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    Black Friday For Future
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Black Friday For Future

    Ziemlich beste Klimaaktivisten

    Von Gaby Sikorski

    Mit ihrem Komödienhit „Ziemlich beste Freunde“, der 2012 mit mehr als neun Millionen (!) Zuschauer*innen noch vor Blockbustern wie „James Bond - Skyfall“ oder „Der Hobbit – Eine unerwartete Reise“ zum erfolgreichsten Film des Jahres auch in Deutschland avancierte, eroberten Éric Toledano und Olivier Nakache die Kinos der Welt und die Herzen des Publikums. Seitdem sind sie Garanten für gut komponierte tragikomische Sozialdramen, in denen – oft vor dem Hintergrund ernsthafter gesellschaftlicher Probleme – die Freundschaft zwischen konträren Persönlichkeiten im Vordergrund steht. Typisch für die Filme des Autoren- und Regieduos ist außerdem ihr herzlicher, positiver Humor, der sich vor allem aus dem Zusammentreffen der minutiös und mit viel Empathie gezeichneten Charaktere ergibt. Auch in ihrem neuesten Film „Black Friday For Future“ geht es wieder um soziale Probleme – um Armut, um Konsumkritik, um Umwelt-Aktivismus, aber auch wieder um Freundschaft … und um die Liebe.

    Doch diesmal wird es eher hakelig, auch wenn ein witziger Anfang den Weg in die Absurdität des modernen Alltags ebnet: Da sehen wir verschiedene französische Präsidenten bei ihren Neujahrsansprachen – und jeder betont, wie schwierig das vergangene Jahr gewesen sei. Deshalb heißt der Film im französischen Original auch „Une Année Difficile“, also „Ein schwieriges Jahr“. Der deutsche Titel hingegen wirkt eher wie mit dem Holzhammer gezimmert – ihm fehlt die Eleganz, aber irgendwie passt das wiederum ganz gut zum Film oder anders gesagt: Diese Komödie ist durchaus unterhaltsam, manchmal witzig, aber sie hat Längen, und dann kommt sie gelegentlich beinahe plump daher, ohne die gewohnte Leichtigkeit, aber auch ohne eine gewisse Stringenz in der Erzählung. Manches erscheint aufgesetzt, es gibt überflüssige Gags, die Figurenzeichnung schwächelt – alles eher untypisch für die beiden Komödienspezialisten.

    Albert (Pio Marmaï) und Bruno (Jonathan Cohen) wollen die Klima-Demos nutzen, um unbemerkt in eine Bank eindringen zu können.

    Dabei ist die Ausgangssituation perfekt für eine Komödie – zwei Männer freunden sich an, weil sie etwas gemeinsam haben, und zwar einen Berg von Schulden. Der eine – Albert (Pio Marmaï) – jobbt auf dem Flughafen, wo er auch die Nächte verbringt, weil er keine Wohnung mehr hat. Sein mickriges Gehalt, das er in der Gepäckabfertigung verdient, bessert er mit illegalen Deals auf, indem er beschlagnahmte Waren vertickt. Der andere – Bruno (Jonathan Cohen) – steht plötzlich alleine da, seine Frau hat sich von ihm getrennt und den gemeinsamen Sohn mitgenommen. Alles wegen der Schulden. Für beide Männer ist es selbstverständlich, materielle Güter anzuhäufen, und sie stellen ihre Lebensmodelle nicht in Frage. Während Albert sich dem drohenden Absturz ideenreich widersetzt, hat Bruno aufgegeben und will sich umbringen. Albert rettet ihm das Leben.

    Auf diese Weise lernen sie sich kennen. Gemeinsam besuchen sie später eine Schuldnerberatung und ein Sozialcafé, wo sie eine Gruppe von Umweltaktivist*innen kennenlernen, denen sie sich anschließen. Nicht aus Überzeugung, sondern weil sie hoffen, kostenlos was abzustauben, auch wenn es nur ein Glas Bier ist. Die scheinbar naiven Aktivistinnen und Aktivisten sind ein willkommenes Publikum für die beiden, besonders für Albert, der gleich ein paar Ideen hat, wie er die unschuldigen Umweltschützer*innen für seine Zwecke ausnutzen kann. Dass er sich dabei in Kaktus (Noémie Merlant) verliebt, ist für ihn ein willkommener Nebeneffekt. Unabhängig davon plant er mit Bruno und mit Hilfe der nichtsahnenden Umweltgruppe einen großen Coup, der ihn und seinen neuen Freund mit einem Schlag schuldenfrei machen soll…

