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    Alarmstufe: Rot
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Alarmstufe: Rot
    Von Martin Soyka

    Kommt die Frage nach guten Filmen von Steven Seagal auf, legt der geneigte Filmfreund gewöhnlich die Stirn in Falten. Auf Anhieb fällt eine Antwort nicht gerade leicht. Manch einer erinnert sich wohlwollend an das Kurt-Russell-Vehikel „Einsame Entscheidung“, in dem es Seagal nach gut zehn Minuten erwischt - was dem Film durchaus gut tat! Aber es gibt noch einen anderen Streifen, der sich in qualitativer Hinsicht vom restlichen Filmschaffen des Minimal-Darstellers positiv abhebt: „Alarmstufe: Rot“, die zweite und letzte Zusammenarbeit des Martial-Arts-Cracks mit Regisseur Andrew Davis. Der Action-Thriller ist der einzige echte Höhepunkt in der Karriere des Haudrauf-Darstellers und zugleich sein erfolgreichster Film.

    Das Kriegsschiff USS Missouri soll ausgemustert werden. Auf seiner letzten Reise gerät der Schiffskoch Casey Ryback (Steven Seagal) wieder einmal mit dem ersten Offizier Krill (Gary Busey) aneinander. Letzterer hat für Ryback und dessen Mentalität überhaupt nichts übrig und stellt ihn nach wiederholten mündlichen Auseinandersetzungen buchstäblich kalt: Er sperrt ihn in den Kühlraum. Unterdessen wird für den Kapitän eine Überraschungs-Geburtstagsparty organisiert. Eine Band und eine Stripperin – äh – exotische Tänzerin (Erika Eleniak) werden per Helikopter an Bord gebracht. Das Fest ist schon bald in vollem Gange. Doch dann geschieht etwas, mit dem keiner gerechnet hat: Die Musiker unter der Leitung des halbirren William Stranix (Tommy Lee Jones) entpuppen sich als schwer bewaffnete Terroristen, die die Crew-Mitglieder entweder kaltblütig umbringen oder sie im Bauch des Schiffes einsperren. Ihr Ziel: die noch immer an Bord befindlichen Atomwaffen. Doch die Gangster haben die Rechnung ohne den Koch gemacht…

    Ein lokal begrenzter Schauplatz, den keiner der Kontrahenten verlassen kann, eine Übermacht an Gegnern und ein einsamer Held, der den Kampf aufnimmt. Diese Zutaten sind seit dem Über-Klassiker Stirb langsam sattsam bekannt und werden seither immer wieder lustvoll von Hollywood verwurstet. Eines der ersten Quasi-Plagiate ist „Alarmstufe: Rot“. Trotz mangelnder Originalität weiß der Film aber noch immer gut zu unterhalten. Zunächst einmal punktet der Streifen mit seiner Location, sind die meisten Szenen doch an Bord eines Original-Kriegsschiffs gedreht worden: der als Museum und Touristenattraktion dienenden USS Alabama. Hinzu kommt, dass Seagal nicht einfach nur Kanonen- und Handkantenfutter vorgesetzt wird, sondern es mit wirklich überzeugenden Gegenspieler zu tun bekommt: Gary Busey ist seit Lethal Weapon auf die Rolle des durchgeknallten Soziopathen abonniert und damit immer für einen mitreißenden Bösewicht gut. Tommy Lee Jones, der in abgewetzter Jeans und Lederjacke einen auf Rockstar-Terrorist macht, und Colm Meaney („Star Trek – The Next Generation“, Con Air) im Smoking liefern zwei weitere Antagonisten, an denen man sich wunderbar reiben kann. Den bösen Buben gegenüber steht Ryback, der früher ein Navy Seal war und wegen Insubordination und Gewalttätigkeiten gegenüber einem Vorgesetzten knallhart zum Koch degradiert worden ist. Eigentlich hat Ryback keine Lust auf Gesellschaft bei seinem Ein-Mann-Scharmützel, muss aber notgedrungen im Lauf des Films mehr oder weniger hilfreiche Sidekicks akzeptieren. Dass die Figur der Tänzerin Jordan mit dem Playboy- und Baywatch-Bunny Erika Eleniak besetzt worden ist, unterstreicht die eigentliche Funktion ihrer Präsenz: schlichtes Eye-Candy. Sei‘s drum, es tut gut, den Schlagetot Seagal mal nicht nur auf sich allein gestellt zu sehen. Auch ein Sheriff braucht mal Hilfe – selbst auf einem Kanonenboot.

    Die Fights sind streckenweise – jedenfalls für damalige Verhältnisse – originell, auf den Punkt inszeniert und bisweilen sogar überraschend. Vor allem aber nehmen sie nicht zu viel Raum ein. So bleibt mehr Zeit für hübsche kleine Spitzen gegen Hollywoods Lieblings-Prügelknaben, die CIA, die eine Mitschuld an dem Desaster trägt und von Nick Mancuso (In The Mix) wunderbar schmierig personifiziert wird. Insgesamt fällt positiv auf, dass der Film etwas aufblitzen lässt, was Genre-Produktionen meist nicht in der richtigen Dosis vorweisen können: Humor. Unübertrefflich ist insbesondere eine Szene, in der sich ein grotesk auf Frau zurechtgemachter Gary Busey beim Blick in seine Personalakte echauffiert, dass dort stehe, er müsse psychiatrisch begutachtet werden. „Sehe ich etwa aus wie ein Verrückter?“, will er von Tommy Lee Jones wissen, der nach einem längeren Zögern nur ein höfliches „Nein“ herausbekommt. Schurken, die sich lächerlich machen und dabei trotzdem in jeder Sekunde gefährlich wirken, sind im Actionkino ein seltenes Gut.

    Für Regisseur Andrew Davis war „Alamstufe: Rot“ nach dem allenfalls mittelprächtigen „Nico“ bereits die zweite Zusammenarbeit mit Steven Seagal und kann retrospektiv als Fingerübung für Davis‘ folgenden ganz großen Wurf gesehen werden: Auf der Flucht mit Harrison Ford als Richard Kimble und abermals Tommy Lee Jones, der in diesem zur absoluten Höchstform auflief und sogar einen Oscar als „Bester Nebendarsteller“ einheimste. Dass aber auch „Alarmstufe: Rot“ schon eine gewisse Klasse aufwies, bestätigen unter anderem dessen Oscar-Nominierungen für „Sound“ und „Sound Effects Editing“.

    Fazit: Was man dem unterhaltsamen Action-Kracher allenfalls vorwerfen kann, sind seine konstruierte und wenig plausible Handlung sowie das ein oder andere Tempoleck – von den begrenzten mimischen Fähigkeiten Seagals mal ganz zu schweigen. Anspruch adé, Kopf aus und Spaß haben – das ist bei „Alarmstufe: Rot“ eindeutig die Devise!

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