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    Silmido
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Silmido
    Von Christian Horn

    Wenn abseits von Hollywood der Versuch unternommen wird, großes Blockbusterkino mit amerikanischer Prägung zu drehen, geht das in aller Regel schief – die Deutschen können ein Lied davon singen. Nun hat auch ein südkoreanischer Regisseur, Woo-Suk Kang, genau das probiert, ist dabei aber nicht gescheitert. Sein Kriegs-Action-Drama „Silmido“ setzt sich mit einem dunklen Kapitel südkoreanischer Geschichte auseinander, ohne es mit den Fakten allzu genau zu nehmen. Von 1986 bis 1971 wurde in Südkorea eine Eliteeinheit gedrillt, welche nach der Ausbildung mit der Liquidierung des nordkoreanischen Diktators Kim Jong beauftragt werden sollte. Doch bevor die „Einheit 684“ diese Mission starten kann, wird sie überflüssig, weil beide Regierungen Koreas sich politisch wieder angenähert haben. Kang erzählt ausführlich die Ausbildung auf der abgelegenen Insel Silmido und lässt den Film in ein blutiges, actionlastiges Finale münden.

    Acht Millionen Dollar hat „Silmido“ gekostet, sieben Filmpreise ergattert, sich zu einem der größten Kassenhits der südkoreanischen Kinogeschichte gemausert und es sogar in den Weltvertrieb geschafft. Das ist erfreulich, weil der Film nicht nur solide inszeniertes, sondern auch politisch ambitioniertes Actionkino ist. In den ersten Minuten bleibt allerdings noch das Schlimmste zu befürchten: Zunächst stinkt der Film nach Propaganda im Actiongewand und die Indizien häufen sich, dass es in diese Richtung weiter geht. Nach einer rastlosen, pathetischen Actionsequenz als Auftakt – ein südkoreanischer Trupp scheitert bei dem Versuch, Kim Jong zu ermorden – gewinnt „Silmido“ schnell an Fahrt. Ruck zuck werden Kriminelle auf die abgelegene Insel Silmido verschifft, um dort die „Einheit 684“ zu werden.

    Auf der Überfahrt gibt es erst mal eine völlig überflüssige, erhaschte Explosion zu sehen, bevor auf der Insel die unmenschliche Ausbildung beginnt; ganz typisch à la Rocky inszeniert mit unterlegter Musik und zusammen geschnipselten Szenen. Das Training ist dermaßen hart, dass die Rekruten aus Full Metal Jacket sich nach wenigen Minuten zu ihrem Drill-Sergeant zurück sehnen würden – deutlich überzeichnet also. Zu diesem Zeitpunkt kann man sich als Zuschauer schon richtig gut vorstellen, wie die Einheit nach Nordkorea marschiert und mit großem Getöse, dramatisiert und heroisiert durch Michael-Bay-Musik und Zeitlupenaction, Kim Jong ins Gras beißen lässt.

    Doch dann wendet sich das Blatt und plötzlich nimmt der Film sich Zeit für seine Charaktere, Action und Schauwerte treten in den Hintergrund. Spannungen innerhalb der Rekruten werden ausgelotet, Konkurrenzdenken und das letztliche Zusammenwachsen der Männer ohne Hektik plausibel gemacht. Es kommt zu zwischenmenschlichen Katastrophen, die ohne großes Feuerwerk erzählt werden: Fahnenflucht, Vergewaltigung, Suizid, Lethargie, Wahnsinn. Und dann schwenkt die Geschichte auch in die Reihen der Ausbilder, welche ebenfalls mit Problemen zu kämpfen haben. Der zunächst als Sadist gezeichnete Offizier wird vermenschlicht und auch die Art der Ausbildung wird von verschiedenen Seiten, auch der des Regisseurs, kritisch hinterfragt.

    Als die Eliteeinheit überflüssig geworden ist, erreicht der Film seinen eigentlichen Knackpunkt. Die Ausbilder erhalten den Befehl, die Truppe innerhalb einer Woche zu eliminieren – und das obwohl sich auf der Insel Freundschaften zwischen Rekruten und Diensthabenden entwickelt haben. Für die Ausbilder wird der Befehl zur Zerreißprobe und auch zu den Rekruten sickert die beklemmende Lage durch. An diesem Punkt wird „Silmido“ noch mal so richtig spannend, ein Umstand, den man dem Film nach der ersten Viertelstunde nie und nimmer zugetraut hätte.

    Was dennoch störend wirkt, ist das Pathos, das in „Silmido“ immer mal wieder zelebriert wird. Wenn einer der Elitekämpfer im Sterben die Nationalhymne anstimmt, kann sich dem Betrachter schon mal der Magen rum drehen. Auch die Melodramatik gegen Ende ist ein wenig zu viel des Guten. Dennoch ist es schön, dass die Geschichte der „Einheit 684“ erzählt worden ist. Die finale Auseinandersetzung zwischen Ausbildern und Untergebenen, die von keiner der beiden Parteien gewollt, sondern von oben diktiert, ist, kann als Allegorie auf die Trennung Koreas verstanden werden und verleiht einem Wunsch nach Wiedervereinigung Ausdruck. Die Widmung vor dem Abspann spricht Bände: „Dieser Film ist den 31 jungen Wehrpflichtsoldaten gewidmet, die für die Freiheit gestorben sind und“ – jetzt kommt der wichtige Teil – „verzweifelt ihre Identität gesucht haben.“

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