    Einfach zu viel von allem

    Zwei gescheiterte Existenzen schließen sich also einer aktivistischen Gruppe, und zwar aus purem Egoismus. Zusammen mit der Liebesgeschichte wäre das an sich witzig und interessant genug, doch statt sich darauf zu beschränken und ihre Geschichte drauflos zu erzählen, erfinden Toledano und Nakache eine Unmasse an Nebenfiguren und Nebengeschichten, die sich nur selten ins Geschehen einfügen und keine Funktion für die Handlung haben. Letztlich verlängern sie den Film nur. Da gibt es etwa Henri (Mathieu Amalric), den spielsüchtigen Leiter des Schulden-Workshops, der in immer wieder neuen Verkleidungen versucht, in dieselbe Spielbank hineinzukommen. Auch Alberts Schwester und ihre Familie tauchen auf, dazu Brunos Exfrau, Arbeitskollegen am Flughafen, eine reiche alte Frau, die sich als Philosophin entpuppt.

    Es gibt zudem einige recht lange Sequenzen, in denen die Aktionen der Aktivistengruppe gezeigt werden. Dabei wird der Klima-Aktivismus keinesfalls lächerlich gemacht, im Gegenteil: Dass die jungen Leute es ernst meinen, ist deutlich erkennbar, umso frevelhafter erscheint da das egoistische Verhalten von Albert und Bruno. Doch die Entwicklung der Komödienhandlung verblasst angesichts der vielen Sperenzchen abseits des eigentlichen Geschehens, worunter insbesondere der große Coup leidet, der komplett unglaubwürdig ist: Die Gruppe führt eine Aktion vor einer Bank durch – und Albert und Bruno wollen das das Durcheinander nutzen, um hineinzugelangen und ihre Schuldnerunterlagen (was haben die überhaupt in einer Bank zu suchen?) mit Hilfe von TippEx schuldenfrei zu pinseln. Da kracht es doch mächtig im Drehbuchgetriebe. Die kleinen Nebengeschichten wirken da beinahe wie Ablenkungsmanöver, um die Löcher im Skript zu kaschieren.

    Das Duo schließt sich den Aktivist*innen zwar mit eher unschönen Absichten an – aber wie es sich für eine Komödie gehört, hat die ganze Sache dann doch was Gutes!

    Während relativ schnell klar wird, dass der sympathische Albert mit seinem sanften Welpenblick alles andere als harmlos ist, sondern mindestens ein Kleinganove und Hochstapler, der dafür aber eigentlich viel zu dusselig ist, erweist sich Bruno zwar als nicht ganz so unehrlich, dafür aber als umso bemitleidenswerter. Wobei diese Rolle das große komische und tragische Momentum vermissen lässt - schade. Dennoch klappt das Zusammenspiel: Pio Marmaï harmoniert sehr gut mit Jonathan Cohen. Auch Noémie Merlant überzeugt als Asketin, die ihr Leben dem Umweltaktivismus widmet, statt sich in den von ihr verachteten Konsum zu stürzen. Dass es auch für Albert und Bruno neue Lebensentwürfe geben könnte, geht im Wischiwaschi des Mittelteils beinahe verloren. Erst am Schluss finden Toledano und Nakache dann wieder zu alten Qualitäten, indem sie den Corona-Lockdown geschickt mit einem Quasi-Happy-End verbinden.

    Fazit: Statt sich mehr auf ihre beiden Hauptfiguren und die eigentliche Handlung zu konzentrieren, wird hier über längere Strecken eine Nummernrevue serviert, eine Art Best-of von Toledano und Nakache in Form von eigentlich unbedeutenden kleinen Nebengeschichten, die teilweise sehr hübsch ausgedacht sind, den Film aber unnötig in die Länge ziehen. Insgesamt wirkt die dramaturgische Konstruktion weniger schlüssig als in den vorherigen Filmen des Duos. Doch auch wenn Eleganz und Leichtigkeit stellenweise zu wünschen übrig lassen: Der Film ist unterhaltsam und als Komödie mit sozialem Touch durchaus akzeptabel.

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