Der krönende Abschluss der Kairo-Trilogie
Von Michael Meyns„Wer bist du?“, fragt ein Sohn seinen Vater in Tarik Salehs „Eagles Of The Republic“. Keine einfache Frage, erst recht nicht, wenn der Vater der größte Star des ägyptischen Kinos ist und in der Öffentlichkeit als „Pharao der Leinwand“ gefeiert wird: Dieser dandyhafte George Fahmy (Fares Fares) spielt im Verlauf des nur zunächst noch etwas zähen Polit-Dramas zwei Rollen – eine auf der Leinwand, und die andere, nachdem er von den Staatsschergen zu einer Propagandarolle gezwungen wurde, als unfreiwilliger Teil der politischen Ränkespiele an der Spitze des heutigen Ägyptens. Aber wer dafür das Drehbuch schreibt, das erfährt Fahmy erst, als er längst seine Selbstachtung und fast auch sein Leben verloren hat.
Der nach „Die Nile Hilton Affäre“ und „Die Kairo Verschwörung“ dritte Teil von Salehs Kairo-Trilogie ist Porträt einer Stadt und einer (autokratischen) Gesellschaft. Er erzählt von einem Mann, der sich naiverweise für unantastbar hält, aber dann doch um seine Unabhängigkeit kämpfen muss. Manchmal ist das etwas zu viel, da droht der Film auseinanderzufallen. Aber der immer sehenswerte Hauptdarsteller Fares Fares und eine spektakuläre letzte halbe Stunde machen „Eagles Of The Republic“ trotzdem zu einem intensiven Polit-Drama, das sich keine falschen Illusionen darüber macht, wie leicht sich (fast) jeder in einer Autokratie verbiegen lässt.
George Fahmy ist der größte Leinwandstar des Landes, der mit populären Blockbustern wie „Der erste Ägypter im All“ mächtig Kasse macht. Als koptischer Christ lebt George frei von den islamischen Vorschriften, die die ägyptische Republik prägen: Von seiner Frau lebt er getrennt, er trinkt und hat Affären. All das macht ihn angreifbar, ein Skandal und das Ende der Karriere drohen. Aber bevor es dazu kommt, beugt sich George dem staatlichen Druck und übernimmt eine Rolle in einem billig-patriotischen Machwerk.
Dieses behandelt den Werdegang von Abd al-Fattah as-Sisi, dem aktuellen ägyptischen Präsidenten, der sich 2013 in einem Staatsstreich mit Hilfe des Militärs an die Macht geputscht hat. Während der Dreharbeiten beginnt George eine Affäre mit Donya (Lyna Koudri), der Frau eines hohen Generals, der die Dreharbeiten überwacht. Georges Verbindung zu den Zirkeln werden immer stärker – und bald gehört auch er, ohne es zu wollen (oder auch nur zu durchschauen), zu den titelgebenden Adlern der Republik, die in ihrem Eid nicht dem Präsidenten, sondern der Verfassung Treue geschworen haben…
Als Sohn eines Ägypters und einer Schwedin wurde Tarik Saleh 1972 in Stockholm geboren. Er arbeitete zunächst als Graffiti-Künstler und drehte Animations- sowie Dokumentarfilme. Zum Spielfilm fand er hingegen erst spät: Neben eher missglückten Auftragsarbeiten wie dem Chris-Pine-Thriller „The Contractor“ drehte Saleh in den letzten zehn Jahren vor allem seine lose Kairo-Trilogie, die sich in Form von Thriller-Damen mit unterschiedlichen Sphären der ägyptischen Gesellschaft befasst – mal steht ein Kommissar kurz vor dem Arabischen Frühling im Mittelpunkt, mal ein Mord im Milieu einer Religionsschule, und nun eben ein Kino-Superstar, der dazu gezwungen wird, die Rolle seines Lebens zu spielen.
