Manche Filme sind in dem Sinne schön, dass sie bildhübsch aussehen. Andere sind schön, als dass sie Balsam für die Seele darstellen. Und dann gibt es diese besonderen Filme, die auf jeglicher Ebene schön sind. So wie Pixars „Alles steht Kopf“: Ein ebenso ausgeklügelt wie beeindruckend gestalteter Animationsfilm, der sich auf unvergessliche, intensive Weise mit der menschlichen Gefühlswelt auseinandersetzt.
Das ist so bezaubernd und schlüssig, dass man kaum anders kann, als diese Konzepte zu übernehmen, wann immer man sich die diffusen Eigenheiten des eigenen Verstands erklären will. Am 12. Juni 2024 startet „Alles steht Kopf 2“ in den deutschen Kino – Grund genug, sich wieder (oder erstmals) den Vorgänger anzuschauen! „Alles steht Kopf“ läuft am heutigen 9. Juni ab 20.15 Uhr bei RTL 2. Außerdem könnt ihr „Alles steht Kopf“ ganz flexibel bei Disney+ streamen.
"Alles steht Kopf": Triff die Stimmen in deinem Kopf – und fühl mit ihnen!
Willkommen im Bewusstsein der elfjährigen Riley. In der Kommandozentrale tummeln sich Freude (Originalstimme: Amy Poehler / deutsche Stimme: Nana Spier), Kummer (Phyllis Smith / Philine Peters-Arnolds), Angst (Bill Hader / Olaf Schubert), Wut (Lewis Black / Hans-Joachim Heist) und Ekel (Mindy Kaling / Tanya Kahana). Durch diese Emotionen begreift sie die Welt – genau so wie wir. Bei Riley sitzt meist Freude am Drücker, doch als ihr Leben durch einen Umzug umgekrempelt wird, zeigt Freudes Handeln kaum noch Wirkung.
Dass ausgerechnet Kummer mehr und mehr tätig wird, sieht Freude gar nicht gern – denn wer will schon traurig sein, wenn man glücklich sein könnte? Somit setzt sich ein Machtkampf in Gang, in dessen Folge Freude und Kummer aus der Kommandozentrale fliegen. Aber wie soll ein Mädchen mit seinem Lebenschaos fertig werden, wenn es unfähig ist, sogleich zwei grundlegende Gefühle zu empfinden?!
Den Regisseuren Pete Docter & Ronaldo Del Carmen gelang eine gewitzte, pfiffig-charmante Darstellung vieler abstrakter Themen. Darunter: Das Gefühlsleben, das Langzeitgedächtnis und die Fragilität von Erinnerungen, die sich obendrein verfärben können. „Alles steht Kopf“ ging aber nicht einfach als ausgefallener Kreativspielplatz in die Filmgeschichte ein, sondern hat eine deutlich größere Strahlkraft.
Denn die Art, wie Pixar Gedanken- und Gefühlstumult in Bilder, Klänge und Worte packt, brannte sich ins kollektive Gedächtnis! Diese Wirkkraft ist das Ergebnis dessen, wie „Alles steht Kopf“ akribische Recherche, gutes Storytelling und kreativen Schöpfungsdrang vereint: Während der Arbeit am Animationsfilm arbeitete Pixar eng mit Psycholog*innen zusammen, um sicherzustellen, dass das lustig-herzliche Abenteuer auf wahrhaftigen Erkenntnissen fußt.
Dennoch behielt man die Bedürfnisse einer verständlichen, mitreißenden Geschichte im Auge – weshalb etwa die von einem Psychologen empfohlene Darstellung der Überraschung als eigene Emotion aus dem Film flog: Das Pixar-Team empfand es für den filmischen Erzählfluss als ergiebiger, sie auf die anderen Emotionen zu verteilen.
Ein einfach schöner Emotions-Mix
Wie sehr etwa Freude und Kummer überraschen können, bekam der Verfasser dieses TV-Tipps zu spüren: Während der Pressevorführung zu „Alles steht Kopf“ hatte ich bereits ein Lächeln auf den Lippen und Tränen auf den Wangen, bevor der eigentliche Film begann!
Denn der simpel arrangierte, aber komplexe, widersprüchliche Gefühle ausdrückende Score, den Komponist Michael Giacchino für den Auftakt geschrieben hat, traf irgendeinen offenbar blankliegenden Nerv. Und so kam es, dass in meiner Kommandozentrale alles Kopf stand, während auf der Leinwand noch Studio-Logos liefen. Das mag eine sonderbare Kino-Erinnerung sein, aber es ist eine, die schön zum Film passt:
Er führt in Form eines vor Ideenreichtum strahlenden Abenteuers vor Augen, dass jede Emotion gleichberechtigt ist. Es gibt keine schlechten Gefühle, sondern nur schlechten Umgang mit ihnen. Ich war an diesem einen Tag halt überaus empfänglich für schöne Filmmusik, wieso leugnen? Es ist doch schön zu wissen, dass man als angeblich piefig-verkopfter Kritiker im Kino immer noch aus dem Nichts überwältigt werden kann.
Empathisches, mit Riley mitfühlendes Gefühlschaos wussten Rewatches noch immer an späterer Stelle auszulösen. Auch, weil „Alles steht Kopf“ vorführt, wie das Spezielle zum Universellen führen kann: Das verspielt-edle Sounddesign von Ren Klyce, das kindliche Fantasie mit intuitiver Funktionalität vereinende Produktionsdesign von Ralph Eggleston, die sich durch den Film ziehende Nostalgie für Designepochen, die ich nicht miterlebt habe... Rileys Post-Umzugs-Identitätskrise...
All das sind individuelle Ideen, Vorlieben, Erfahrungen. Aber sie sind mit Authentizität, Selbstverständlichkeit und Nachvollziehbarkeit umgesetzt, was nicht bloß wunderschöne Filmkunst ergibt, sondern zur Reflexion einlädt: „Alles steht Kopf“ gibt Anregung, sich seine eigene Version dieser Konzepte vorzustellen. Und ein verständliches, sympathisch-vergnügliches Vokabular, um durch das Kopfchaos anderer Menschen durchzusteigen.
Ich führte bereits Stunden und Aberstunden an geistreichen (oder zumindest so empfundenen), introspektiven Gesprächen, einzig dank der gemeinsamen „Sprache“, die durch „Alles steht Kopf“ in der jeweiligen Runde herrschte. Ich habe diese irrational-hübsche Kino-Erinnerung. Und ein seliges Schmunzeln, wann immer ich an die Ästhetik des Films denke. Schön, einfach.
Wie „Alles steht Kopf 2“ ist, könnt ihr wiederum demnächst bei FILMSTARTS nachlesen. Aber schon jetzt verraten wir euch, dass eine der Inspirationsquellen zum heiß erwarteten Pixar-Sequel ganz schön überraschend ist:
Unerwartete Inspiration: Ausgerechnet der stressigste Netflix-Film aller Zeiten diente als Vorlage für "Alles steht Kopf 2"*Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diese Links oder beim Abschluss eines Abos erhalten wir eine Provision. Auf den Preis hat das keinerlei Auswirkung.