Ein Kinderfilm mit Tempo, Rap und Gangster-Klischees: Regisseur Benjamin Heisenberg im Interview zu "Der Prank"
Björn Becher
Björn Becher
-Mitglied der Chefredaktion
Seit mehr als 20 Jahren schreibt Björn Becher über Filme und Serien. Hier bei FILMSTARTS.de kümmert er sich um "Star Wars" - aber auch um alles, was gerade im Kino auf der großen Leinwand läuft.

Mit „Der Prank - April, April!“ hat sich der bislang als Regisseur der Berliner Schule bekannte Benjamin Heisenberg an einen Kinderfilm gewagt. Das ist so spannend, dass wir uns mit ihm zu einem ausführlichen Interview über Zoom verabredet haben.

Über ein Jahrzehnt ist es her, dass ein Film von Benjamin Heisenberg („Schläfer“, „Der Räuber“) in den Kinos lief. Der hat zwischenzeitlich als Bildender Künstler mehrere Installationen verantwortet und mit „Lukusch“ einen Roman (hier bei Amazon erhältlich*) geschrieben. Der Prank“ ist nun sein Kino-Comeback – und dabei eine Überraschung. Heisenberg, dessen bisherige Filme zur sogenannten Berliner Schule oder auch Nouvelle Vague Allemande gerechnet werden und der die Filmzeitschrift Revolver herausbringt, hat nämlich einen sich deutlich von seinen früheren Werken unterscheidenden Kinderfilm gedreht.

Im Mittelpunkt von „Der Prank“ steht ein Aprilscherz, der aus dem Ruder läuft. Das Ergebnis: Die zwölf Jahre alten Jungs Lucas (Noèl Gabriel Kipp) und Xi Zhou (Max Zheng) hetzen mit einem Pizzakarton voller Geld quer durch Berlin. An ihren Fersen sind bald Gangster-Rapper, die Polizei und sogar die Mafia. Ein turbulentes Abenteuer entwickelt sich.

Im Interview mit Benjamin Heisenberg wollen wir von dem Regisseur natürlich erst einmal wissen, was ihn dem für ihn neuen Genre gereizt hat. In unserem ausführlichen Gespräch erfahrt ihr zudem, warum er gerade keinen statischen Kinderfilm machen wollte, sondern auf Tempo, Rap und Gangster-Klischees setzt.

Auch über Inspirationen von „Kevin – Allein zu Haus“ bis „Ferris macht blau“ geht es, wobei Heisenberg eine Sache selbst lernen musste: Nagelmaschinen im Kinderfilm – das ist eine schlechte Idee!

Auch ohne Nagelmaschinen geht es in Kundschafter Filmproduktion / Port au Prince Pictures
Auch ohne Nagelmaschinen geht es in "Der Prank" zur Sache...

FILMSTARTS: Was hat dich nach jahrelanger Kino-Pause daran gereizt, mit einem Kinderfilm zurückzukommen?

Benjamin Heisenberg: Erst einmal habe ich nun selbst Kinder in einem Alter, in dem sie auch gerne mit ins Kino kommen. Da stellte sich die Frage: Welcher Film macht uns denn allen gleichermaßen Spaß? Und es ist irgendwie gar nicht so einfach Filme zu finden, die alle unterhaltsam finden. Es gibt viele Kinderfilme, die für Erwachsene nicht so wahnsinnig vergnüglich sind und vice versa natürlich auch.

Dazu arbeite ich schon lange gerne mit Kindern. Auch mein Roman „Lukusch“ ist ja im Grunde ein Buddy-Movie von zwei Jungs – das ist also ein wiederkehrendes Motiv, was in diesem Film jetzt erneut aufgetaucht ist.

Ein Film für Kinder und (!) Erwachsene

FILMSTARTS: Hast du also extra Gags geschrieben, die du auch als Erwachsener gerne sehen würdest?

Benjamin Heisenberg: Total. Dem amerikanischen Family Entertainment gelingt es oft sehr gut, die Waage aus Sachen, die die Kinder feiern und die die Erwachsenen auch lustig finden, zu halten. Das wollte ich auch. Deswegen spielt zum Beispiel die Musik so eine zentrale Rolle. Auch die Ebene mit Rappern und Bodybuildern hat viele komische Anteile für Erwachsene, während die für Kinder vielleicht manchmal dann sogar eher unheimlich als lustig sind.

FILMSTARTS: Für das Drehbuch hast du dir mit Peer Klehmet einen neuen Mitstreiter gesucht, der schon an sehr vielen Kinderfilmen beteiligt war. Wie wichtig war es, jemanden an Bord zu haben, der diese Genre-Erfahrung mitbringt?

