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    Shadow
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Shadow

    Endlich wieder ein starker Zhang Yimou!

    Von Michael Meyns

    Als Schatten, so eine Texttafel am Anfang von „Shadow“, wurde im antiken China ein Doppelgänger bezeichnet, der den Platz von Königen und Nobelmännern einnahm, um diese vor Attentaten zu schützen. Von solch einem Schatten erzählt Zhang Yimou („The Great Wall“) in seinem atemberaubend ästhetischen Historien-Drama, das visuell und noch stärker inhaltlich vom Tai-Chi-Symbol (im Westen besser als Yin-Yang-Symbol bekannt) inspiriert ist. Einen epischen Action-Film wie die Zhang-Klassiker „Hero“ oder „House Of Flying Daggers“ sollte man hier aber nicht erwarten, denn trotz einiger spektakulärer Actionszenen gerade gegen Ende ist „Shadow“ in erster Linie ein komplexes Intrigenspiel, in dem der Altmeister nach Jahren eher mittelmäßiger Filme endlich wieder zu großer Form zurückfindet.

    China, zur Zeit der drei Königtümer. Das Reich Pei wird vom jungen König Pei Liang (Zhang Kai) regiert. Dieser lehnt den Rat von General Yu (Deng Chao) ab, ein benachbartes Reich anzugreifen, um die strategisch wichtige Stadt Jingzhou zurückzuerobern. Diese hatte Yu zuvor in einem Duell mit dem verfeindeten General Yang (Hu Jun) verloren. Um den Frieden zu sichern, bietet Yang an, seinen Sohn Ping (Leo Wu) mit Peis Schwester (Guan Xiotong) zu verheiraten. Yu jedoch will unbedingt ein weiteres Duell mit Yang ausfechten. Aber weil der schwer verwundet ist, schickt dieser stattdessen seinen Doppelgänger Jing (ebenfalls gespielt von Deng Chao) in den Kampf. Die einzige Person, die von der Täuschung weiß, ist Yus Frau Madame (Sun Li) – und die entwickelt zunehmend Gefühle für Jing …

    Sieht aus wie ein Schwarz-Weiß-Film - ist es aber nicht!

    Es dauert eine ganz Weile, bis man – gerade als westlicher Zuschauer – die ganzen Intrigen und komplexen Figurenkonstellationen durchschaut hat, die Zhang Yimou in den ersten 30 Minuten seines Historien-Dramas ausbreitet. Dabei dient ihm eine Episode aus dem legendären Roman „Die Drei Reiche“, eine Textsammlung aus dem 14. Jahrhundert, die Geschichten und Legenden aus der Frühzeit des Reichs zusammenfasst, als Vorlage. In bester Shakespeare-Manier spinnt Zhang ein Geflecht aus versteckten Motivationen, Betrug und Verrat, das thematisch stets um die im Yin-Yang-Symbol angelegte Dualität kreist.

    Die Geschichte ist konsequent von Dopplungen und Variationen durchzogen, zwei Generäle, zwei junge, unbedarfte Könige, zwei Frauen. All sie sind verbunden durch den Doppelgänger, der sein Leben im wahrsten Sinn des Wortes im Schatten geführt hat, während General Yu, der ihn einst von der Straße gerettet hat, nun selbst im Schatten haust, nämlich in einem Geheimversteck unter dem Palast. Dort ist der Boden mit einem riesigen Yin-Yang-Symbol bedeckt, eine geometrische Ordnung, auf der Zhang einige der vielen atemberaubend schönen Bilder des Films inszeniert: Aus der Vogelperspektive steht da der schwarz gekleidete Yu mit einem langen Stock im weißen Kreis, während seine weiß gekleidete Frau im schwarzen Kreis mit einem Regenschirm bewaffnet lauert.

    Ein ganz starkes visuelles Konzept

    Auch wenn es manchmal so aussieht, ist „Shadow“ kein Schwarz-Weiß-Film. Stattdessen resultiert der monochrome Look aus dem Umstand, dass sämtliche Sets und Kostüme in schwarz, weiß und Abstufungen von grau hergestellt und gefilmt wurden, was einen einzigartigen Effekt erzeugt. Allein die Gesichter der Figuren ragen aso farblich heraus – und natürlich die dunklen Blutspritzer, die immer wieder die allgegenwärtige Ordnung der Dinge aufreißen. Nicht in solch elaboriert choreographierten Kampfszenen wie in Zhangs „Hero“ oder „House Of Flying Daggers“, sondern in kurzen Ausbrüchen der Gewalt, die so aber nur noch einschneidender wirken.

    Bei allem Stilbewusstsein verliert sich Zhang nicht in seinen schönen Bildern, sondern nutzt die Ästhetik konsequent, um das Konzept der Dualität zu visualisieren: Schwarz und Weiß, Gut und Böse stehen sich im Yin-Yang-Symbol gegenüber. Oder besser gesagt: Die Gegensätze umschließen sich, fließen ineinander. Und so sind auch die Figuren in „Shadow“ zwar oft äußerlich getrennt, aber innerlich verbunden, sie bekämpfen sich bis aufs Blut, sind aber doch nur zwei Seiten einer Medaille. Nur wenn sie zusammenfinden, kann Harmonie herrschen, aber das gelingt nur selten. Zum Glück, denn so kann Zhang sein faszinierend-komplexes Konzept immer wieder in verschiedenen Konstellationen durchspielen.

    Fazit: Nach Jahren des Mittelmaßes findet Zhang Yimou mit seinem visuell atemberaubenden, erzählerisch komplexen Historien-Drama „Shadow“ endlich wieder zu alter Form zurück.

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