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    Knight Of Cups
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Knight Of Cups
    Von Andreas Staben

    Bei der Pressekonferenz zu Terrence Malicks fragmentarischem Sinnsuche-Bilderbogen „Knight of Cups“ auf der Berlinale 2015 gab Hauptdarsteller Christian Bale unumwunden zu, dass er nicht so recht wisse, worum genau es im nunmehr siebten Spielfilm des legendären Regisseurs eigentlich gehe. Die Aussage entpuppt sich angesichts des Films als reine Koketterie, denn so wie schon „Der schmale Grat“, „The Tree Of Life“ oder zuletzt „To the Wonder“ eben doch relativ offensichtliche Themen hatten, ist auch „Knight of Cups“ ganz und gar nicht unverständlich. Malick folgt nur wie gewohnt keiner konventionellen Handlungsdramaturgie, sondern erzählt in seiner eigenen indirekten, philosophisch aufgeladenen Art – dieses Mal von Hollywood selbst oder zumindest von einer Idee namens „Hollywood“. Trotz einmal mehr atemberaubender Kameraarbeit und viel feierlicher Musik ist von der spirituellen Wärme und vor allem von der Menschlichkeit der Vorgängerfilme jedoch kaum noch etwas zu spüren. Malick bleibt seinen künstlerischen Überzeugungen ohne Zweifel treu, dennoch stolpert er auf dem schmalen Grat zwischen tieferer Bedeutung und plumper Esoterik ein ums andere Mal und so wird aus „Knight of Cups“ ein oberflächlicher und weitgehend emotionsloser Film über Oberflächlichkeit und Gefühlskälte.

    Rick (Christian Bale) steht am Scheideweg. Der erfolgreiche Drehbuchautor erinnert sich an die Frauen, die in seinem Leben eine Rolle gespielt haben, an Della (Imogen Poots), an das Model Helen (Freida Pinto), an Isabel (Isabel Lucas), an seine Ex-Frau, die Ärztin Nancy (Cate Blanchett), an die Stripperin Karen (Teresa Palmer) und an die mit einem anderen verheiratete Elizabeth (Natalie Portman), die vielleicht von ihm schwanger wurde. Auch um seinen toten Bruder Billy sowie um das schwierige Verhältnis zu seinen anderen Bruder Barry (Wes Bentley) und zu seinem kritischen Vater Joseph (Brian Dennehy) kreisen seine Gedanken immer wieder, während er opulente Hollywood-Partys besucht oder an Pazifikstränden entlangschlendert.

    All die Jahre habe er das Leben von jemandem geführt, den er gar nicht kennt: So bringt es Christian Bales Drehbuchautor in der Krise aus dem Off (wieder einmal wird bei Malick deutlich mehr kommentiert und reflektiert als miteinander gesprochen) auf den Punkt und tatsächlich wirkt er etwa bei einer Freiluftparty auf dem riesigen Anwesen von Tonio (Antonio Banderas) oder beim Fotoshooting mit seiner Modelfreundin Helen fast wie ein Alien. Aber auch dem Betrachter ist er fremd. Während Ben Afflecks mit noch weniger biografischen Konturen versehener Protagonist in „To the Wonder“ trotzdem eine Figur aus Fleisch und Blut und Gefühlen ist, bleibt Ricks Leiden in „Knight of Cups“ weitgehend ein Gedankenspiel. Wenn Malick Christian Bale bei einem brillant gefilmten Erdbeben ziemlich am Anfang buchstäblich ins Taumeln geraten lässt, dann findet er sprechende Bilder für Ricks Seelenzustand – doch diese Verbindung von Ideen und Emotionen in impressionistischer Unmittelbarkeit ist in diesem Film eine Ausnahme. Und so wirkt eine ganze Reihe von Szenen trotz allem visuellen Glanz letztlich banal: Wenn etwa die Stripperin Karen (eine von mehreren leblosen Frauenfiguren, deren einzige Bedeutung darin liegt, dass sie mit Rick verbandelt waren) zu ihrem freudlosen in Neonfarben getauchten Las-Vegas-Auftritt behauptet, sie könne alles sein, was sie will, dann ist das enttäuschend offensichtlich und klischeehaft.

    Die Showgeschäft- und Los-Angeles-Satire ist bei Malick letztlich ein Randaspekt (und da sagen die ausführlichen Blicke auf die pompöse Künstlichkeit der Hotels, die kalte Architektur der Luxushäuser und die erdrückenden Fronten der Wolkenkratzer auch mehr als das prätentiöse Geraune im Kommentar), bei der philosophisch überhöhten Sinnsuche ist er eher in seinem Element und gibt uns entsprechende Hinweise: Christian Bale ist sein „Knight of Cups“ (der „Ritter der Kelche“ ist eine Tarot-Karte, weitere Karten liefern assoziative Kapitelüberschriften), er ist ein romantischer Held und Suchender, ein Pilger, der verlorene Sohn aus der Bibel und offensichtlich ein Alter ego des Regisseurs. Diese spirituell-religiöse Ebene ist deutlich interessanter als das Hollywood-Sittenbild, aber die Kontraste etwa zwischen Natur und (Über-)Zivilisation, Ozean und Swimmingpool, wie sie Malick immer wieder einfängt, wirken hier oft fast wie Selbstzitate - wenn auch tief empfundene und sinnlich reizvolle. Ähnliches gilt für den Musikeinsatz: Klänge von Pärt, Grieg und immer wieder das Hauptthema von Wojciech Kilars „Exodus“ geben dem Film ein sinnliches Fundament, aber transzendentale Sphären wie in anderen Malick-Filmen werden, obwohl offensichtlich angestrebt, nicht erreicht.

    Auch wenn der Regisseur seinem „Ritter“ mit einem späten Auftritt von Armin Mueller-Stahl als Priester (ein schwaches Echo von Javier Bardems Figur in „To the Wonder“) und mit kurzen Visionen eines Familienlebens, die vage an „The Tree of Life“ erinnern, am Ende zwei mögliche Zielpunkte der Reise aufzeigt – den Glauben und die Familiengründung –, fehlt der Suche nicht zuletzt deshalb oft die spirituelle Überzeugungskraft, weil die Figuren keine Menschlichkeit erlangen. So deutet sich etwa in der Cate-Blanchett-Episode zwar eine echte Liebesgeschichte (und die wohl einzige bedeutungsvolle persönliche Beziehung des Films außerhalb der Sohn-Vater-Bruder-Konstellation) an, aber die aufblitzenden Emotionen (die sind Natalie Portman trotz eines seltenen offenen dramatischen Konflikts kaum vergönnt), verflüchtigen sich bald in den grandiosen Aufnahmen von Malicks Stammkameramann Emmanuel Lubezki („Gravity“, „Birdman“). Wenn Christian Bale hier etwa in atemberaubenden beschleunigten Aufnahmen über den Highway rast, dann genügen sich die Bilder einfach selbst.

    Fazit: Bildgewaltiges und gewohnt fragmentarisch erzähltes Sinnsuche-Drama von Meisterregisseur Terrence Malick, das nicht an seine vorigen Werke heranreicht.

    Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2015. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 65. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.

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