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    "Der König der Löwen": Darum ist Mufasa ein Arsch und der "Circle Of Life" eine Lüge

    Wie schon im Original erklärt auch im „Der König der Löwen“-Remake Mufasa seinem Sohn Simba wieder den „Circle Of Life“. Doch für FILMSTARTS-Redakteur Christian Fußy ist diese Philosophie kompletter Käse.

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    +++ Meinung +++

    Im neuen „König der Löwen“-Film gibt es genau eine Szene, die mich kurz hoffen ließ, dass Disneys CGI-Animations-Remake des Klassikers nicht das sinnloseste Unterfangen der Firma seit der Entlassung und Wiedereinstellung von James Gunn sein würde, sondern doch noch eine interessante Wendung für die Zuschauer bereithalten könnte. Der Moment, von dem ich rede, kommt kurz nach Simbas (Originalsprecher: Donald Glover) Flucht von Pride Rock und seiner Ankunft in der Kommune von Timon (Billy Eichner) und Pumbaa (Seth Rogen). Simba erzählt Timon von seiner Lebensphilosophie, dem Circle Of Life, die er von seinem Vater Mufasa (James Earl Jones) bereits als Kind eingeimpft bekam.

    Als Timon entgegnet, den Kreislauf, von dem Simba spricht, gebe es gar nicht, das Leben in der Savanne sei vielmehr eine Linie, wurde ich hellhörig. In meinem Kopf dachte ich für einen kurzen Moment, dass das Remake durch Timon tatsächlich kommentieren würde, dass es sich beim Circle Of Life, so wie ihn Mufasa beschreibt, um ein Konstrukt handelt, dass nur harmonisch und verheißungsvoll klingt, wenn man an der Spitze der Nahrungskette steht, für alle anderen Tiere jedoch einem Horrorszenario gleicht. Stattdessen offenbart Timon Simba nur, dass er eine nihilistische Weltsicht hat und dem großen Ganzen keinerlei Bedeutung beimisst. Er wisse nur sicher, dass das Leben irgendwann an der Ziellinie ankommt und er sich daher lieber seinem Hedonismus hingebe, bevor es zu spät ist. Oder kurz: Hakuna Matata.

    Mit Massenmord gegen die Überbevölkerung

    Diese Philosophie ist in seiner Position absolut nachvollziehbar, da Timon als Beutetier ständig damit rechnen muss, am nächsten Tag sein jähes Ende zu finden. Was Timon allerdings nicht anspricht, ist die Tatsache, dass Simba als Löwe hauptverantwortlich dafür ist, dass der Rest der Tiere täglich um sein Leben fürchten muss. Timon macht zwar durchaus den Eindruck, einfach ein Kerl zu sein, der Simba nicht aufgrund seines Jagdtriebs verurteilt. Er selbst folgt ja auch einfach seinem Bauchgefühl und schert sich nicht wirklich um die Probleme anderer, trotzdem wirkt seine komplette Gelassenheit ob der Tatsache, dass sein Kumpel Antilopen, Warzenschweine und Co. umgebracht hat und das damit rechtfertigt, dass sonst das natürliche Gleichgewicht gestört würde, schon ganz schön abgebrüht.

    Zwar liegt Simba mit seiner Einschätzung nicht falsch, dass Überbevölkerung in der Savanne tatsächlich zu einer Ressourcenknappheit führen würde, Timon dürfte das in erster Linie aber so ziemlich scheißegal sein, solange er und seine Freunde vorerst am Leben bleiben dürfen, bevor das gemeinsame Schiff sinkt. Das ganze „wir müssen die anderen essen, weil es der Kreislauf des Lebens so will“-Argument fällt komplett auseinander, da Mufasa, Timon, Pumbaa etc. miteinander kommunizieren können.

    Sprechendes Essen

    Es ist in jedem Animationsfilm befremdlich, in dem Fleischfresser und Beutetiere gleichermaßen als intelligente Wesen dargestellt werden, wenn niemand den Horror dieser Situation adressiert – wären wir Menschen von Natur aus dazu gezwungen, andere, genau so intelligente und sprachbegabte Lebewesen zu essen, wäre das wohl Stoff für eine besonders abgefuckte Episode „Twilight-Zone“. Die Tatsache, dass dieser Umstand in „König der Löwen“ adressiert und dann aber doch einfach wieder unter den Tisch gekehrt wird, ist aber sogar noch eine Stufe merkwürdiger.

    Außerdem wird gezeigt, dass es Löwen in diesem Universum absolut möglich ist, sich nur von Würmern und Larven gesund zu ernähren. Es spräche also nichts gegen ein Abkommen zwischen den Löwen und den restlichen Tieren der Savanne, die Jagd einzustellen und gemeinsam zu versuchen, mehr Ressourcen zu erschließen. Simbas neuen Freunden sollte eigentlich sehr daran gelegen sein. Stattdessen unterwerfen sie sich am Ende dankbar der neuen alten faschistischen Ordnung, in der eine kleine Gruppe an Raubtieren willkürlich über Leben und Tod aller anderen, genetisch weniger privilegierten Lebewesen entscheiden kann.

    Die Hyänen als Sündenbock

    Die Hyänen, die als nimmersatte Fremde ausgegrenzt und in ein Elendsviertel verbannt wurden, sind nicht sonderlich anders als die Löwen und als Aasfresser eigentlich sogar potenziell umweltfreundlicher als ihre Konkurrenz, dennoch werden sie zum Sinnbild einer umwelt- und damit lebensfeindlichen Jagdphilosophie hochstilisiert. Wäre Mufasa ein besserer König gewesen, hätte er vielleicht einen Weg finden können, die Außenseiter in sein Rudel zu integrieren. Stattdessen hat er sich dazu entschlossen, die Spezies auf grausame Weise auszuhungern. Kein Wunder also, dass das Volk um Hyäne Shenzi (Florence Kasumba) Scars (Chiwetel Ejiofor) Umsturz unterstützt. Der ist zwar ein reiner Opportunist, bietet ihnen zumindest einen Platz am Essenstisch an, der ihnen aufgrund von Mufasas Rassismus und Paranoia bisher verwehrt blieb.

    Natürlich bin ich nicht davon ausgegangen, dass Disney die moralische Botschaft und den sozialen Status der Figuren des Originals tatsächlich komplett neu evaluiert. Warum auch einen neuen Spin finden, wenn man genauso gut einfach denselben Film nochmal drehen und damit Unsummen verdienen kann? Dennoch hatte ich für einen kurzen Moment das Gefühl, dass Regisseur Jon Favreau vielleicht doch einen kleinen Seitenhieb auf die einseitige Weltsicht der Löwen eingebaut haben könnte. Schade drum.

    „Der König der Löwen“ läuft seit dem 17. Juli 2019 in den deutschen Kinos.

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