Benjamin Heisenberg: Peer und ich kennen uns eigentlich schon sehr, sehr lange. Wir haben uns bereits in den Anfängen meines Filmstudiums in München getroffen und er war bei den ersten Reisen dabei, die wir mit unserer Filmzeitschrift Revolver gemacht haben. Seine Erfahrung war total wertvoll. Er konnte einschätzen, was für FSK 6 und trotzdem auch für Jugendliche funktioniert. Das war Gold wert. Aber vor allem hat er eine tolle Fantasie.

Die beiden Hauptfiguren in Kundschafter Filmproduktion / Port au Prince Pictures
Die beiden Hauptfiguren in "Der Prank"im Einsatz.

FILMSTARTS: „Der Prank“ spielt auch mit den Klischees des Gangsterfilms. Es gibt also auch richtig böse Typen. Wie hält man da die Balance, diese bedrohlich genug zu zeichnen, aber gleichzeitig mit einer gewissen Tollpatschigkeit abzumildern? Gab es auch Momente, wo ihr festgestellt habt: Das ist zu hart, das müssen wir reduzieren?

Benjamin Heisenberg: Ich habe einige Enden für diesen Film geschrieben, die weitaus krasser waren. Da kamen dann Peer, die Produktion und die Redaktion und meinten: Vorsicht, Nagelmaschinen im Kinderfilm – das ist eine schlechte Idee. Ich habe da zum Beispiel an „Kevin – Allein zu Haus“ gedacht – da geht ja auch krass was. Aber der ist auch erst ab zwölf Jahren freigegeben. Da sind dann halt heftigere Sachen möglich. Unsere Bösewichte sind deshalb immer wieder auch lustig, sie verhalten sich beknackt oder sagen Sachen, die irgendwie auch ein bisschen absurd sind.

Gleichzeitig treten sie dann doch auch unheimlich auf. Das ist immer so ein Wechsel – einerseits die Dinge brechen, sie dann aber doch wieder zu bestätigen. Das finde ich am amerikanischen Kino so toll, da werden Metawitze gemacht, die eben das Genre bedienen oder die einfach Erwachsene schätzen können, weil sie den ganzen Kontext kennen. Bei uns gibt es sowas etwa bei den Anspielungen auf die Rap-Musik, bei denen Erwachsene dann an einem Punkt wirklich über etwas lachen können, wo Kinder gerade etwas ganz anderes erleben.

Der ganze Film als eine einzige Kettenreaktion

FILMSTARTS: Ich musste auch an „Kevin – Allein zu Haus“ denken. Der Anfang mit der verspielten Frühstücksmaschinen-Erfindung des Vaters hat mich dagegen an die „Wallace & Gromit“-Filme erinnert. Gab es bestimmte Filme oder Bücher, die dich geprägt haben und vielleicht unterschwellig Einfluss auf den Film hatten?

Benjamin Heisenberg: Die größte Inspiration für Peer und mich war „Ferris macht blau“. Da wird total beschwingt erzählt, wie Jugendliche einfach einen Tag in einer Stadt erleben – und dabei wird diesem ganzen bürgerlichen Leben auch eine große Ironie entgegengebracht. Das fanden wir spannend. Und ja, „Wallace & Gromit“ hast du richtig erkannt. Kettenreaktionen liebe ich ohnehin – zum Beispiel auch in der Kunst, etwa bei den Werken des Duos Peter Fischli und David Weiss. Auch der Kurzfilm „Surprise!“ von Veit Helmer, der in den 90er-Jahren an unserer Hochschule in München gemacht wurde, war eine Referenz. Der zeigt auch so eine chaotische Kettenreaktion.

Deshalb wollte ich unbedingt so etwas einbauen. Alexander Lahner hat das für uns designt, wobei es mir wichtig war, dass es unperfekt ist. Es geht ja alles schief und der Kaffee schwappt auf den Teller und so weiter. Das ist zum einen lustig und zum anderen ist ja der ganze Film im Grunde eine einzige Kettenreaktion. Es gibt ein auslösendes Moment und dann rollt diese Spule runter und immer mehr Sachen kommen rein und hauen die Leute von rechts nach links.

Eine wilde Kettenreaktion erschreckt zu Beginn von Kundschafter Filmproduktion / Port au Prince Pictures
Eine wilde Kettenreaktion erschreckt zu Beginn von "Der Prank" Lucas' Mutter Maria (Laura Tonke).

FILMSTARTS: An „Ferris macht blau“ musste ich auch denken. Sehr wichtig ist dabei auch die Chemie zwischen den Figuren. Doch gerade gute und gut zueinander passender Kinderdarsteller*innen zu finden, ist nicht so einfach. Wie aufwendig war denn das Casting?

