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    Tatort: Familien
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Tatort: Familien
    Von Lars-Christian Daniels

    Für die „Tatort“-Folgen aus Köln standen die oft nur aus einem Wort bestehenden und zugleich ziemlich einfallslosen Krimititel in den letzten Jahren ein Stück weit exemplarisch für die Beliebigkeit der Filme: Nur die wenigsten Zuschauer dürften sich heute noch an „Tatort: Benutzt“ von 2015, „Tatort: Durchgedreht“ von 2016 oder „Tatort: Mitgehangen“ von 2018 erinnern, dessen TV-Premiere noch keine zwei Monate zurückliegt. Anders als in Münster und Dortmund, wo der federführende WDR auf humorvolle Krimikomödien und seriell angehauchte Thriller-Dramen setzt, steht der „Tatort“ aus Köln wie kaum ein zweiter Standort der öffentlich-rechtlichen Erfolgsreihe für grundsolide und unaufgeregte Krimis, die jedoch selten länger als ein paar Tage in Erinnerung bleiben. Das gilt auch für Christine Hartmanns erneut sehr pragmatisch betitelten „Tatort: Familien“: Die Filmemacherin liefert einen klassischen Whodunit ohne Schnickschnack und Experimente, bei dem die vielen Millionen Fans der Kölner Ermittler einmal mehr auf ihre (bescheidenen) Kosten kommen.

    Wenige Tage vor seiner Hochzeit feiert Ivo Klein (Christoph Bertram) mit ein paar Freunden seinen Junggesellenabschied. Nach der Heimfahrt mit dem Bus entdeckt der Bräutigam in spe eine Reisetasche mit Geldbündeln im Mülleimer und greift zu – kurz darauf wird er von einem Auto überfahren. Für Jessica Dahlmann (Marie Meinzenbach) bricht eine Welt zusammen, als sie vom Tod ihres Verlobten erfährt. Die Kölner Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär), die von Rechtsmediziner Dr. Roth (Joe Bausch) und ihrem Assistenten Norbert Jütte (Roland Riebeling) unterstützt werden, vermuten eine gescheiterte Lösegeldübergabe hinter der Tat. Die Fingerabdrücke auf der Tasche führen die Kripo zum wohlhabenden Wirtschaftsanwalt Rainer Bertram (Hansjürgen Hürrig): Er gibt offen zu, das Geld seiner Tochter Ines (Nicole Marischka) und seinem Schwiegersohn Ludwig Ritter (Harald Schrott) zur Verfügung gestellt zu haben, weil deren Tochter Charlotte (Anke Sabrina Beermann) entführt wurde. Aber ist das Kind überhaupt noch am Leben? Ins Visier der Ermittler geraten Charlottes Bruder Paul (Johannes Franke) und ihr Freund Kasper Fröhlich (Anton von Lucke), die zuletzt mit dem verschwundenen Mädchen gesehen wurden...

    Der WDR ist zuletzt sehr unrühmlich in die Schlagzeilen geraten: „Tatort“-Koordinator Gebhard Henke wurde Ende April von seinem Arbeitgeber nach Vorwürfen sexueller Belästigung freigestellt – er selbst bestreitet die Anschuldigungen. Von solchen Aufregern ist diese „Tatort“-Folge aus der Domstadt weiter entfernt als der 1. FC Köln vom Klassenerhalt in der aktuellen Fußball-Bundesliga-Saison: Drehbuchautor Christoph Wortberg („SOKO Köln“) und Regisseurin Christine Hartmann („Ein Schnupfen hätte auch gereicht“) arrangieren einen von Beginn an sehr übersichtlichen, klar strukturierten und experimentierfreien Krimi der alten Schule und legen dabei ein Erzähltempo vor, das ganz hervorragend zur gemütlichen Gangart des neuen Assistenten Jütte passt, der zum zweiten Mal mit von der Partie ist. Bis zum Showdown und der zweiten Geldübergabe schlägt die Spannungskurve im 1057. „Tatort“ kaum nach oben aus – stattdessen bleibt auf dem Revier die Zeit für ein großes Stück Sahnetorte und die Aufarbeitung von Schenks mittelschwerer Ehekrise, die sich nach dem verpennten 30. Hochzeitstag auch nicht mit einem spontan einberufenen Candlelight-Dinner und sündhaft teuren Präsenten von heute auf morgen wieder einrenken lässt.

    Das ist nett anzusehen und durchaus sympathisch arrangiert, trägt aber seinen Teil dazu bei, dass dieser recht steif inszenierte „Tatort“ erst in den Schlussminuten auf Touren kommt: Schon nach kurzer Zeit ist klar, dass die obligatorische Auftaktleiche nur dazu dient, die für Mordfälle zuständigen Ermittler zur Abwechslung mal auf einen Entführungsfall anzusetzen. Ansonsten verlassen die Filmemacher aber kaum einmal die ausgetretenen Pfade des Genres. In der ersten Stunde reiht sich eine Befragung an die nächste und liefert so manchen hölzernen, fast aufgesagt klingenden Dialog – zum Beispiel dann, wenn der um die Jahrtausendwende geborene Jungschreiner Paul von seinem Aufenthaltsort in der Tatnacht erzählt („Das ist eine ziemlich angesagte Bar in der Innenstadt.“) oder sein Vater Ludwig sich ans nächtliche Heimkommen seiner verschwundenen Tochter erinnert („Ich dachte noch: Jetzt sind sie daheim!“). Geht es überhaupt mal etwas lebhafter zu, dann vor allem, weil sich Schenk im Präsidium über Jüttes Gefräßigkeit aufregt oder dessen Vorliebe für „Erdbeerkörbchen“ (der Spitzname für ein VW Golf Cabrio) als eingefleischter Oldtimer-Fan nicht teilt.

    Über die verdächtigen Mitglieder der titelgebenden Familien erfahren wir nur das, was für die Hintergründe des Kriminalfalls zwingend notwendig ist – so etwas wie Tiefe entwickelt in diesem „Tatort“ keine einzige Figur. Auch die Emotionen wirken oft aufgesetzt: Die vor dem Nichts stehende Verlobte des Toten bringt in der ersten Filmhälfte mit dem Baby auf dem Arm demonstrativ die Tragik in den Krimi, die die Geschichte von innen heraus selten entwickelt – wird als Figur danach aber wieder fallengelassen, weil sie eben nicht zum Kreis der Verdächtigen zählt. Mehr als einmal fallen die berühmten Worte „Wir schaffen das!“ – wirklichen Zugang zu den Charakteren und interfamiliären Spannungen können wir aber kaum finden, weil die Filmemacher das Geschehen stets aus sicherer Distanz beleuchten. Auch die folgenreichen Vorgeschichten der Familie Ritter und der alkoholkranken Sandra Fröhlich (Claudia Geisler-Bading) werden immer genau dann recherchiert, wenn es dramaturgisch ins Konzept passt – das ist Krimi-Unterhaltung vom Reißbrett und sorgt kaum mal für einen Überraschungsmoment. Den Fans von Ballauf und Schenk wird ihr 73. Einsatz dennoch gefallen, auch wenn der Besuch an der Currywurstbude diesmal ausfällt.

    Fazit: Christine Hermanns „Tatort: Familien“ liefert solide Krimi-Kost, ist über weite Strecken aber so einfallslos wie sein Titel.

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