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    Mein Leben - Marcel Reich-Ranicki
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Mein Leben - Marcel Reich-Ranicki
    Von Christian Horn

    Mehr Goethe und Shakespeare forderte Marcel Reich-Ranicki in seiner geifernden Fernsehpreis-Ansprache für das deutsche TV-Programm. Nun, für den Anfang wird es wohl auch ein wenig Reich-Ranicki tun: Basierend auf der gleichnamigen Autobiographie des umstrittenen Literatur-Papstes behandelt der Fernsehfilm „Mein Leben“ von Dror Zahavi (Alles für meinen Vater) die frühen Jahre Reich-Ranickis. Im Mittelpunkt steht dabei die Verfolgung durch die Nazis im Zweiten Weltkrieg, Reich-Ranickis Deportation in ein Warschauer Ghetto und die Flucht aus demselben gemeinsam mit seiner großen Liebe Tosia. Matthias Schweighöfer (Der rote Baron, Keinohrhasen), der auch schon mal den „Schiller“ gespielt hat, gibt den Reich-Ranicki ganz ohne Akzent, ohne Lispeln und ohne Geifern – was aufgrund der unzähligen Reich-Ranicki-Parodien wohl unumgänglich war. Leider rettet das das Werk auch nicht. In typischer Biopic-Art arbeitet der Film sich episodisch an Reich-Ranickis Leben ab, wobei der polnische Literatur-Kritiker als völlig makelloser, letztlich grundlangweiliger Charakter gezeichnet wird – redselige Beweihräucherungen inklusive.

    Die Rahmenhandlung besteht aus einem Verhör in der Nachkriegszeit, in dem der polnische Geheimdienst Ranicki auf den Zahn fühlt – ein Gespräch, das so im Übrigen nie stattgefunden hat. Ranicki erzählt dem polnischen Parteigenossen aus seinem Leben, wie er als kleiner Junge nach Berlin zu seinem Onkel gekommen ist, wo er das Theater und die Literatur lieben lernte. In Rückblenden bereitet der Film die wichtigsten Stationen aus Ranickis jungen Jahren auf, wobei der Schwerpunkt auf der Judenverfolgung durch die Nazis liegt. Eigentlich will Ranicki, der damals noch auf den Nachnamen Reich hört, in Berlin studieren. Stattdessen wird er in ein Warschauer Ghetto verfrachtet und seine gesamte Familie von dort aus ins Vernichtungslager deportiert. Nur Marcel und seine Frau Tosia (Katharina Schüttler, Die Eisbombe) können in letzter Sekunde entkommen und finden bei einer polnischen Familie Unterschlupf.

    Der ganze Film ist freilich darauf ausgelegt, den Ursprüngen der Ranickischen Karriere als Literatur-Kritiker nachzuspüren. So ist die filmische Biographie voll von Anspielungen auf Reich-Ranickis weiteren Lebensweg und dabei stets bemüht, die Liebe seiner Hauptfigur zur Literatur zu exponieren. Als kleiner Junge wird Marcel in der Schule gehänselt, weil er nicht so gut deutsch sprechen kann. Nur Karl Mays „Winnetou“ verschafft ihm ein wenig Trost und so liest er sich vor dem Einschlafen eifrig in eine andere Welt. Als Abiturient ist er dann einer der Klassenbesten und kennt sich besonders gut mit den deutschen Klassikern aus. Auf die Frage seines Lehrers, welches Buch von Thomas Mann er für den Einstieg empfehlen würde, antwortet er: „Buddenbrooks“. Als Reich-Ranicki Berlin schließlich verlassen muss, darf er nur ein Buch mitnehmen. Auf der Bahnfahrt nach Warschau liest er es und stellt fest: „Ich habe das falsche Buch mitgenommen. Er ist sehr zäh, dieser Balzac.“ Kritiker werden will er, das steht schon in jungen Jahren fest. Und die Leute an gute Literatur heranführen. Ob das alles so gewesen ist, darf angezweifelt werden. Jedenfalls grenzt es schon an Glorifizierung, dass Reich-Ranicki ohne jede Macke dargestellt wird. Er tut immer das Richtige, ist stets überlegt, beherrscht, charmant und tugendhaft. Er kann einem schon mal zum Hals raushängen, dieser nachdenkliche Bücherwurm.

    Die gelackte Inszenierung von Regisseur Dror Zahavi verleiht der Darstellung Reich-Ranickis den passenden Hintergrund. In opulent ausgestatteten Bildern, wie sie das deutsche Qualitätskino stetig reproduziert, werden die Wirren des Nazi-Regimes eingefangen. Ansonsten erfüllt Zahavi brav die Ansprüche an eine Fernsehproduktion: Alles - aber auch wirklich alles - wird ausgesprochen. Sei es durch den Off-Kommentar oder die redseligen Dialoge – dass ein Film interessanter wird, wenn der Zuschauer sich sein eigenes Bild von der Handlung und den Figuren machen kann, scheint Zahavi nicht zu interessieren. Das alles trägt zur zermürbenden Langeweile bei, die der Film ausstrahlt. Dramatische Musik, imposante Aufnahmen aus der Vogelperspektive (die keinen besonderen Zweck erfüllen) und ein durch die Kostüme und Kulissen genährter Schauwert bestimmen die Ästhetik des Films. Zwischendurch führen dokumentarische Aufnahmen in den historischen Kontext ein.

    Marcel Reich-Ranicki selbst fand den Film „fantastisch“. Kein Wunder, so fantastisch wie er selbst dort dargestellt wird. Vielleicht wäre der Film besser geworden, wenn die einzelnen Stationen aus Reich-Ranickis Leben nicht episodisch nacheinander gestaffelt worden wären. Ein wenig filmische Dichtung hätte dem Biopic sicherlich gut getan, ein bisschen weniger Eindimensionalität ebenfalls. So bleibt nur eines festzustellen: Er ist sehr zäh, dieser Reich-Ranicki-Film.

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