Benjamin Heisenberg: Ich kann dir gar nicht mehr sagen, wie viele Leute wir uns im Ganzen angeschaut haben. Wir haben einen großen Casting-Aufruf gemacht, aber das sind ja sehr spezielle Rollen. Wir brauchten einen asiatisch aussehenden Jugendlichen, ein POC-Mädchen und einen weißen Deutschen, die alle gut Klavier spielen können. Es haben sich aber trotzdem viele Leute beworben, wir haben uns viele angeschaut und zahlreiche Kombinationen ausprobiert. Das gipfelte dann in einem Wochenende, an dem wir für jede Rolle noch fünf Kinder eingeladen hatten. Das war fast wie bei einer Casting-Show, bei der wir herausfinden mussten, wer jetzt zueinander passt. Das war auch herzzerreißend. Die waren alle toll, ich mochte alle, hätte es allen gegönnt. Aber am Ende bin ich natürlich sehr glücklich mit unseren drei Stars.

Kinder wollen am Schlafittchen in den Film hineingezogen werden

FILMSTARTS: Statt deines Stamm-Kameramanns Reinhold Vorschneider macht diesmal Timon Schäppi die Kamera – und die ist wahnsinnig mobil, nie steht etwas wirklich still. Wie wichtig war dir ein saftiges Tempo für den Film?

Benjamin Heisenberg: Total wichtig. Das war aber eine große Herausforderung, weil Kinder in dem Alter nur maximal fünf Stunden am Tag am Set sein und nur drei Stunden davon drehen dürfen. Wir wollten aber eine ständige Bewegung, bei der sich die Kamera den Kindern anpasst. Bei uns wird fast durchgehend vorwärtsgelaufen, es gibt viele Mitfahrten – der Film bleibt in Bewegung.

Gerade bei Kinderfilmen wird oft auf statische Inszenierung gesetzt, weil man aus Zeitgründen auf Nummer sicher geht. Die Kinder bekommen feste Positionen, laufen dorthin, sagen ihren Text und verlassen das Bild wieder. Genau das wollte ich vermeiden. Stattdessen war es mir wichtig, ihnen die Freiheit zu geben, sich natürlich zu bewegen, im Moment zu bleiben und wirklich zu spielen.

Das unterscheidet „Der Prank“ auch von meinen früheren Filmen. Dort habe ich ganz bewusst einen Stil gewählt, der sozusagen diskursiv ist. Wir sollen uns als Publikum mit dem Film unterhalten, merken, was der mit uns macht. Es ist ein Dialog. Doch Kinder haben das nicht so gerne. Die wollen am Schlafittchen in den Film hineingezogen werden, sich dann total mit den Protagonisten identifizieren und mit denen da durchlaufen. Daher wollte ich eine ganz andere Kamerasprache, die uns mitreißt und durchzieht.

Hier in der Szene wird Nachwuchsrapper Schaaf (Cedric Eich) gepackt, Kundschafter Filmproduktion / Port au Prince Pictures
Hier in der Szene wird Nachwuchsrapper Schaaf (Cedric Eich) gepackt, "Der Prank" soll Kinder am Schlafittchen in den Film ziehen.

FILMSTARTS: Ich finde auch interessant, welche Rolle Technik in deinem Film spielt. Die Jungs sind versierter als die Erwachsenen im Umgang mit Handys, tricksen ja sogar die nur ein paar Jahre ältere Schwester aus. Auch ein selbstfahrendes Auto spielt eine wichtige Rolle. Am Ende sind es aber gerade nicht die modernen Errungenschaften, sondern ganz klassische Cleverness und Old-School-Tricks, die helfen. War das ein bewusster Kommentar von dir zu zeigen, dass es am Ende halt doch nicht auf diese ganz moderne Technik ankommt?

Benjamin Heisenberg: Ja, das hat zwei Aspekte. Zum einen ist Technik einfach Alltag. Die Frage, wie viel Bildschirmzeit dürfen wir haben, wie wird überall gechattet, was lösen wir irgendwie alles digital - das wollte ich zeigen, weil es einfach realistisch ist und viele Kids daran Spaß haben. Es gibt ja auch sehr lustige Pranks, die du mit dem Handy machen kannst.

Zugleich glaube ich aber auch, dass die praktischen Sachen, wenn etwa etwas von der Decke fällt, im Film nochmal eine ganz andere Qualität haben. Film ist einfach ein kinetisches Medium, da muss was passieren und sich bewegen. Man merkt es bei vielen Filmen, die wirklich alles digital produzieren, da fehlt es oft unheimlich an Leben.

Außerdem fand ich es wichtig, dass der Film ein Signal an die Kinder gibt: Geht raus und macht euch diese Welt zu eigen. Holt euch, was ihr braucht, und entdeckt diese Welt, die in echt noch viel spannender ist, als wenn man sie sich nur auf dem Monitor ansieht.

Der Prank - April, April!“ läuft ab sofort in den deutschen Kinos.

*Bei dem Link zum Angebot von Amazon handelt es sich um einen sogenannten Affiliate-Link. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision.

facebook Tweet
Ähnliche Nachrichten
Das könnte dich auch interessieren