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    Nightbitch
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Nightbitch

    Mit falschen Versprechungen das Interesse geweckt

    Von Patrick Fey

    Im Vorfeld wurde viel darüber gesprochen, dass „Can You Ever Forgive Me?“-Regisseurin Marielle Heller uns in „Nightbitch“ eine völlig neue Seite von Amy Adams zeigen würde. Das Werbematerial des hinter dem Film steckenden und mittlerweile zu Disney gehörenden Studios Searchlight („Birdman“, „Shape Of Water“) unterstrich dies noch zusätzlich. Zwar sollte man Marketing nicht überbewerten, doch es vermittelt oft eine Vorstellung davon, wie der Film im öffentlichen Diskurs positioniert wird. Umso enttäuschender ist es, dass „Nightbitch“ letztlich harmlos und altbacken wirkt, nachdem zuvor (falsche) Erwartungen geschürt wurden.

    Mit der Adaption von Rachel Yoders viel beachtetem, gleichnamigem Roman versucht Heller eine seltsame Mischung aus Jason Reitmans „Tully“ und – ja, was eigentlich? Vielleicht Luc Bessons vogelwildem „DogMan“? Die Tatsache, dass Vergleichswerte schwer zu finden sind, könnte für den Film sprechen, schließlich suchen wir im Kino nach Neuem. Doch das Problem von „Nightbitch“ ist, dass er selten originell wirkt. Stattdessen fühlt sich der Genre-Mix wie eine Ableitung anderer Filme an – und das ausgerechnet von solchen, die kaum nachahmenswert sind.

    Searchlight Pictures
    Nachts verändert sich die von Amy Adams gespielte Titelfigur...

    Amy Adams spielt eine namenlose Mutter, die Nacht für Nacht auf solche Weise von ihrem Sohn drangsaliert wird, dass sich bald schon ein nicht mehr einholbar scheinender Schlafentzug bei ihr einstellt. Einst war sie eine aufstrebende Künstlerin in New York, der eigene Ausstellungen gewidmet wurden. Doch nun lebt sie in der Vorstadt, so dass nur die regelmäßigen Abendessen mit den ehemaligen Kommiliton*innen in der Großstadt sie schmerzhaft an ihre Vergangenheit erinnern. Diese alten Freund*innen sind entweder kinderlos oder prahlen regelrecht damit, dass sie nicht nur problemlos Erziehung und Berufsleben unter einen Hut kriegen, sondern auch die Mutterschaft ihre Kreativität geradezu in neue Dimensionen vorstoßen ließ.

    Die Hauptfigur kämpft nicht nur mit der Erschöpfung, sondern auch mit ihrem Ehemann (Scoot McNairy), der ständig auf Geschäftsreisen ist und nur dann eingreift, wenn es um die angenehmen Seiten der Erziehung geht. Hier ist „Nightbitch“ auch eine Auseinandersetzung mit der oft unhinterfragten Prämisse, dass Väter, die im Haushalt und in der Erziehung „helfen“, automatisch als gute Väter gelten. Dass ein solcher Gedankengang impliziert, dass es grundsätzlich erst einmal an der Frau ist, diesen häuslichen Verpflichtungen nachzukommen, wird allzu gern übersehen. In einer pointierten Szene bemerkt der Ehemann, er werde an diesem Abend „babysitten“, worauf Adams' Figur scharf erwidert, dass man das eigene Kind nicht babysitten kann.

    Nur Themen aufzugreifen, reicht nicht!

    Es wäre nun ein Leichtes, Heller zu dieser Analyse zu gratulieren – zumal die Regisseurin noch weitere Themen angliedert, was sie vor allem mit Tagträumereien macht, in welchen sich all das kanalisiert, was die Hauptfigur nicht anzusprechen wagt. „Regretting Motherhood“ etwa, das lange Zeit (und noch immer) tabuisierte Gefühl, dass manche Frauen ihre Mutterschaft rückblickend lieber genauer überdacht hätten. Doch das bloße Aufgreifen dieser Diskurse als solches schon zu belobigen, wäre verfrüht, nicht zuletzt, weil eine solche Annäherung ästhetische, inszenatorische und erzählerische Gesichtspunkte außer Acht ließe. Offenkundig als Komödie angelegt, die sich hin und wieder Elementen des Thrillers bedient, sehen wir Amy Adams Figur in einer frühen Montage an ihrem Sohn verzweifeln. Die Montage ist insofern vielversprechend, als Heller hier auf Bild- und Ton-Ebene mit Disruption und dadurch auch mit Disharmonie arbeitet, die beweist, dass es nicht der Inhalt, sondern zumeist die Form ist, die Humor erzeugt.

