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    Tron
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Tron
    Von Werner Busch

    Als im Jahr 2010 "Tron: Legacy" in die Kinos kam, hatte kaum noch jemand damit gerechnet. Fast 30 Jahre lag der Vorgänger "Tron" zurück, doch nach einer Fortsetzung sah es zunächst nicht aus. Das aufwendig umgesetzte Live-Action-Debüt des Zeichentrickfilmers Steven Lisberger ("Animalympics", 1980) hatte zwar moderaten Erfolg an der Kinokasse, war aber dennoch hinter den Erwartungen der Walt Disney Studios zurückgeblieben. Doch über die Jahre wuchs die Fangemeinde der naiven Computer-Fantasy-Mär, immer wieder versuchten sich Drehbuchautoren an einem Konzept, dass die Geschichte fortsetzt. 2004 kehrten die rasanten Lichtrenner zurück, allerdings nur im PC-Spiel "Tron 2.0". Auf der ComicCon 2008 gab es dann einen Teaser-Trailer zu sehen, den ein raunendes Nerd-Publikum schnell als "Tron 2" identifizierte und begeistert bejubelte. Ungewöhnlich: Der Trailer mit Jeff Bridges entstand bereits vor den eigentlichen Dreharbeiten und erst das enthusiastische Echo ermöglichte den Startschuss für die 170 Millionen Dollar teure Fortsetzung, mehr als ein Vierteljahrhundert nach dem Original.

    Tron ist der Name eines Programms mit dem Softwareentwickler Alan Bradley (Bruce Boxleitner) die Macht des MCP – des Master-Control-Programms – in einem Firmennetzwerk brechen will. Gleichzeitig will auch der ehemalige Programmierer Flynn (Jeff Bridges) in das Netzwerk eindringen, um zu beweisen, dass der neue Präsident des Unternehmens (David Warner) einst den Code seiner millionenteuren Spieleentwicklungen gestohlen hat. Bei einem Einbruch in die Firma wird Flynn jedoch von einem experimentellen Laser getroffen, der ihn dematerialisiert und in das Innenleben des Computers führt. In dieser düsteren, synthetischen Welt mit ihren neonfarbenen Figuren in wunderlichen Anzügen kämpft Flynn nun zusammen mit Tron gegen gefährliche Deaktivierer, fährt mit Licht-Motorrädern und nimmt schließlich den Kampf gegen das allmächtige Master-Control-Programm auf...

    "Tron" ist ein typischer Disney-Film, der mit einfachen inhaltlichen Mitteln eine flotte Abenteuerpistole erzählt und vor allem junge Zuschauer ansprechen soll. Das besondere an "Tron" ist die für damalige Verhältnisse Techniklastigkeit der Handlung. Aber damit niemand überfordert wird gibt es auch ein einfaches visuelles Konzept: Die bösen Programme leuchten Rot, die guten Programme leuchten Blau. Wenn der Abspann nach angenehm kurzen 96 Minuten kommt, bleiben keine Fragen offen. Warum also hat sich dieser "leichte" Film so hartnäckig in das kollektive Gedächtnis der Nerds eingebrannt?

    "Tron" war zu seiner Zeit einzigartig. Das können zwar viele Filme für sich beanspruchen, das erstaunliche an "Tron" aber ist, dass er bis heute einzigartig geblieben ist und es wohl auch bleiben wird. Das gilt in erster Linie für die Bildern und das Design der virtuellen Welt, die tatsächlich einzigartigen Spezialeffekte und – nicht zu vergessen – für die bezaubernd-bombastische Musik von Synthesizer-Queen Wendy Carlos ("The Shining", "Uhrwerk Orange"). Das Design der Computerwelt besorgte der französische Comic-Visionär Jean – Moebius – Giraud, der auch an der visuellen Gestaltung von Filmen wie "Alien" (1979), "Herrscher der Zeit" (1982) und "The Abyss" (1989) beteiligt war. Unterstützt wurde er von Industriedesigner Syd Mead ("Blade Runner"), der insbesondere die fahrenden und fliegenden Vehikel in der Computerwirklichkeit entwarf. Zusammen entwickelten sie eine ganz eigene, halb-immaterielle Welt aus kalten, diffusen, minimalistischen Stadtarchitekturen und Freiflächen, die entfernt an natürliche Formen erinnern.

    Obwohl "Tron" als einer der ersten Filme gilt, die computergenerierte Spezialeffekte einsetzten, gibt es im gesamten Film nur wenige, kurze Szenen, die ausschließlich als CGI entstanden. In den meisten Effektszenen wurde auf klassische Animationstechniken zurückgegriffen. Die Schauspieler wurden vor schwarzen Hintergründen in Schwarz-Weiß aufgenommen. Dann wurden handgezeichnete, farbige Hintergründe optisch hineinkopiert. Diese Bilder wurden wiederum auf großem Diapositiv-Planfilm ausgegeben, der dann wie im klassischen Zeichentrickfilm Bild für Bild retuschiert und koloriert wurde. Das entscheidende Stichwort ist dabei das von Regisseur Lisberger mitentwickelte "Backlit-Verfahren", bei dem die Einzelbilder für eine Aufnahme von hinten durchleuchtet werden, was zu den einzigartigen Lichtreflexen der Figuren führt. Sie machen die Optik von "Tron" bis heute einmalig, da dieses höchst aufwendige Verfahren anschließend nie wieder in so zentraler Rolle in einem Film angewendet wurde.

    Auch die Handlung entpuppt sich auf den zweiten Blick als weit weniger naiv, als zunächst gedacht: Computernetzwerke, die von übergroßen Kontrollinstanzen unterjocht werden, stehen dem Ideal des freien Datenaustausches gegenüber: Wenn man so will, nimmt "Tron" damit Debatten um zeitgenössische Plattformen wie Wikileaks voraus. Das Wort "naiv" lässt sich manchmal eben auch mit "visionär" übersetzen.

    Fazit: Obwohl "Tron" in seiner naiven Simplizität, gepaart mit wirklich schlechter Schauspielführung, eigentlich ein klarer Fall für die Schublade "Filme, die man nur als Kind gut fand" sein müsste, kann er durch seine einzigartige audiovisuelle Gestaltung bis heute begeistern und hat einen festen Platz als Science-Fiction-Klassiker.

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