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    Blood Diamond
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Blood Diamond
    Von Christoph Petersen

    Bei der Bewertung von Diamanten kam es seit jeher immer nur auf die vier Cs Color, Cut, Clarity und Carat an. Mit Edward Zwicks Polit-Actionthriller „Blood Diamond“ wird nun aber auch noch ein fünftes C in das öffentliche Bewusstsein gedrängt: Conflict – dient der Export von Diamanten in vielen afrikanischen Ländern doch einzig und allein der Finanzierung von blutigen Bürgerkriegen. Zwick hat im Verlauf seiner Regiekarriere schon viele Konflikte – vom amerikanischen Bürgerkrieg in „Glory“ über den ersten Irakkrieg in „Mut zur Wahrheit“ und den Kampf gegen den Terrorismus in „Ausnahmezustand“ bis hin zu einer historischen japanischen Schlacht in Last Samurai – in Szene gesetzt. Und diese Kenntnis des Krieges und seiner Abgründe in den verschiedensten Facetten kommt nun auch dem ebenso beeindruckenden wie berührenden „Blood Diamond“ zu Gute und macht aus dem kritischen Abenteuerepos nicht nur Zwicks düstersten und radikalsten, sondern auch seinen bisher stimmigsten und besten Film.

    “In America it is bling, bling. Here it is bling, bang!“ (Danny Archer)

    Sierra Leone zu Zeiten des Bürgerkriegs in den 1990er-Jahren: Als Rebellen sein Dorf überfallen, ist Fischer Solomon Vandy (Djimon Hounsou) einer der wenigen Männer, die mit dem Leben davonkommen – dennoch wird er von seiner Familie getrennt und zur Sklavenarbeit auf den Diamantenfeldern gezwungen. Dort entdeckt er einen riesigen Rohdiamanten, den er gerade noch vor den Aufsehern verstecken kann, bevor die Regierungstruppen in das Lager einfallen und Solomon ins Gefängnis stecken. Hier erfährt durch einen Zufall auch der Schmuggler Danny Archer (Leonardo DiCaprio) von dem außergewöhnlichen Stein. Sofort bietet er Solomon einen Deal an – er will ihm helfen, das Rebellengebiet zu durchqueren, seine Familie wieder zu finden und den Diamanten zu verkaufen, als Gegenleistung verlangt er natürlich ein nicht zu knappes Stückchen von dem millionenschweren Kuchen. Doch die Reise erweist sich als erheblich steiniger als erhofft – nicht nur die Rebellen, auch die Spezialeinheit des Oberst (Arnold Vosloo), unter dem Danny einst als Söldner für die süd-afrikanische Armee diente, macht den beiden die Diamantenjagd unnötig schwer. Eine glückliche Fügung also, dass die idealistische amerikanische Journalistin Maddy Bowen (Jennifer Connelly) ihre bitter benötigte Hilfe im Tausch gegen eine exklusive Story über die illegalen Verwicklungen im internationalen Diamantenschmuggel einzutauschen bereit ist…

    Im Kern ist „Blood Diamond“ extrem klassisches und spannendes Abenteuerkino, das ohne jeden überflüssigen Schnickschnack auskommt – statt selbstverliebter Wendungen bekommt man eine nur von den sorgfältig ausgewählten und nie zu bloßem Selbstzweck verkommenden Actionsequenzen unterbrochene und auch ansonsten extrem gradlinig erzählte Thriller-Geschichte geboten. Für eine Auflockerung der intensiv-stringenten Handlung sorgen hier nur die kurzen, aber mit ebenso gelungen schnippischen wie politischen Dialogen unterlegten Screwball-Elemente – auch wenn nur wenige Szenen für die Liebe bleiben, entfachen DiCaprio (Departed: Unter Feinden, Gangs Of New York) und Connelly (Dark Water, Das Haus aus Sand und Nebel) trotz ihrer knapp bemessenen Leinwandzeit doch ein glaubhaftes und supersympathisches Funkensprühen – ein konsequentes, emotional hervorragend funktionierendes Epos-Ende inklusive.

