem spielerischen, neckenden Miteinander der Figuren gewinnt der Film seine schönsten Szenen – junge, teils schon rundliche Körper hocken, stehen, liegen da nebeneinander und die Mädchen verlieren sich im entspannten Gespräch. So ist die Körperlichkeit das Medium dieser sanften Rebellion, mehr als einmal laufen ein paar verloren wirkende Mädchen, von deren tatsächlichem Selbstbewusstsein man ja weiß, in exemplarischen Bildern an den langen Mauern der Industrieruinen entlang, einer öden, von Menschenhand geschaffenen steinernen Brache. Doch letztlich bleiben die Ahnungen des Ausbruchs und der Selbstbestimmung allzu sachte, während die familiäre Lieblosigkeit und die mangelnden beruflichen Perspektiven nicht so einengend wirken wie sich vermuten und erwarten ließe.
Das Regie-Duo nimmt sich zwar Zeit, die Seelenzustände der Protagonistinnen zu erkunden und verrät die Figuren nie an Kitsch oder Krawall, verzichtet aber darauf, die skizzierten Konflikte dramaturgisch konsequent weiterzuverfolgen. Eine Ausnahme bildet die Schilderung des latent gewalttätigen Elternhauses der kindlichen Clémentine (Yara Pilartz) – die unter dem Druck der Umstände getroffene Entscheidung, das Mädchen in einem alten, zugigen Wohnwagen unterzubringen und so schon vor der Niederkunft die Kommune einzuläuten, könnte dabei bereits den Anfang vom Ende dieses schönen Projekts bedeuten. Abgesehen von diesem Handlungsstrang ist die ruhige Erzählweise der Coulins wenig packend, weder Freude noch Not werden so richtig greifbar. Im unbewegt rätselhaften Gesicht der vorzeigeschwangeren Louise Grinberg zeichnen sich Faszination und Dilemma dieses Films ab, der Stil, Eleganz und Leichtigkeit zuhauf hat, dabei aber wenig Verführungskraft.
Fazit: Die Coulins erzählen einfühlsam und nahe an ihren Figuren, deren Hoffnungen und Ängste aber nicht klar genug ausformuliert werden. Das mag der diffusen Stimmung der Protagonistinnen entsprechen, sorgt aber auch dafür, dass „17 Mädchen" selten wirklich packt.