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    Windtalkers
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Windtalkers
    Von David Bergmann

    Was John Woo hier abliefert, ist eine mittelschwere Dreistigkeit. Viele Kriegsfilme sind bei den Kritikern gescheitert, doch nur wenige derart zurecht wie "Windtalkers". Hätte man sich auf die interessante wie spannende Geschichte der Navajo-Indianer konzentriert, wäre unter Umständen ein passabler Film entstanden; durch die stupide Aneinanderreihung nationalistischer Platitüden gepaart mit logischen Löchern von den Ausmaßen eines Bombenkraters ist "Windtalkers" jedoch nicht mehr als hollywood’scher Standardausschuss.

    Corporal Joe Enders (Nicolas Cage) steckt mit seiner Einheit während des Zweiten Weltkriegs in einem Sumpfgebiet auf einer Insel der Salomonen-Gruppe fest; eingekreist von Japanern und chancenlos. Enders hält trotz der aussichtslosen Lage an seinem Befehl fest und denkt nicht an Rückzug. Als sein letzter Mann fällt, verflucht dieser seinen Vorgesetzten ... dann wird der Corporal selbst von einer Granate schwer verletzt. In einem Militärhospital wird er wieder aufgepäppelt, hat jedoch starke Gleichgewichtsstörungen, da sein linkes Trommelfell beschädigt ist. Der schwer angeschlagene Soldat ist gequält von Schuldgefühlen und will zurück in den Krieg, um sich an den Japanern zu rächen. Dank der Hilfe von Krankenschwester Rita (Frances O’Connor) besteht er schließlich den Tauglichkeitstest und erhält einen wichtigen Auftrag: Zusammen mit Peter Henderson (Christian Slater) wird er als Bodyguard für zwei Navajo-Funker (Adam Beach und Roger Willie) abgestellt. Auf der Suche nach einem sicheren Code besann sich das Militär auf die Ureinwohner Amerikas; man entwickelte einen Code, der auf der Sprache der Navajo-Indianer basiert und der vom Feind nicht zu knacken ist. Einher mit dem Auftrag geht eine unmissverständliche Order: Oberste Priorität ist der Schutz des Codes, nicht des Navajos; der Code muss um jeden Preis geschützt werden ...

    Action-Veteran John Woo nimmt sich mit "Windtalkers" dem Zweiten Weltkrieg an und zeichnet die amerikanische Einnahme der Insel Saipan nach. Titelgebend sind die "Windtalkers"; Navajo-Indianer, die den amerikanischen Streitkräften einen Code bescherten, der während des gesamten Krieges von den Feinden nicht entschlüsselt werden konnte. Nun könnte man angesichts des Titels und dem moralisch fragwürdigen Befehl der an die Beschützer der Navajo-Funker gerichtet wurde, annehmen, "Windtalkers" fokussiere die Geschichte eben dieser Soldaten; doch weit gefehlt ... Woo nimmt diese Geschichte nur als Aufhänger, um seine Hauptcharaktere zusammenzubringen. Ist dies geschehen, reiht er schon beinahe gelangweilt lautstarke Kriegsszenen an postmilitärisches Geplänkel und wieder an lautstarke Kriegsszenen. Dabei werden - wie in Kriegsfilmen aus der Traumfabrik Hollywood so üblich - dem Zuschauer eine handvoll Soldaten in ihren vorzugsweise platten Eigenschaften vorgestellt. Soweit diese für den seichten Fortgang der Geschichte über eine Schlacht hinaus von Bedeutung sind, überleben sie unversehrt; andernfalls kommen sie möglichst tragisch und schockierend ums Leben ... das um sie herum noch Hunderte andere Soldaten ihr Leben lassen, ist in solchen Momenten kaum von Bedeutung.