In allen drei Filmen verkörpert Fares Fares die Hauptrolle – ein libanesisch-schwedischer Schauspieler, der in Deutschland vor allem durch diverse Verfilmungen von Jussi-Adler-Olsen-Krimis fürs Fernsehen bekannt ist. Dabei ist Fares Fares' Gesicht eigentlich wie fürs Kino gemacht: durchdringende Augen, markante Gesichtszüge, umgeben von einer gewissen Tragik, die ihn perfekt für die Rolle einer passiven Marionette macht, die schnell gar nicht mehr weiß, was ihr hier eigentlich gerade geschieht.
Eine passive Figur ist dieser George, der sich selbst als unpolitisch versteht, der nur gute Filme machen und sein Vergnügen haben will. Aber Zaungast an der Seite kann man in einer zunehmend radikalen Autokratie auf Dauer nicht bleiben. In Deutschland mag man da an Schauspieler wie Ferdinand Marian oder Güstaf Gründgens denken, die sich im Dritten Reich nach mehr oder weniger großem Druck durch Joseph Goebbels für patriotische Filme zur Verfügung stellten. In der Gegenwart stehen wiederum russische Künstler*innen oder auch Sportler*innen vor der Wahl, zu den Machenschaften ihres Regimes zumindest zu schweigen oder ihre Heimat zu verlassen. Einige der stärksten Szenen in „Eagles Of The Republic“ sind Momente bei den Dreharbeiten des Propagandafilms, an dem George nur unwillig mitwirkt.
Wobei der Widerwillen zunächst nur wenig mit politischen Überzeugungen zu tun hat. Stattdessen will Fahmy einfach keinen Schrottfilm drehen, weil das seinen beruflichen Ambitionen zuwiderläuft: So packt ihn sogar bei diesem Projekt seine Ehre als Schauspieler, und er versucht, seine Rolle trotz allem möglichst überzeugend zu gestalten – nur um dann zu erfahren, dass die Propagandisten gar keine reale Darstellung wollen: Der Leinwand-as-Sisis soll nicht etwa klein und glatzköpfig sein wie der echte Diktator, sondern so aussehen wie der einen ganzen Kopf größere und sehr viel besser gebaute George Fahmy. Wenn später Filmplakate neben Wahlplakaten hängen, man also den echten und den falschen Präsidenten nebeneinander sieht, dann wird die ganze Absurdität des Besetzungs-Coups deutlich. Der Anblick offenbart zugleich aber auch die ganze Schamlosigkeit, die das Regime nicht nur an den Tag legt, sondern mit der es auch noch durchkommt.
Tarik Saleh stellt seine Filme (vielleicht auch aus Selbstschutz) als unpolitisch dar, will sie vor allem als Filme über die Mega-City Kairo verstanden wissen (wobei aus naheliegenden Gründen gar nicht dort, sondern in Istanbul gedreht wurde). Trotzdem überzeugt „Eagles Of The Republic“ immer dann am meisten wenn er spezifisch wird, wenn er von der ägyptischen Realität erzählt: eine Autokratie, in der verschiedene Fraktionen um die Macht kämpfen; ein Land, in dem das Militär mit unschöner Regelmäßigkeit putscht, auch wenn es vorgibt, dies im Dienste des Landes zu tun; eine Gesellschaft, in der die islamische Muslimbruderschaft an Einfluss gewinnt. Mehr als 115 Millionen Menschen leben hier mittlerweile, aber wer einmal zum Spielball des Systems wird, der hat praktisch keine Chance, seine Selbstachtung und sein Leben zu wahren, nicht mal, wenn er der Pharao der Leinwand ist.
Fazit: Das mit Thriller-Elementen gespickte Polit-Drama „Eagles Of The Republic“ entwickelt langsam, aber sicher einen Sog mit seinem engmaschig gestrickten Komplott, in dem verschiedene Fraktionen innerhalb der ägyptischen Gesellschaft um Macht und Einfluss kämpfen, während sich ein eigentlich unpolitischer Kinostar so sehr in dem Netz verstrickt, dass ein Entkommen so gut wie unmöglich scheint.
Wir haben „Eagles Of The Republic“ beim Cannes Filmfestival 2025 gesehen, wo er als Teil des offiziellen Wettbewerbs seine Weltpremiere gefeiert hat.