    Doch gerade die ganzen weiteren Figuren des Films sind weitaus weniger gewagt: Da ist der ignorante und selbstbezogene Vater bzw. Ehemann, der allzu anarchische Sohn im Kleinkindalter, und da sind nicht zuletzt die Mütter, die Adams' Figur regelmäßig bei den sogenannten „Book Babies“ trifft – einer erzwungen-fröhlichen Veranstaltung, bei der ein Animator den versammelten Kindern mit überbreitem Grinsen vorliest. Hier wird der Film Opfer seines eigenen Ansatzes. Denn gerade, weil sich Heller so eindeutig über die anderen Mütter erhebt, sodass diese zu grell-überzeichneten Muttis verkommen, übersieht sie die Lächerlichkeit ihrer eigenen Erzählkonstruktion. Diese wirkt am Ende wenig inspirierter als eine Ansammlung aussortierter Witze, die einmal durch eine längst in Vergessenheit geratene Whatsapp-Gruppe kursierten.

    Searchlight Pictures
    ... und dann folgen ihr nicht zufällig die Hunde!

    Teil dieser Konstellation ist auch die deutsche Folklore, auf welche die Protagonistin durch die örtliche Bibliothekarin stößt. Sinnbildlich stellt die Beziehung zur Bibliothekarin das Potenzial weiblicher Solidarität dar, die bald schon — sowohl wortwörtlich als auch figurativ — den Hunger in der Hauptfigur weckt: den physiologischen als auch den metaphysischen. Auf stereotyp-exotisierende Weise muss für diese Transformation europäische Folklore herhalten, die Adams zur traumwandlerischen „Nightbitch“, zur Hündin bei Nacht, verwandelt. Indes verbirgt sich mit Hinsicht auf Amy Adams' Filmographie in dieser Prämisse ein gewisser Witz, löst sie doch das ein, was Tom Ford in seinem Zweitfilm einst per Titel ausgegeben hatte: Sie wird zum „Nocturnal Animal“.

    Doch so vielversprechend eine solche durchaus wilde Genremischung aus Komödie, Coming-Of-Age-Geschichte (schließlich hören wir Zeit unseres Lebens niemals mit dem Altern auf) und Thriller sich auf dem Papier auch ausnehmen mag, es geht sich nicht aus. Woran genau das liegt, lässt sich angesichts der Fülle der Gründe für das Scheitern kaum sagen: Sind es die klischierten Figuren, die immer nur gerade so lang den Bildausschnitt betreten dürfen, wie sie zur Pointe benötigt werden? Ist es schlicht die Tatsache, dass eben jenen Pointen jedwede Frische abgeht? Oder liegt das Problem nicht vielleicht auch daran, dass die Thriller-Episoden bei Nacht niemals Schrecken auslösen — insbesondere deshalb, weil es in „Nightbitch“ niemals wirklich dunkel wird?

    Das Set ist stets überbeleuchtet, was jede Szene der nötigen Bedrohlichkeit beraubt. Auch Heller scheint nicht bereit, ihren Film in die Dunkelheit zu führen – und das nimmt den Figuren und der Handlung jegliche Tiefe. Schlussendlich stehen die Dinge in „Nightbitch“ so klar, sind so deutlich aus der Welt geschafft, dass alles Vorangegangene zwangsläufig an Bedeutung verliert und wir nicht anders können, als an der Aufrichtigkeit dessen zu zweifeln, was bis dato verhandelt wurde.

    Fazit: Trotz einer vielversprechenden Prämisse scheitert Marielle Heller mit „Nightbitch“ daran, Mutterschaft und weibliche Identität in einem wilden Genre-Mix überzeugend zu thematisieren. Der Film bleibt weder als Komödie noch als Thriller im Gedächtnis und wirkt aufgrund klischeehafter Figuren und schematischer Versatzstücke unauthentisch.

    Wir haben „Nightbitch“ beim Filmfest Toronto 2024 gesehen.

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