    "Windtalkers" exerziert dieses altbekannte Muster dermaßen offensichtlich und dumm, dass man sich in mancher Szene wirklich fragen muss, ob das Ganze überhaupt ein ernstgemeinter Kriegsfilm sein will. Wenn die handlungsrelevanten Hauptfiguren selbst das Sperrfeuer eines halben Dutzend Japaner aus nächster Entfernung ohne die kleinste Fleischwunde überstehen, ihrerseits jedoch mit jedem Schuss aus einer mickrigen Pistole die Feinde reihenweise niederstrecken, dann gehört dies noch zu den geringeren Übeln; weitaus schwerer wiegt da so mancher Logikfehler: So darf man sich wundern, dass amerikanische Truppen des öfteren Luftunterstützung erhalten, die Japaner jedoch ihrerseits auf eigenem Gebiet offenbar nicht auf die Idee kommen, Flugzeuge einzusetzen; im Hinblick auf die Historie des Zweiten Weltkriegs und die japanischen Kamikazepiloten eine denkbar desolate Interpretation des Geschehens.

    Überhaupt macht sich der Film wenig Mühe, auf die Japaner als Menschen einzugehen. Sie sind Feinde, sie verdienen den Tod; alles andere ist Sache der Befehlshaber und Vorgesetzten. Dass die Amerikaner schlussendlich auch nette Zeitgenossen sind, dürfen sie dann während eines Aufenthalts in einem japanischen Dorf beweisen. Die übriggebliebenen Frauen und Kinder werden freundlich behandelt; Strahlemann Nicolas Cage gibt einem von Schmerzen geplagten Kind sogar seine amerikanischen schmerzstillenden Tabletten; welch Wohltäter! Wer weiß, wie die grausame Wirklichkeit aussah, muss nicht nur an dieser Stelle bittersüß schmunzeln: Es war für die japanische Zivilbevölkerung Ehrensache, die Amerikaner nicht auf ihrem Land zu dulden, so tief war der Hass verwurzelt. Als Saipan fast verloren war, stürzten sich die überlebenden Familien samt Frauen und Kindern von den Klippen der Insel.

    Mehr Zeit als für akkurate Geschichtsstudien nahm man sich allerdings für nationalistische Plattheiten. Da gibt es neben den für Amerika kämpfenden Navajos natürlich einen amerikanischen Soldaten, der die indianischen Kameraden wider Willen nicht leiden kann und der um die ein oder andere Stichelei wie Prügelei nicht verlegen ist. Das eben dieser Charakter - um sich selbst nicht allzu sehr zu beschämen, bleibt es bei einem - im Laufe der Geschichte eines besseren belehrt wird und sein Leben am Ende einem der vermeintlichen Feinde zu verdanken hat, ist ebenso obligatorisch und unerträglich wie der Märtyrertod des strahlenden Helden.

    Was den Film nicht erträglicher macht, aber qualitativ auszeichnet ist die technische Umsetzung. Die Kulissen wirken mit ihren Schützengräben und Bombenkratern beängstigend real und im lebendigen Schlachtengetümmel schafft Kameramann Jeffrey L. Kimball (der zuletzt gemeinsam mit Woo "Mission: Impossible II" inszenierte) durch eine eigenwillige Synthese aus hektischen Bildern sowie fast schon deplaziert-ruhig wirkenden Kamerafahrten eine Atmosphäre, die es durchaus versteht, den Zuschauer mitzureißen. Hier nehmen sich Woo und sein Team oftmals aber selbst den Wind aus den Segeln. Die beste Szene des gesamten Films findet sich am Anfang, wenn urplötzlich und vom Zuschauer unerwartet buchstäblich der Krieg über ihn hereinbricht. In allen folgenden Kampfsequenzen wird nun verzweifelt versucht, diese Leistung zu wiederholen; mit dem Ergebnis, dass der Zuschauer Minuten vor einer Schlacht selbige voraussieht. Gleiches gilt für das pathetische Ende dieses 133-minütigen filmischen Debakel.

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