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    "1917" entstand unter Schmerzen: So hart war der Dreh des herausragenden One-Shot-Kriegsthrillers

    An diesem Wochenende kommt „1917“ in die Kinos und wir empfehlen euch: Verpasst diesen Film nicht! „1917“ ist sauspannend und optisch herausragend. Mit den Hauptdarstellern haben wir darüber gesprochen, wie das erreicht wurde.

    Universal Pictures

    Gerade wurde „1917“ für zehn Oscars nominiert und ist damit einer der großen Favoriten bei der kommenden Verleihung des renommiertesten und bedeutendsten Filmpreises der Welt. Ab dem 16. Januar 2020 könnt ihr den Kriegsthriller von Sam Mendes („James Bond – Skyfall“, „American Beauty“) in den deutschen Kinos sehen.

    Der Besuch lohnt sich dabei. „1917“ ist nämlich unglaublich spannend. Da bei Diskussionen über den Inhalt des Wettlaufs zweier junger Soldaten im Ersten Weltkrieg gegen die Zeit schnell erhöhte Spoilergefahr besteht, konzentrieren wir uns in der Unterhaltung mit den Hauptdarstellern George MacKay und Dean-Charles Chapman aber vor allem auf die Machart des Films.

    „1917“ wirkt nämlich so, als wäre der Film in fast einer einzigen Einstellung gedreht. Wie schwer das zu erzielen war, wollten wir von MacKay und Chapman wissen. Sie erzählen uns unter anderem von vielen Proben, körperlichen Schmerzen aber auch einer überraschenden Entdeckung bei den Recherchen für den Film.

    "Oh Fuck, habe ich das gerade richtig gemacht?"

    FILMSTARTS: Einen Film so zu drehen, als wäre er in einer langen Einstellung entstanden – mit immer sehr langen Takes. Wie viel Druck gibt es da, keinen Mist zu bauen und in der letzten Minute des Takes alles zu versauen?

    Dean-Charles Chapman: Den Druck habe ich vor allem während der Proben gespürt, denn da war alles noch neu für mich. Da musste ich erst langsam verstehen, wie wir das genau machen und die Choreografie lernen.

    Doch wir haben insgesamt sechs Monate vor den Dreharbeiten geprobt, sodass es dann einfach drin war und du ohne großes Nachdenken die richtigen Schritte gemacht hast. Doch natürlich: Einige Szenen sind neun oder zehn Minuten lang und dann denkst du nach vier oder fünf Minuten: „Oh Fuck, habe ich das gerade richtig gemacht?“, doch dann musst du einfach weiter machen.

    George MacKay: Wir mussten lernen, uns unserer Umgebung bewusst zu sein. Jede Szene war wie ein Tanz, denn du musst auf so viele Dinge achten – nicht nur auf deinen Mitspieler, sondern auch auf die Kamera. Was ist gerade zu sehen, wohin musst du schauen, wohin musst du gehen.

    Teamwork als Schlüssel

    FILMSTARTS: Ist dann vielleicht Kameramann Roger Deakins bei so einem Projekt für euch als Schauspieler noch wichtiger als Regisseur Sam Mendes? Schließlich ist seine Kamera fast noch ein zusätzlicher Spielpartner für euch.

    George MacKay: Ich würde nicht sagen „noch wichtiger“. Es gab nicht, das führende Element, es war eine Gemeinschaftsidee. Der ganze Film war eine Zusammenarbeit aller Abteilungen.

    Die One-Shot-Idee kam von Sam und nicht von Roger und war nie ein Gimmick. Es war nicht: „Lasst uns sehen, ob wir das tun können.“ Es fühlte sich einfach richtig an, dass es der beste Weg ist, diese Geschichte zu erzählen, denn es ist eine Reise in Echtzeit, bei der man zu keinem Zeitpunkt die Hauptfiguren verlassen kann.

