Mein Konto
    Among The Shadows
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Among The Shadows

    Brexit-Werwolf-Thriller mit Lindsay Lohan

    Von Lucas Barwenczik

    Ein wenig kurios ist es schon, wenn ein Werwolf-Thriller mit einer Prognose für die Zukunft der Europäischen Union beginnt. Aber „Among The Shadows“ von Tiago Mesquita ist in jeder Hinsicht ein verwunderlicher Film. Eingangs ist man erstaunt, zum ersten Mal seit „The Canyons“ von 2013 wieder Lindsay Lohan auf der Leinwand zu sehen. Dann darüber, wie selten sie wirklich mit den anderen Darstellern im selben Raum ist. Spätestens bei der ersten Action-Szene ist man verblüfft, wie hässlich ein Film sein kann, für den angeblich ein zweistelliger Millionenbetrag zur Verfügung stand. Zuletzt fragt man sich nur noch, wie ein so inkompetent gemachter, wirrer Humbug überhaupt veröffentlicht werden konnte. Und natürlich auch, warum man ihn überhaupt angesehen hat.

    Brexit 2019, Frexit und Auflösung der EU 2020, Gründung einer Europäischen Föderation im Jahr 2021 – so erklären kurze Einblendungen die nähere Zukunft. Während gerade der Wahlkampf um das Amt des Präsidenten von Europa tobt, wird Harry Goldstein (John Flanders) ermordet. Der war Kampagnenmanager des aussichtsreichen Kandidaten Richard Sherman. Werwolf Kristy Wolfe (Charlotte Beckett), die Nichte des Opfers, versucht die Tat aufzuklären. Lieutenant McGregor (Gianni Capaldi) und Shermans Ehefrau Patrica (Lindsay Lohan) geben vor zu helfen, aber ihre tatsächlichen Absichten sind unklar. Schnell kommt Kristy einer großen Verschwörung auf die Spur.

    Lindsay Lohan ist der große Star auf dem Poster zu "Among The Shadows"

    Regisseure wie Tommy Wiseau („The Room“) oder Neil Breen („Fateful Findings“) werden von Trash-Enthusiasten vor allem deshalb geschätzt, weil ihre Filme wie von Aliens gedreht wirken. Jeder Dialog, jede menschliche Interaktion wirkt bei ihnen falsch und fremdartig. Ihre Perspektive verwandelt noch den trivialsten Moment in ein Kuriosum. Auch Tiago Mesquitas Horror-Thriller ist stellenweise von einer ähnlichen Stimmung beseelt. Seine paneuropäische Fantasiewelt wird von Menschen mit merkwürdigen Akzenten und schwer einschätzbarem Innenleben bevölkert. Das politische Szenario ist eine reine Kulisse und dient nur dazu, langweiliges Füllmaterial mit alten Herren in grauen Anzügen zu rechtfertigen. Sonderlich viel Sinn macht es ohnehin nicht: Wieso sollte das Scheitern eines losen Staatenverbunds innerhalb von einem Jahr zur Gründung eines sehr engen führen?

    Doch selbst diese abstruse Prämisse ist überzeugender als ihre filmische Umsetzung. Gianni Capaldis breites Schottisch etwa klingt, als wolle er nicht nur seine Herkunft, sondern auch den Zuschauer veralbern. Alle Schauplätze wirken künstlich und unnatürlich, wie Filmsets eben. In den wenigen und kurzen Actionsequenzen wird das Material schlimmer zerstückelt als die Opfer. Die Handkamera wackelt derart heftig, dass selbst „Bourne Verschwörung“-Regisseur Paul Greengrass traurig mit dem Kopf schütteln lassen würde, und die spärlichen Bluteffekte hätte selbst der legendär knausrige B-Movie-Kultproduzent Roger Corman („Das Pendel des Todes“) nicht abgenickt. Einmal stürmt ein Angreifer mit einem Maschinengewehr einen Raum. Zwei Hauptfiguren springen in Zeitlupe über den Tisch, während immer wieder auf den in Echtzeit schießenden Schurken geschnitten wird. Keine der Kampfsequenzen glückt, jeder Schlag und jeder Körpertreffer verschwindet in den chaotischen Montagen.

    Lindsay-Lohan-Film mit wenig Lohan

    Eine erkennbare Struktur besitzt „Among The Shadows“ nicht. Auch Kristys an den Film noir erinnernden Voiceover helfen nicht, den konturlosen Szenen irgendeine Form von Ordnung zu geben. Natürlich passieren (gelegentlich) Dinge, aber über ihren Zusammenhang kann in der Regel nur spekuliert werden. Meistens reden Menschen miteinander, in Bars, Konferenzräumen oder über Skype. Es geht dann beispielsweise um eine mysteriöse Energie-Reform, die einige Figuren befürworten und andere ablehnen. Am Ende wird sie vergessen und verschwindet sang- und klanglos aus der Handlung. Kristy verschafft sich von dem zwielichtigen Colin Haroosen (Dominik Madani) einen Zaubertrank, dessen potenzieller Effekt nur vage umrissen wird. Bei ihren Ermittlungen hilft er nicht wirklich weiter. Die bestehen ohnehin primär daraus, Fotos auf einer Pinnwand zu arrangieren. Mit einem Kollegen zieht es die Werwölfin in eine Liebesnacht, die aus dem Nichts kommt wie zuvor nur die berüchtigte Verführungs-Szene in „Shark Attack 3“.

    Ungefähr die Hälfte der Einstellungen sind Drohnenaufnahmen, die zwar einen Blick von oben, aber nie eine Orientierung erlauben. Für Establishing Shots und bestimmte Zwischeneinblendungen wird immer wieder auf Archivmaterial zurückgegriffen. Weil diese Szenen richtig ausgeleuchtet und korrekt scharfgezogen sind, stechen sie sehr deutlich heraus. Der große Star, mit dem der Film beworben wird, ist Lindsay Lohan. Mehr als zwei Drehtage kann sie dem Regisseur allerdings bei den Aufnahmen, die bereits 2015 – also vier Jahre (!) vor Veröffentlichung des finalen Films nun – nicht zur Verfügung gestanden haben, denn nur in einer einzigen Szene ist sie wirklich am selben Schauplatz wie ihre Kollegen. Meist taucht sie nur in Fernsehaufnahmen oder über Skype auf. Ulkig wird es dort, wo sie mithilfe von Greenscreen und Doubles künstlich eingefügt wird. Einmal diskutiert ihre Figur mit Kristy vor einem abstrakten Bokeh-Hintergrund. Nur, dass man bei Lohans schlecht digitalisiertem Hintergrund die groben Pixel zählen kann.

    Lindsay Lohan trifft Greenscreen

    Fazit: Man sollte einen Film nicht allein aufgrund handwerklicher und technischer Fehler abtun. Auch das vermeintlich Missglückte kann eine große Kraft und Schönheit enthalten. „Among The Shadows“ ist durch sein vollständiges Scheitern zumindest stellenweise interessant, die Inkompetenz ragt manchmal schon fast ins Avantgarde-Kino hinein. Leider sind diese Glanzmomente selten. Selbst dem ungewöhnlichen und preisgünstigen Kino Zugetane werden sich einfach nur langweilen.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top