
So manches Mal zahlt sich Hartnäckigkeit aus — das gilt auch in der Unterhaltungsindustrie. Die Filmgeschichte allein hält ein Meer an Anekdoten bereit, denen zufolge Talente vor und hinter der Kamera ihre Position kleineren Flunkereien zu verdanken haben. Ganz zu schweigen davon, welcher Aufwand manchmal nötig ist, um die richtigen Leute für ein Projekt zu gewinnen.
In einer solchen Situation befand sich der amerikanische Star-Comedian Louis C.K., als er 2013 für seine langjährige Erfolgsserie „Louie“ eine Episode geschrieben hatte, in der sich sein Alter Ego um die Nachfolge-Position der Late-Night-Legende David Letterman bewirbt – und dafür im Büro des eigensinnigen Studiobosses Jack Dall antanzen muss. Ursprünglich sah der Comedian für die Rolle dieses Bosses Ben Gazzara vor (unter anderem bekannt aus Otto Premingers einflussreichem „Anatomie eines Mordes“).
Doch kurz nachdem C.K. den Entschluss gefasst hatte, Gazzara zu besetzen, erfuhr er, dass dieser ums Leben gekommen war. Ein Zufall, der C.K. im Interview mit der New York Times zum Scherzen verleitete: „Ich glaube, in dem Moment, als ich sagte ‚Ich denke, ich nehme Ben Gazzara‘, fiel er tot um“. Im selben Interview führte der Comedian die Geschichte dann noch weiter aus und skizzierte, wie er schließlich Kult-Regisseur David Lynch („Blue Velvet“) als Gazzara-Ersatz für seine Serie gewann. Eine süße Anekdote, die seit dem Ableben Lynchs im Frühjahr 2025 nur noch mehr an Wert gewonnen hat.
Absagen von zahlreichen Hollywood-Größen
Zunächst seien Louis C.K. allerdings eine Liste anderer Namen durch den Kopf geschwebt. Eine ganze Reihe höflicher Absagen von Größen der Unterhaltungsindustrie habe er damals erhalten. Jerry Lewis etwa habe über seine Sekretärin ausrichten lassen, er sei „derzeit nicht interessiert“. Auch Woody Allen, Al Pacino und Martin Scorsese hätten abgelehnt, wenn auch mit freundlichen Worten.
Schließlich sei er dann bei David Lynch gelandet. „Ich liebe David Lynch. Ich habe ihn immer geliebt, nicht nur weil ich denke, dass er großartig ist. Seine Filme bedeuten mir unglaublich viel“, schwärmte er. Mit dem „Mulholland Drive“-Schöpfer im Kopf habe er das Drehbuch dann erneut gelesen und festgestellt: „Das ist besser als all diese anderen Typen. Er ist der Einzige, der es jemals spielen könnte. Wenn ich David Lynch nicht bekomme, mache ich es nicht.“
David Lynch wollte nicht, aber Louis C.K. blieb hartnäckig
Was folgte, war ein zweimonatiger E-Mail-Austausch mit Lynchs Assistentin. Trotz wiederholter höflicher Absagen – Lynch zögerte, von seinem geliebten Los Angeles an die New Yorker Ostküste zu reisen und zweifelte, ob er der Richtige für die Rolle sei – blieb Louis C.K. beharrlich. „Gibt es nicht 10.000 andere Leute, die das besser können als ich? Und ich reise nicht gern“, soll der Filmemacher über seine Assistentin gefragt bzw. mitgeteilt haben, woraufhin C.K. geantwortet habe:
„Wir werden dir natürlich den bestmöglichen Flug und die beste Unterkunft stellen. Aber wenn es da draußen 10.000 andere Leute gäbe, würde ich einen von denen nehmen. Ich bin wirklich gut in dem, was ich mache. Ich weiß, was in der Show funktioniert und was nicht, da liege ich nie falsch. Ich habe zwar keine Ahnung, wie die Sache letztlich aussehen wird, aber es gibt keine Erwartungen an dich, an denen du dich messen lassen musst. Ich freue mich darauf, mit der Sache falsch zu liegen.“
So sei das eine Weile hin- und hergegangen. Der Durchbruch kam mit der über die Assistentin vermittelten Frage: „Kann es in zwei Tagen gedreht werden, und kann er [Lynch] seine eigenen Klamotten tragen?“ (gefolgt von einem abermals freundlichen „Nein“). Da habe er gewusst, dass er ihn an der Angel habe, so C.K.
David Lynch auch als Schauspieler ein echter Profi
Als Lynch schließlich am Set erschien, hielt sich Louis C.K. bewusst zurück, um seinen Helden nicht zu verunsichern. „Ich habe gelernt, dass man vorsichtig sein muss, wenn man mit seinen Helden arbeitet, besonders wenn man sie als Regisseur anleitet“, erklärte er. Lynch habe dann ohnehin alle Erwartungen übertroffen. Er habe den Dialog vollständig verinnerlicht und wertvolle Einsichten zur Figur mit ihm geteilt.
Zur Erinnerung: In der betreffenden Szene von „Louie“ versucht C.K.'s Alter Ego, den Studioboss von seiner unkonventionellen Show zu überzeugen. Dieser zeigt sich allerdings skeptisch und fordert ihn spontan dazu auf, „lustig zu sein.“ Verzweifelt, weil er nicht auf Knopfdruck ein Witzefeuerwerk abfeuern kann, sich aber die große Chance auf einen Slot im Prime-Time-Programm nicht entgehen lassen will, lässt sich Louie zu einer Kurzschlussreaktion hinreißen und führt einen albernen Tanz sondergleichen auf. Die Szene endet schließlich mit einem Hoffnungsschimmer, indem der von Lynch gespielte Studiochef Louie eine Woche Aufschub gewährt.
Hier könnt ihr euch selbst ein Bild von der beschriebenen Szene machen:
Während der gemeinsamen Szene mit seinem Idol sei C.K. das alles plötzlich furchtbar albern vorgekommen. Doch Lynch habe ihn beruhigt und ermutigt: „Jack gibt dir nicht die extra Woche, weil er dich lustig fand – mach dir da keine Illusionen. Er gibt dir die extra Woche, weil du irgendetwas getan hast“, soll Lynch während der Szene gesagt haben – und bewies damit sein tiefes Verständnis für die Rolle.
Am Ende dieser ungewöhnlichen Zusammenarbeit stand nicht nur eine denkwürdige Performance, sondern auch eine tiefe Wertschätzung: „Ich durfte mit ihm abhängen, habe die eine oder andere mit ihm geraucht, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt seit einem Jahr nicht mehr geraucht hatte. Ich liebe diesen Kerl. Ich liebe ihn“, schloss Louis C.K. sein Gespräch mit der New York Times.
Wie viel Energie noch bis zu den letzten Wochen seines Lebens in Lynch gesteckt habe, davon wusste „Mulholland Drive“-Star und Lynch-Muse Naomi Watts kürzlich einiges zu erzählen. Mehr dazu hier:
"Er war noch lange nicht fertig": "Mulholland Drive"-Star wollte erneut mit David Lynch zusammenarbeiten – ihre letzte Begegnung gab ihr Hoffnung!