    Und bei der Umsetzung kann man gar nicht stark genug die Leute loben, die nie erwähnt werden, wie zum Beispiel die Grips [Anm.: die Grips sind Teil der Kameraabteilung und bedienen meist die entsprechenden Halterungen der Kamera, zum Beispiel den Kran oder den Kamerawagen] Gary und Malcolm. Die mussten teilweise mitten in der Szene die Kamera von einem Kran abnehmen, ein Stück tragen, und dann an einen anderen Kran dranhängen. Das sind die besten Grips in der Industrie, doch selbst sie haben so etwas noch nie getan.

    Dean-Charles Chapman: Und die Sound-Leute darfst du nicht vergessen. Wenn wir rennen, dann rennt da immer jemand mit einer Tonangel hinter uns her und versucht mitzuhalten, wie auch die Kamera, wie auch die Grips. Das ganze Terrain, welches Blake und Schofield durchstreifen, und welches wir realistisch nachgebildet haben, musste auch die Crew durchlaufen. Und sie konnten nicht einen anderen, besseren Weg einschlagen, denn wir haben 360 Grad gedreht, haben alles aufgenommen.

    Da gab es dann nicht einmal den Platz, für Roger [Deakins] ein Licht aufzustellen, sondern er musste natürliches Licht nutzen. Es ist wirklich so, jeder hinter der Kamera musste die ganze Zeit mit uns mithalten.

    George MacKay: Die One-Shot-Idee betrifft einfach wirklich jede Abteilung. Dass du nicht siehst, dass es dann vielleicht doch kein One-Shot ist, hat mit der Detailarbeit aller Teams zu tun, zum Beispiel auch Make-Up und Kostüme.

    Wir haben fast zwei Stunden Filmzeit über rund 16 Wochen gedreht und dass du nie einen Wechsel der Kostüme bemerkst, liegt daran, dass Jacqueline und Dave, die die Kostüme machten, Doone, die für das Make-Up verantwortlich war, und Tristan mit der Prothetik so genau arbeiten, so brillant waren, dass es in keinem Frame einen Unterschied gibt.

    Perfekt ist unmöglich!

    FILMSTARTS: Was war daneben die größte Herausforderung, die dieser Ansatz mit sich bringt?

    George MacKay: Die ersten Tage zu filmen, war wirklich eine große Herausforderung. Als wir das erste Mal dann am Filmset waren, gab es da diese wirklich inspirierende, aber auch wirklich furchteinflößende Vision, dass wir diese langen Einstellungen drehen und dass es immer darum ging, „perfekt“ zu erreichen.

    Und ich glaube nicht, dass es „perfekt“ wirklich gibt, also ging es darum, so nah wie möglich an „perfekt“ heranzukommen. Und so haben wir dieselbe Szene immer und immer und immer wieder gedreht. Und wir hatten das Glück, ein Budget zu haben, welches es uns erlaubte, am nächsten Tag einfach noch mal zu wiederholen, wenn wir am Vortag kein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt haben - solange bis wir alles so gut hinbekommen haben, wie es nur geht.

    Und das hatte dann eine gewisse Art von Magie: Du hast direkt die Aufnahmen gefühlt, bei denen alles geklappt hat, alles in Harmonie war, alles sich einfach richtig angefühlt hat.

    Aber der Prozess war schon furchteinflößend, weil wir es so oft getan haben. Du hattest zwar mal eine kleine Pause, schnapptest dir etwas Essen, doch dann ging es schon wieder los, weil das Licht gerade richtig war. Und weil du auch für den Dreh 300 Meter gerannt bist, war jeder wieder bereit, wenn du zurückgekommen bist, sodass du gleich wieder loslegen durftest. Es war quasi Rennen, Zurücklaufen, Rennen, Zurücklaufen, Rennen, Zurücklaufen – gerade an Tagen, an denen das Wetter perfekt war. Das war wohl wirklich das Herausforderndste. Einfach immer und immer und immer wieder zu gehen.