    Trotz Spaß und Spannung ist „Blood Diamond“ auf der anderen Seite auch ein ernster Message-Film, der sich nicht nur darauf beschränkt, die Auswirkungen des illegalen Diamantenhandels aufzuzeigen, sondern ein globaleres Porträt der Probleme Afrikas zeichnet. Dabei pfeift Zwick an genau den richtigen Stellen auf jedwede Subtilität, bringt bei ihm wichtigen Fragen seine Meinung ganz offen und ohne falsche Zurückhaltung auf den Punkt. Bestes Beispiel hierfür ist der Umgang mit den von den Rebellen gehirngewaschenen Kindersoldaten – ohne jede unangebrachte Sentimentalität wird hier diesem ultrabrutalen Thema begegnet. Sicherlich erreicht der Film dabei nicht ganz die Radikalität der aufwühlenden Dokumentation Lost Children, in der Neunjährige davon berichten, wie sie die Gehirne ihrer Opfer ausgelöffelt haben, aber wenn in „Blood Diamond“ ein kleiner Junge einen ihm helfen wollenden Sozialarbeiter ohne jede Emotion eiskalt abknallt, geht das doch weit über das übliche Hollywood-Maß hinaus – wohl auch einer der Gründe dafür, warum der Film am US-Box-Office so weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist.

    Eine stimmige, unterstützungswürdige Aussage ist sicher viel wert, trägt aber natürlich für sich allein keinen Film von stolzen 138 Minuten Länge. Ein Glück also, dass die beiden auf extrem spannende Weise ambivalenten Hauptfiguren Danny Archer und Maddy Brown das eigentliche Sahnestück von „Blood Diamond“ darstellen. Während Djimon Hounsou (Die Insel), der einmal mehr eine absolute Top-Leistung abliefert, als der gute, seine Familie über alles stellende Vater einen konsequent moralischen Gegenpol setzt, erweisen sich die anderen Sympathieträger nämlich als durchaus zwiespältig. Auf der einen Seite steht Danny Archer, ein profitorientierter Ex-Söldner, der zumindest zu Beginn noch jedes Blutvergießen mit der unendlich zynischen Bemerkung TIA („This Is Africa“) abtut. Leonardo DiCaprio bekommt es dabei hin, seinen komplexen Charakter mit einer solchen Mischung aus knallhartem, rücksichtslosen Geschäftemacher und frechem, entwaffnenden Lausbubencharme zu verkörpern, dass er trotz der düsteren Seiten der Figur nie die Sympathien des Publikums verliert - eine weitere oscarwürdige Darstellung von DiCaprio, der wohl endgültig alle seine Kritiker lügen straft, die nach seinem Titanic-Auftritt reihenweise dazu neigten, ihn sträflich zu unterschätzen.

    „Why should I help one of them, when the whole country is at war? … I can´t believe I just said that!"

    Mit solchen - von aufrichtiger Machtlosigkeit zeugenden - Dialogen offenbart auch die ansonsten so idealistische Journalistin Maddy Brown ihre schwachen Momente. Auch wenn Brown der typischen Reporterkrankheit zum Opfer fällt und sterbende Menschen fotografiert, anstatt ihnen zu helfen, zeigen sich durchaus kritikwürdige Seiten an dieser sonst so unheimlich charmanten Figur. Es ist einzig dem subtilen Spiel von Connelly zu verdanken, dass diese angenehm fragwürdigen Seiten ihren Charakter nicht weniger liebenswürdig, sondern im Gegenteil einfach nur glaubhafter machen.

    Was die Qualität der Inszenierung angeht, muss man sich bei Filmen von Edward Zwick naturgemäß wenig Sorgen machen. Und tatsächlich brilliert auch „Blood Diamond“ einmal mehr mit epischen Panoramen und kraftvollen Bilder. Dabei sind es vor allem die Actionszenen, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Abseits jeglicher moderner Spielereien sind diese Sequenzen absolut stringent, knallhart und auf den Punkt hin in Szene gesetzt. Eine erfrischende Abwechslung zu den Over-the-Top-CGI-Effektschlachten der jüngeren Hollywood-Vergangenheit. Nachdem sich schon 2006 mit Filmen wie Stephen Gaghans Syriana, George Clooneys Good Night, And Good Luck oder Fernando Meirelles´ Der ewige Gärtner als ganz starkes Jahr für großes Politkino herausstellte, scheint 2007 schon im Januar mit „Blood Diamond“ nahtlos an diese begrüßenswerte Tradition anknüpfen zu wollen.

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