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    Titelchaos: Darum sind an dämlichen deutschen Titeln nicht immer nur die Verleiher schuld

    Ein amerikanischer Film, der in Deutschland einen anderen englischen Titel erhält? Diese Praxis entwickelt sich immer mehr zur ärgerlichen Unart. Aber Achtung: Manchmal lässt sich eine Titeländerung – etwa aus rechtlichen Gründen – nicht vermeiden...

    Walt Disney Germany

    Ende dieses Jahres werden die Kinobesucher in den USA Schlange stehen, um sich den neuen Disney-Animationsfilm „Moana“ anzuschauen. Hierzulande lautet der offizielle Titel hingegen „Vaiana“. Dass ein amerikanischer Film einen deutschen Titel bekommt geht natürlich in Ordnung – kann schließlich nicht jeder Englisch, erst recht nicht jedes Kind. Aber „Vaiana“ statt „Moana“? Ist das also wieder Mal so eine nicht nachvollziehbare, völlig unsinnige Entscheidung eines deutschen Verleihers? Könnte man meinen, aber es gibt immer mal wieder fragwürdige deutsche Titel, hinter denen mehr steckt, als man denkt…

    So zum Beispiel auch bei „Vaiana“: Aus dem deutschen Urheberrecht ergibt sich, dass keine zwei Filme den exakt selben Namen tragen dürfen (es sei denn, es handelt sich um Original und Remake). Nun gibt es aber schon einen Film namens „Moana“, nämlich ein Biopic über die italienische Pornodarstellerin Moana Pozzi (wegen dieser unglücklichen Namensverwandtschaft wird der Disneyfilm in Italien übrigens als „Oceania“ in den Kinos laufen). Zudem muss geklärt werden, ob nicht vielleicht auch ein Markenschutz außerhalb von Film und Fernsehen besteht – und es gibt dummerweise bereits eine Bikinimarke und einen Kosmetikhersteller mit dem Namen „Moana“. Woran es nun genau liegt, dass „Vaiana“ umbenannt werden musste, ist nicht bekannt. Regisseur John Musker sagte dazu nur, dass der Name „Moana“ in großen Teilen von Europa nicht verfügbar war.

    Ein ähnliches Schicksal ereilte übrigens auch den Fantasy-Film „Tomorrowland“ mit George Clooney – denn weil bereits ein belgisches Elektro-Musikfestival diesen Titel verwendet, musste für Europa ein neuer Name her: Nach der mit viel Spott aufgenommenen Eindeutschung „Projekt: Neuland“ fiel die Entscheidung schließlich auf „A World Beyond“. Auch dass der Marvel-Film „Thor 2 – The Dark World“ hierzulande als „The Dark Kingdom“ firmiert, hat rechtliche Gründe, wozu Disney allerdings nur verlautbaren ließ, dass „der Originaltitel aus rechtlichen Gründen für Deutschland nicht zur Verfügung stand“. Möglicherweise wegen des russischen Fantasyfilms „Dark World - Das Tal der Hexenkönigin“ von 2010…

    In bestimmten Fällen wollen Verleiher auch bestimmte Assoziation mit anderen Filmen vermeiden, selbst wenn nicht direkt rechtlichen Probleme im Weg stehen. Das wäre zumindest eine mögliche Erklärung, warum „The Avengers“ bei uns offiziell „Marvel's The Avengers“ heißt – so wird nämlich eine mögliche Verwechslung mit der kultigen 60er-Jahre-Spionageserie „Mit Schirm, Charme und Melone“ (im Original: „The Avengers“) sowie dem miesen Kinoableger von 1998 auf jeden Fall vermieden. In Großbritannien, der Heimat der „The Avengers“-Serie, trägt Marvels Superheldenzusammenkunft deshalb auch den Titel „Avengers Assemble“, um sich noch deutlicher abzugrenzen.

    Manchmal bleibt den Verleihern also gar keine andere Wahl, als den Originaltitel eines Films für den Start in Deutschland anzupassen. Aber das ändert natürlich nichts daran, dass man als Filmfan noch oft genug Grund hat, sich aufzuregen - etwa über krampfhaft lustige deutsche Titel („Die Bestimmer - Kinder haften für ihre Eltern“), englischsprachige deutsche Titel („96 Hours“ statt „Taken“, „Girls United“ statt „Bring It On“) oder unnötig-erklärende deutsche Untertitel, wenn die Macher doch nicht voll auf ihren Haupttitel vertrauen („The Revenant – Der Rückkehrer“).

    Insgesamt geht der Trend mittlerweile aber sowieso dahin, den Originaltitel einfach beizubehalten (das trifft mittlerweile auf 40 bis 50 Prozent aller neu erscheinenden Filme zu). Der Grund dafür liegt auf der Hand: Mit der Übersetzung eines Titels geht immer auch ein Markenname mit internationalem Wiedererkennungswert verloren. Zudem sollen sich einige Regisseure wie Woody Allen inzwischen sogar vertraglich zusichern lassen, dass ihre Filme überall auf der Welt unter demselben Titel laufen. Und natürlich sprechen immer mehr Deutsche gut Englisch, selbst wenn es beim Ticketkauf an der Kinokasse noch immer zu (manchmal recht amüsanten) Missverständnissen kommt:

    Die lustigsten Versprecher von Kinobesuchern: Könnt ihr erraten, welchen Film sie sich eigentlich ansehen wollen?

    Gänzlich verschwinden werden übersetzte Filmtitel wohl nie, aber dann würden uns ja auch gelungene deutsche Titel wie „Star Wars: Das Erwachen der Macht“, „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ oder „Im Herzen der See“ abhandenkommen. Und nachdem sich Disney zuletzt mit Titeln wie „Rapunzel – Neu verföhnt“, „Die Eiskönigin – Völlig unverforen“ und „Baymax – Riesiges Robowabohu“ nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat, hat sich das Mäusestudio bei „Vaiana“ richtig Gedanken gemacht: „Vai“ steht in vielen pazifischen Sprachen nämlich für „Wasser“, während „moana“ übersetzt „Ozean“ bedeutet. Passt!

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