    Dreh unter körperlichen Schmerzen

    Dean-Charles Chapman: Ja, immer und immer und immer wieder zu wiederholen, war wirklich schwierig. Vor allem hatte ich nach der ersten Woche Dreharbeiten das Schienbeinkantensyndrom, wo deine Muskeln rund um die Schienbeine sich entzünden.

    Ich musste also noch eine Menge Physiotherapie machen und hatte jeden Abend Akupunktur, um die Schmerzen zu lindern und irgendwie durchzuhalten. Das war nötig, denn weil die Figuren immer in Bewegung sind, war dieser Dreh sehr physisch. Es ist ständig laufen, rennen, joggen. Aber am Ende hielt ich auch durch, weil das natürlich ein Klacks ist im Vergleich zu dem, was die Jungs damals erleiden musste. Sie hätten es geliebt, mein Problem zu haben statt beschossen zu werden.

    Aber ja, die Schienbeinschmerzen waren die größte Herausforderung, besonders in der Szene im Niemandsland. Wenn du dich erinnerst, gibt es da den Moment, wenn die Kamera immer weiter nach unten, bis auf die Füße von Blake und Schofield, geht. Es ist nur eine Aufnahme, wie wir immer wieder ausrutschen und das war real. Es fühlte sich nicht wie Schlamm, sondern viel mehr wie Eis an und war so rutschig. Du musstest dich richtig darauf konzentrieren, daran erinnern, einen Fuß vor den nächsten zu setzen.

    Universal Pictures

    FILMSTARTS: Wie habt ihr euch neben den Proben der Laufwege vorbereitet? Was habt ihr recherchiert?

    George MacKay: Die ganzen Monate, die wir geprobt haben, haben wir den Anfang des Tages erst einmal mit unserem Militärberater verbracht. Da ging es zum Beispiel darum, die Ausrüstung richtig zu behandeln, sie anzuziehen, herumzutragen, schnell wieder auszuziehen.

    Und dann hatten wir noch Schussübungen und Bewegungs-Drills, die vielleicht gar nicht im Film landeten. Wir mussten aber auch bedenken: Diese Jungs waren keine Karriere-Soldaten, sie hatten glaube ich ein acht Wochen langes Bootcamp und wurden dann in den Einsatz geschickt. Daher war besonders wichtig, dass wir bei der Darstellung auch einfach junge Männer und nicht trainierte Soldaten waren.

    Entdeckungen über den eigenen Ur-Ur-Opa

    Dean-Charles Chapman: Ich habe zudem versucht so viel wie möglich über diese Zeit zu lernen. Ich habe natürlich Peter Jacksons Film [Anm.: die Dokumentation „They Shall Not Grow Old“] geschaut, der einfach nur brillant ist.

    Es gibt außerdem dieses Buch „The Western Front Diaries“ und das ist die beste Recherchegrundlage, weil es von den Menschen kommt, die damals wirklich gelebt haben. Ich habe übrigens dabei herausgefunden, dass mein Ur-Ur-Opa einen Eintrag in diesem Tagebuch hat, in dem er über seine Erfahrungen schreibt. Er war in der Kavallerie, wurde im Niemandsland angeschossen und verwundet. Er überlebte dort für Tage, während er langsam versuchte, auf die britische Seite zurück zu krabbeln. Er war anschließend gelähmt, lebte aber dann noch für viele Jahre.

    So Dinge habe ich mir angeschaut, um mich ins richtige Bewusstsein zu versetzen, bevor ich ans Set bin, aber vor allem auch um zu verstehen, was in den Köpfen dieser Menschen vor sich ging.

    „1917“ kommt am 16. Januar 2020 in die deutschen Kinos. In den kommenden Tagen folgt auch unter anderem noch unser ausführliches Interview mit Regisseur Sam Mendes.

    Webedia GmbH
    1917

     

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